Die Beschwerdeführerin erhielt als Halterin eines Fahrzeugs zunächst ein Verwarngeldangebot, nachdem ein Parkverstoß mit dem Fahrzeug ermittelt worden war. Als sie hierauf nicht reagierte, erging ein Kostenbescheid gemäß § 25a StVG, gegen den sie die gerichtliche Entscheidung beantragte. Der Antrag wurde vom AG St. Ingbert mit Beschluss vom 25.08.2020 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin Anhörungsrüge, woraufhin das Amtsgericht in einem Schreiben ausführte, ihre Rügen seien nicht nachvollziehbar. Auf nochmalige Erwiderung teilte das Gericht in einem weiteren formlosen Schreiben mit, dass es bei dem Beschluss vom 25.08.2020 verbleibe.
Der VerfGH erinnert hier an seinen Beschluss vom 16.10.2019, in dem er bei vergleichbarer Sachlage bereits ausführte: “Auch korrekte Formen einer Bescheidung von Anträgen sind Teil rechtsstaatlicher Grundsätze, weil nur sie dem Bürger erlauben, Möglichkeiten und Chancen von Rechtsschutz zu beurteilen.” Vorliegend sei wiederum keine gesetzmäßige Bescheidung des Rechtsbehelfs erfolgt. Die Beantwortung mitteils formlosem Schreiben könne nicht als konkludenter gerichtlicher Beschluss angesehen werden, sondern stelle ein gerichtliches Unterlassen dar, welches unter Umständen Entschädigungsansprüche gemäß § 198 GVG begründen könne. Zur Erhebung einer Verzögerungsrüge sei die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität allerdings nicht gehalten gewesen, “wenn erkennbar ist, dass ein Gericht – wie der Bußgeldrichter des Amtsgerichts St. Ingbert – nicht bereit ist, ein gerichtliches Verfahren gesetzlich korrekt abzuschließen.” Die unterbliebene Entscheidung über die Anhörungsrüge verletze somit evident das Grundrecht auf wirksamen Rechtsschutz.
Die Verfassungsbeschwerde wurde dennoch zurückgewiesen, weil sie auf dem Verstoß nicht beruhte: In der Sache konnte der Verfassungsgerichtshofs eine Gehörsverletzung durch das Amtsgericht im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht erkennen.
VerfGH des Saarlandes, Beschluss vom 04.08.2021 – Lv 21/20
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
A.
1.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen einen Beschluss des Amtsgerichtes St. Ingbert vom 12.08.2020 (27 OWi 2047/20). Mit diesem Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag der Beschwerdeführerin auf gerichtliche Entscheidung gegen einen Halterkostenbescheid der Zentralen Bußgeldstelle St. Ingbert zurückgewiesen. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich auch dagegen, dass die gegen den Beschluss vom 12.08.2020 erhobene Anhörungsrüge vom 21.08.2020 durch das Amtsgericht nicht ordnungsgemäß entschieden sei.2.
