Der vom AG Zeitz Ende letzten Jahres entschiedene Sachverhalt – Reichsflagge auf dem Euro-Feld von Kfz-Kennzeichen – ist offenbar kein Einzelfall: Auch das AG Altenburg musste sich damit nun befassen, allerdings nicht im Rahmen eines Bußgeldverfahrens; vorliegend wurde auf Grund der Veränderung Anklage wegen Kennzeichenmissbrauchs (§ 22 StVG) erhoben. Der Anklagte gab an, eine solche Veränderung (Aufkleber in den Farben schwarz-weiß-rot mit einem “D”) bei einem Kollegen gesehen, dies als lustig empfunden und daher nachgemacht zu haben. Das AG sieht hier weder einen der in § 22 StVG genannten Tatbestände als erfüllt an, noch geht es auf eine mögliche Ordnungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen die Fahrzeugzulassungsverordnung, so wie das AG Zeitz, ein. Eine Strafbarkeit könne allenfalls in Betracht kommen, wenn der Angeklagte beabsichtigt hätte, mit dem veränderten Kennzeichen ins Ausland zu fahren, was aber nicht der Fall war. Daher hat es den Angeklagten freigesprochen (AG Altenburg, Urteil vom 21.04.2017 – 620 Js 40861/16 2 Cs).

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Dem Angeklagten wurde folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 04.10.2016 versah der Angeklagte beide für seinen PKW BMW ausgegebenen amtlichen Kennzeichen der Kennung „…“ im Bereich des Euro-Feldes und des Erkennungsbuchstabens mit einem schwarz-weiß-roten Aufkleber, auf dem ein „D“ aufgebracht war. Der Aufkleber überdeckte das blaue Euro-Feld des Kennzeichens vollständig.

Anschließend führte der Angeklagte am 04.10.2016 gegen 12.35 Uhr diesen PKW mit den entsprechenden Kennzeichen im öffentlichen Straßenverkehr auf der K-Straße in S….

II.

Der Angeklagte wurde aus rechtlichen Gründen freigesprochen.

Die angeklagten Handlungen sind nicht strafbar.

1.

Der objektive Tatbestand des § 22 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StVG ist nicht erfüllt. Das veränderte Kennzeichen war nicht geeignet, den Anschein zu erwecken, als wäre es amtlich derart gekennzeichnet worden (Nr. 1 der Vorschrift). Eine schwarz-weiß-rote Flagge existiert als gegenwärtige Kennzeichnung eines Staates nicht. Die Kennzeichnung im Sinne der für das Fahrzeug zugeteilten Buchstaben- und Zahlenkombination wurde nicht verändert (Nr. 2 der Vorschrift).

2.

Hinsichtlich § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG ist zwar der objektive Tatbestand erfüllt. Der Angeklagte hat das Kennzeichen – im Sinne des gesamten