Die Beschwerdeführerin ist Halterin des Fahrzeuges XX-XX XX. Am 03.03.2020 wurde um 10:57 Uhr festgestellt, dass das Fahrzeug vor dem Anwesen G…straße, N., innerhalb einer Grenzmarkierung (Zeichen 299) für ein Parkverbot, das deutlich auf der Straße aufgebracht war, parkte, was einen Verstoß gegen § 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2, § 49 StVO; § 1 Abs. 1 BKatV i.V.m. Nr. 54 BKat darstellt. Ein Beamter der Verkehrsüberwachung hatte diesbezüglich ein Foto gefertigt und die Verkehrsordnungswidrigkeit festgestellt. Die Kreisstadt N., Ordnungsamt, übersandte der Beschwerdeführerin als Halterin unter dem 04.03.2020 ein mit Verwarnungsgeldangebot/Anhörung des Betroffenen überschriebenes Formular wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit. Dabei wurde dem Betroffenen ein Verwarnungsgeld in Höhe von 10,00 € angeboten mit dem Hinweis, die Verwarnung werde nur wirksam, wenn die Beschwerdeführerin mit ihr einverstanden sei und das Verwarnungsgeld innerhalb einer Woche ab Zugang des Schreibens bar oder durch Überweisung auf ein näher angegebenes Konto der Kreisstadt N. überwiesen werde.In dem Formular heißt es dann weiter:
„Wenn Sie mit der Verwarnung nicht einverstanden sind, gilt folgendes: Nach § 55 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) wird Ihnen hiermit Gelegenheit gegeben, zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen. Es steht Ihnen frei, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Sie sind aber in jedem Falle – auch wenn Sie die Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben – verpflichtet, die Fragen zur Person vollständig und richtig zu beantworten. Die Verletzung dieser Pflicht ist nach § 111 OWiG mit Geldbuße bedroht. Der ausgefüllte Anhörungsbogen ist innerhalb einer Woche ab Zugang dieses Schreibens zurückzusenden. Sofern Sie sich nicht zur Beschuldigung äußern, kann ohne weitere Anhörung zur Sache ein Bußgeldbescheid gegen Sie erlassen werden. Falls Sie sich zur Beschuldigung äußern, wird unter Berücksichtigung Ihrer Angaben entschieden, ob das Verfahren eingestellt oder ohne weitere Äußerung der Verwaltungsbehörde ein Bußgeldbescheid erlassen wird. Der Erlass eines Bußgeldbescheides ist mit Kosten (Gebühren und Auslagen) verbunden. Wenn Sie die Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben, teilen Sie bitte innerhalb einer Woche ab Zugang dieses Schreibens neben Ihren Personalien zusätzlich die Personalien des Verantwortlichen mit; hierzu sind Sie nicht verpflichtet. Sollte es sich um ein Firmenfahrzeug handeln, wird gebeten, dieses Schreiben an den verantwortlichen Fahrer weiterzuleiten oder die Personalien des Fahrers mitzuteilen. Sofern es sich um ein Halt- oder Parkverstoß handelt, können Ihnen als Halter des Kfz die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wenn dessen Führer nicht ermittelt werden kann (§ 25a StVG). Sie erhalten hiermit Gelegenheit, sich auch hierzu innerhalb einer Woche ab Zugang dieses Schreibens sich zu äußern. Im übrigen kann dem Halter eines Kfz bei Verkehrsverstößen die Führung eines Fahrtenbuches auferlegt werden, wenn nicht festgestellt werden kann, wer zur Tatzeit das Fahrzeug geführt hat (§ 31a StVZO). Falls das Verwarnungsgeld schon bezahlt wurde, betrachten Sie diese Verwarnung als gegenstandslos.“
Nachdem sich die Beschwerdeführerin nicht meldete, übermittelte die Kreisstadt N. eine Zahlungserinnerung mit Datum vom 30.03.2020 und teilte mit, die Beschwerdeführerin habe das Verwarnungsgeld bis heute nicht angenommen und auch auf die schriftliche Anhörung sei keine Zahlung erfolgt. Um Kosten zu sparen, werde letztmalig angeboten, das Verwarnungsgeld doch noch innerhalb einer Woche zu überweisen oder bar einzuzahlen.
Nachdem hierauf wiederum keine Reaktion erfolgte, stellte das Landesverwaltungsamt – Zentrale Bußgeldbehörde – das Verfahren gem. § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO gegen die Beschwerdeführerin ein und erließ einen Kostenbescheid, wonach die Beschwerdeführerin eine Gebühr von 20,00 € und Auslagen der Verwaltung in Höhe von 3,50 € zu bezahlen habe. Der Kostenbescheid trägt das Datum vom 18.06.2020 und wurde der Beschwerdeführerin unter dem 23.06.2020 zugestellt. Innerhalb der Einspruchsfrist von zwei Wochen beantragte der Verteidiger der Beschwerdeführerin die gerichtliche Entscheidung nach § 25a Abs. 3 S. 1 StVG, § 62 Abs. 2 OWiG und erbat gleichzeitig Akteneinsicht. Nach gewährter Akteneinsicht wurde der Antrag auf gerichtliche Entscheidung damit begründet, dass die Fahrereigenschaft der Beschwerdeführerin zum einen nie in Frage gestanden habe und es zum anderen nicht zutreffe, dass die Feststellung des Führers des Kraftfahrzeuges, der den Verstoß begangen habe, nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung möglich gewesen sei oder einen unangemessenen Aufwand erfordert hätte. Außerdem sei nach § 25a Abs. 2 StVG vor der Entscheidung derjenige zu hören, dem die Kosten auferlegt werden sollen, was nicht stattgefunden habe.
Unter Hinweis auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 16.10.2019 (Lv 7/19) sei es unzulässig, von der Ermittlung des Betroffenen abzusehen und den Halter in jedem Fall in Anspruch zu nehmen. Diese Entscheidung sei für die Zentrale Bußgeldstelle verbindlich, was dazu führe, dass der angefochtene Bescheid nicht nur unbegründet, sondern sogar unzulässig sei.
Um der zu erwartenden Frage, warum die Beschwerdeführerin auf das Verwarnungsgeldangebot nicht reagiert habe, vorzubeugen, sei darauf hinzuweisen, dass gegen die Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitraum bereits ein Bußgeldverfahren mit der gleichen Anschuldigung anhängig gewesen sei, in dem sie anwaltlich vertreten gewesen sei und in dem Gegenstand der Rechtsverteidigung der Vorhalt sei, dass die Markierung auf der Straße an dieser Stelle willkürlich und unbegründet sei. Die Beschwerdeführerin sei der Auffassung gewesen, es habe sich um die gleiche Sache gehandelt und sie habe deshalb auf das ja bereits abgelehnte Verwarnungsgeldangebot nicht reagiert. Hätte die Bußgeldbehörde – wie gesetzlich vorgeschrieben – die Beschwerdeführerin ordnungsgemäß darauf hingewiesen, dass sie beabsichtige nach § 25a StVG vorzugehen, hätte die Beschwerdeführerin hierauf mit ihrer bereits in anderer Sache vorgebrachten Rechtsverteidigung reagiert.
Mit dem im vorliegenden Verfahren angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts St. Ingbert vom 12.08.2020 wurde der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kostenpflichtig zurückgewiesen. Dieser sei zulässig, aber nicht begründet. Der verantwortliche Fahrzeugführer habe innerhalb der Verjährungsfrist nicht mit angemessenem Ermittlungsaufwand festgestellt werden können. Der Beschwerdeführerin sei ein Anhörungsbogen übersandt worden. Darin sei sie zur Nennung des Fahrzeugführers aufgefordert worden und auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass ihr gem. § 25a StVG die Kosten des Verfahrens auferlegt werden können, wenn der Fahrzeugführer nicht ermittelt werden könne oder seine Ermittlung einen unangemessenen Aufwand erfordern würde. Da die Beschwerdeführerin in der Folge den Fahrzeugführer nicht benannt habe, über die durchgeführten Maßnahmen hinausgehende Ermittlungen mit Rücksicht auf die Bedeutung der Sache von der Verwaltungsbehörde aber nicht zu verlangen seien, sei der Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Kostenfolge zurückzuweisen.
Wann der Beschluss dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zugestellt wurde, ergibt sich aus der Bußgeldakte nicht. Mit Anhörungsrüge vom 21.08.2020, die ausführt, der Beschluss sei am 17.08.2020 zugegangen, beantragt die Beschwerdeführerin, den Beschluss des Amtsgerichts vom 12.08.2020 aufzuheben, und führt aus, die Entscheidung des Amtsgerichts sei unter Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruches auf rechtliches Gehör im Übrigen mit einer falschen Begründung ergangen. Die Anhörungsrüge wiederholt das Argument, die nach § 25a Abs. 2 StVG vorgeschriebene Anhörung habe nicht stattgefunden; dies begründe eine Gesetzesverletzung, sodass der Bescheid des Landesverwaltungsamtes hätte aufgehoben werden müssen.
Über die Person der verantwortlichen Fahrzeugführerin habe es nie einen Zweifel geben können.
Die Entscheidung des Amtsgerichts setze sich über den erheblichen Sachvortrag hinweg, was die Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör begründe.
Mit Schreiben vom 25.08.2020 wandte sich das Amtsgericht an den Verteidiger und führte aus, die Rüge sei nicht nachvollziehbar. Die Betroffene sei mit Schreiben vom 04.03.2020 angehört worden mit Hinweis auf die Halterhaftung. Hieran sei sie mit Schreiben vom 30.03.2020 erinnert worden.
Mit Schriftsatz vom 02.09.2020 wiederholte der Verteidiger, die Formulierung der Anhörung vom 04.03.2020 beinhalte nicht die Aufforderung mitzuteilen, kein anderer komme als Fahrzeugführer in Betracht. Da die Betroffene selbst das Fahrzeug geführt habe, habe sie keine Veranlassung gehabt, dieses schriftlich zu bestätigen. Ihr Schweigen bedeute vielmehr (unmissverständlich und nach den Regeln der Logik), sie sei selbst Fahrerin gewesen. Von daher sei unrichtig, dass die Fahrerin nicht habe ermittelt werden können. Im Übrigen sei vor Erlass der Kostenentscheidung derjenige zu hören, dem die Kosten auferlegt werden. Diese Anhörung habe nicht stattgefunden.
Mit formlosem Schreiben vom 07.09.2020 teilte das Amtsgericht St. Ingbert mit, es verbleibe bei dem Beschluss vom 11.08.2020 und dem Schreiben vom 25.08.2020. Die Auffassung im Schriftsatz vom 02.09.2020 werde vom Gericht nicht geteilt. (Das Schreiben, mit Eingangsstempel vom 10.09.2020, des Verteidigers der Beschwerdeführerin findet sich als Anlage zur Verfassungsbeschwerde.)
3.
a.
Mit ihrer am 14.09.2020 beim Verfassungsgerichtshof des Saarlandes eingegangenen Verfassungsbeschwerde vom gleichen Tag rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte auf ein faires Verfahren (Art. 60 Abs. 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 SVerf), rechtliches Gehör (Art. 60 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 S. 1 SVerf) und eine willkürfreie Entscheidung (Art. 60 Abs. 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 SVerf) durch den Beschluss des Amtsgerichtes St. Ingbert vom 12.08.2020 und beanstandet, dass „eine ordnungsgemäße Entscheidung“ gegen die hiergegen erhobene Anhörungsrüge vom 21.08.2020 bisher nicht ergangen sei.Aus Sicht der Beschwerdeführerin sei die Anhörungsrüge vom 21.08.2020 bis heute nicht ordnungsgemäß beschieden, sodass Verfassungsbeschwerde geboten sei.
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liege vor, weil das Amtsgericht St. Ingbert den begründeten Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit einer unzutreffenden Begründung zurückgewiesen habe. Der angefochtene Kostenbescheid verstoße nämlich gegen die Vorschrift des § 25a Abs. 2 StVG, der eine vorherige Anhörung desjenigen vorschreibe, dem die Kosten auferlegt werden sollen. Der Hinweis des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes, dass § 25a StVG nicht dazu führen dürfe, von vornherein von einer Ermittlung des Betroffenen abzusehen und den Halter in jedem Fall in Anspruch zu nehmen, habe das Amtsgericht nicht veranlasst, sich mit den Argumenten der Beschwerdeführerin nur ansatzweise zu befassen. Die Einstellung des Verfahrens mit der Behauptung, die Fahrerfeststellung sei vor Verjährungsablauf nicht möglich gewesen, verstoße, da sie die zwingende Vorschrift des § 25a StVG verletze, gegen das Rechtsstaatlichkeitsgebot in Form des Willkürverbots. Der angefochtene Beschluss gehe über diesen entscheidungserheblichen Sachvortrag, ohne ihn zu erwähnen, hinweg, verletze den Anspruch auf rechtliches Gehör und sei materiell-rechtlich falsch.
b.
Weiter rügt die Beschwerdeführerin, die Nicht-Erledigung der Anhörungsrüge verletze einen weiteren Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör. Das Amtsgericht St. Ingbert sei verpflichtet gewesen, auf die gegen den Beschluss vom 12.05.2020 form- und fristgerecht eingelegte Anhörungsrüge zumindest eine wie auch immer geartete Entscheidung zu treffen. Dies gebiete der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 60 Abs. 1 i.V m. Art. 1 S. 1 SVerf.c.
Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 16.10.2019 (Lv 7/19) greift die Beschwerdeführerin auch den im Schreiben des Amtsgerichts St. Ingbert vom 20.07.2020 gewählten Weg der Behandlung der förmlichen Anhörungsrüge an. Auch diese nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Bescheidung der Anhörungsrüge werde zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht.B.
Die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts St. Ingbert vom 12.08.2020 und die Nichtbescheidung der Anhörungsrüge ist zulässig.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.1.
Der Verfassungsgerichtshof ist nach Art. 97 Nr. 3 SVerf, § 55 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG zur Entscheidung über Verfassungsbeschwerden gegen Maßnahmen und Unterlassungen der saarländischen öffentlichen Gewalt – also wie hier auch gegen Akte des Amtsgerichts St. Ingbert – berufen.2.
Die Beschwerdeführerin ist Trägerin von Grundrechten der Verfassung des Saarlandes.3.
a.
Der Beschluss des Amtsgerichts St. Ingbert vom 12.08.2020 – 27 OWi 2047/20 – ist als gerichtliche Entscheidung ein tauglicher Beschwerdegegenstand.b.
Das gilt auch für das die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes nicht beachtende Verhalten des Bußgeldrichters des Amtsgerichts St. Ingbert zur Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin. Dabei handelt es sich um ein der Beschwerdeführerin Rechtsschutz versagendes richterliches Unterlassen, das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden kann.Das Amtsgericht St Ingbert hat – ungeachtet der rechtlichen Vorgaben der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes in der seine Verfahrensweise betreffenden Entscheidung vom 16.10.2019 (Lv 7/19) – erneut über eine Anhörungsrüge nicht entschieden, sondern lediglich formlos mitgeteilt, es verbleibe bei „dem Beschluss vom 11.08.2020 und dem Schreiben vom 25.08.2020“. Das ist keine gesetzesgemäße Bescheidung des Rechtsbehelfs der Beschwerdeführerin: Unabhängig von der Frage, ob und wie gerichtliche Entscheidungen über die Kostenhaftung von Halterinnen und Haltern eines Kraftfahrzeugs angefochten werden können, gilt: Auch die Einhaltung korrekter Formen einer Bescheidung von Anträgen sind Teil rechtsstaatlicher Grundsätze, weil nur sie dem Bürger erlauben, Möglichkeiten und Chancen von Rechtsschutz zu beurteilen. Daher können formlose Schreiben, mit denen auf eine – erste – Anhörungsrüge ausgeführt wird, es verbleibe bei dem bisher Entschiedenen, nicht als konkludenter gerichtlicher Beschluss angesehen werden. Sie stellen allerdings ein gerichtliches Unterlassen dar, das – abgesehen von den Rechtsbehelfen, die das Gerichtsverfassungsgesetz in § 198 GVG vorsieht und das möglicherweise in bestimmten Fällen auch Entschädigungsansprüche Betroffener gegen das Saarland auslösen kann – als Maßnahme der saarländischen öffentlichen Gewalt mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar ist.
4.
Die Beschwerdeführerin hat – plausibel – geltend gemacht, dass sie durch die Maßnahmen des Amtsgerichts St. Ingbert in ihren ihr durch die Verfassung des Saarlandes gewährleisteten Grundrechten auf rechtliches Gehör, wirksamen Rechtsschutz und willkürfreie Behandlung verletzt sein kann.5.
Die Beschwerdefrist ist gewahrt.Zum Beschluss vom 12.08.2020 liegt zwar kein Zustellnachweis/Empfangsbekenntnis in der Akte des Amtsgerichtes vor. Der Verteidiger hat jedoch in seiner Anhörungsrüge vom 21.08.2020 mitgeteilt, der Beschluss sei ihm am 17.08.2020 zugegangen. In Fällen, in denen gegen eine gerichtliche Entscheidung eine – nicht von vorneherein unzulässige – Anhörungsrüge erhoben wird, beginnt der Lauf der Frist mit der Zustellung der Entscheidung über die Anhörungsrüge. Zwar liegt eine förmliche Entscheidung des Amtsgerichtes St. Ingbert zur Anhörungsrüge nicht vor. Das formlose Schreiben vom 07.09.2020, das den Anforderungen einer Entscheidung für eine Gehörsrüge nicht gerecht wird, ist nach dem Eingangsstempel des Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 10.09.2020 eingegangen, sodass jedenfalls die Frist des § 56 Abs. 1 S. 1 VerfGH, im Hinblick auf die Zustellung der Ausgangsentscheidung und das formlose Schreiben des Amtsgerichtes vom 07.09.2020, eingehalten ist.
6.
Der Rechtsweg ist erschöpft. Der Beschwerdeführerin stehen auch keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung, ihrer grundrechtlichen Beschwer abzuhelfen.Dass eine gerichtliche Entscheidung nach § 25a Abs. 3 Satz 1 StVG, § 46 OWiG, § 33a S. 1 StPO mit der Beschwerde nach § 304 StPO anfechtbar sei, wird in der Rechtsprechung überwiegend verneint, weil eine von Gesetzes wegen unanfechtbare Entscheidung wie jene nach § 25a Abs. 3 Satz 1, Satz 3 StVG nicht über eine Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs einer beschwerderichterlichen Kontrolle unterworfen werden kann.
Auch wenn umgekehrt mit beachtlichen Stimmen die Anfechtbarkeit bejaht wird, ist die Verfassungsbeschwerde vorliegend nicht deshalb unzulässig, weil die Beschwerdeführerin den Rechtsweg nicht ausgeschöpft haben könnte. Gerade weil das Schreiben des Amtsgerichtes St. Ingbert vom 07.09.2020 nicht ansatzweise die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Entscheidung für eine Gehörsrüge erfüllt, muss vorliegend zugunsten der Beschwerdeführerin davon ausgegangen werden, dass der Amtsrichter die Gehörsrüge nicht weiter verfolgen und förmlich entscheiden würde und es bei dem Beschluss verbleibt. Das formlose Schreiben des Amtsgerichts lässt nicht erkennen, ob es die Gehörsrüge als unzulässig oder das rechtliche Gehör als nicht verletzt angesehen hat. Da jedoch der Bußgeldrichter deutlich gemacht hat, dass das Verfahren mit seinem Schreiben zur Gehörsrüge beendet sei und es „bei dem Beschluss vom 11.08.2020 und dem Schreiben des Gerichtes vom 25.08.2020 verbleibt“, durfte die Beschwerdeführerin davon ausgehen, dass eine weitergehende Entscheidung nicht zu erwarten stand. In diesem Fall des beredten Untätigbleibens eines Gerichts auf einen Rechtsbehelf hin ist es einer Beschwerdeführerin unzumutbar, weitere Maßnahmen der Abhilfe ihrer grundrechtlichen Beschwer zu ergreifen.
Dass der Beschwerdeführerin der Rechtsbehelf der Verzögerungsrüge (§ 198 GVG) zugestanden haben mag, ändert in diesem Streitfall nichts daran, dass sie darauf vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht verwiesen werden darf.
Ob allgemein davon auszugehen ist, dass die Möglichkeit der Erhebung einer Verzögerungsrüge die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der materiellen Subsidiarität hindert, kann dahinstehen. Die Rechtsbehelfe des § 198 GVG haben zwar auch – mittelbar – präventive Funktion. Sie zu ergreifen kann jedoch in jedem Fall dann nicht erwartet werden, wenn erkennbar ist, dass ein Gericht – wie der Bußgeldrichter des Amtsgerichts St. Ingbert – nicht bereit ist, ein gerichtliches Verfahren gesetzlich korrekt abzuschließen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
1.
Soweit die unterbliebene Entscheidung über die Anhörungsrüge – evident – das Grundrecht auf wirksamen Rechtsschutz verletzt, ist die Verfassungsbeschwerde nicht begründet, weil die grundrechtlich mögliche Beschwer der Beschwerdeführerin darauf nicht beruht. Da der Verfassungsgerichtshof davon ausgeht, dass gegen die in erster Linie angegriffene Entscheidung die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, würde die – der Sache nach deutbare – bloße Feststellung einer Grundrechtsverletzung durch die Nichtbescheidung der Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin keinen rechtlichen Vorteil verschaffen.Die Entscheidung des Amtsgerichtes St. Ingbert vom 11.8.2020 verletzt das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Willkürverbot nicht. Sie verletzt auch nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör der Beschwerdeführerin.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes verstößt eine Entscheidung dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in der Ausprägung des Verbotes objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) und damit auch gegen Art. 12 SVerf i.V.m. Art. 60 SVerf, wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Maßstab hierzu sind objektive Kriterien. Ein schuldhaftes Handeln des Richters ist regelmäßig nicht erforderlich.
Eine fehlerhafte Rechtsanwendung allein führt nicht zur Feststellung, dass eine Gerichtsentscheidung objektiv willkürlich ist. Schlechterdings unhaltbar ist eine fachgerichtliche Entscheidung erst dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder in sonst nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (BVerfG Beschl. v. 28.05.2019 – 1 BvR 2833/16 – FamRZ 2019, 1461; BVerfG Beschl. v. 26.05.1993 – 1 BvR 208/93 – 89, 1, 13 f; BVerfG Beschl. v. 08.07.1997 – 1 BvR 1934/93 – 96, 189, 209 st. Rspr.)
2.
Zweck des § 25a StVG ist es, bei Parkverstößen dem Halter eines Kraftfahrzeugs die Kosten der Ermittlung des wegen eines Verstoßes gegen Straßenverkehrsvorschriften verfolgten Fahrers aufzuerlegen, wenn dessen Ermittlung nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung oder nur mit einem unangemessenen Aufwand möglich ist. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung steht außer Frage (BVerfG Beschl. v. 01.06.1989 – 2 BvR 239/88 – 80, 109).Zwar ist anerkannt, dass diese Regelung nicht dazu führen darf, von vornherein von einer Ermittlung des Betroffenen abzusehen und den Halter in jedem Fall in Anspruch zu nehmen (vgl. Hühnermann in Hühnermann/Burmann/Heß/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage, 2018, Rdnr. 3 b m.w.N.), selbst wenn Er-mittlungsansätze bestehen.
Anders als in dem der Entscheidung vom 16.10.2019 (Lv 7/19) zugrundeliegenden Sachverhalt, in dem die Straßenverkehrsbehörde wegen einer vorliegenden Anzeige Anlass hatte anzunehmen, dass gerade nicht der Halter den Parkverstoß begangen haben könne und dem hätte nachgehen müssen, liegen die Dinge hier. Die Behörde hatte namentlich keinen Erfolg versprechenden Ansatz aufzuklären, was die Beschwerdeführerin für selbstverständlich hält. Einerseits beruft sich die Beschwerdeführerin darauf, auf die Anhörung der Behörde deshalb nicht reagiert zu haben, weil gegen sie noch in einem gleichgelagerten Fall ebenfalls ein Bußgeldverfahren durchgeführt worden sei; andererseits trägt sie vor, durch ihr Schweigen habe doch festgestanden, dass sie den Parkverstoß, sollte er vorliegen, begangen haben würde, sodass die gewählte Verfahrensweise, die Einstellung des Bußgeldverfahrens gegen sie und der Erlass eines Kostenbescheides, nicht zulässig sei.
Dies begegnet bereits grundlegenden Bedenken deshalb, weil das Schweigen der Beschwerdeführerin gerade nicht so ausgelegt werden kann.
3.
Anlass für den Erlass der Vorschrift des § 25 a StVG war, dass Halter regelmäßig bei der Ermittlung von Fahrzeugführern bei Verkehrsverstößen nicht mitwirkten und insbesondere die Aufklärung darüber ablehnten, wem sie ihr Fahrzeug überlassen hatten. Hieraus ergaben sich Belastungen für Ermittlungsbehörden und Gerichte, zumal sich Halter häufig erst in späteren Stadien des Bußgeldverfahrens auf den Vorwurf des Verkehrsverstoßes einließen. Weil zu diesem Zeitpunkt regelmäßig die Verfolgungsverjährung eingetreten war, musste der jeweilige Halter freigesprochen und das Verfahren eingestellt werden. Einerseits führte dies zu erheblichen Kostenbelastungen des Staates, andererseits zu einer allgemeinen, das Gerechtigkeitsgefühl störenden Beeinträchtigung der Rechtspflege.4.
Kommt, wie vorliegend, ein Fachgericht zu der Auffassung, dass die Anhörung der Bußgeldbehörde ausreichend sei, wenn in einem Fall wie dem vorliegenden der Halter auf die Anhörung nicht reagiert hat und – darauf hingewiesen – in Kauf genommen hat, mit den Kosten belastet zu werden, ist dies von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG Beschl. v. 01.06.1989 – 2 BvR 239/88 – 80, 109).Anders als die Beschwerdeführerin meint, ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass eine betroffene Person sich auf eine Anhörung nicht meldet, die Feststellung, dass sie den Parkverstoß begangen hat. Auch die zunächst vorgetragene Entschuldigung der Beschwerdeführerin, sie habe das vorliegende Verfahren mit einem gleichgelagerten Verfahren verwechselt und sich von daher nicht bei der Bußgeldbehörde gemeldet, führt nicht dazu, dass die Bußgeldbehörde das Verfahren gegen sie nicht einstellen dürfte, sondern einen – im Übrigen hinsichtlich der Kostenbelastung betragsmäßig im Verhältnis zum Kostenbescheid höheren – Bußgeldbescheid erlassen müsste. Die Behörde liefe dann Gefahr, dass der angehörte Halter sich im Laufe des Verfahrens einlässt, er sei nicht Fahrer gewesen. Dann aber könnte die Bußgeldbehörde mit erheblichen Kosten der Rechtsverteidigung belastet werden.
Hier setzt die Ratio legis des § 25 a StVG ein, der dies vermeiden will.
5.
Auch die Formulierung im Anhörungsschreiben mit dem Hinweis der Behörde auf die Möglichkeit der Kostenbescheidung gegen den Halter und die Aufforderung, sich hierzu zu äußern, hat das Amtsgericht in nicht zu beanstandender Weise – jedenfalls ohne sich den Vorwurf der willkürlichen Rechtsanwendung auszusetzen – ausgelegt und angewendet.Hat die Bußgeldbehörde zu einem Parkverstoß, keine Erfolg versprechenden Ermittlungsansätze – der einzige, den sie fragen könnte, wäre der Halter, der jedoch auf Anschreiben nicht reagiert hat –, ist es das zulässige, vom Gesetzgeber vorgesehene Verfahren, den Halter mit einem Kostenbescheid zu belegen.
Dass das Amtsgericht hierzu die Auffassung vertritt, es bedürfe nicht eines nochmaligen Anhörungsschreibens, kann von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht beanstandet werden.
6.
Zwar setzt sich das Amtsgericht in seiner Entscheidung vom 12.08.2020 mit den Argumenten der Beschwerdeführerin nicht im Einzelnen auseinander; es ist hierzu jedoch auch nicht verpflichtet, weil es ausführt, dass die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 StVG seiner Auffassung nach vorliegen. Die Auffassung des Amtsgerichts, dass wegen der fehlenden Rückmeldung der Halterin weitere Ermittlungen einen unangemessenen Aufwand erfordert hätten, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Die vom Fachrichter vorzunehmende Auslegung des Gesetzes und seine Einschätzung, dass der Anhörungsbogen ausreichend auf die Möglichkeit der Verhängung eines Kostenbescheides für den Fall der Nicht-Ermittlung des Fahrers hingewiesen hat, begegnet keinen Bedenken.
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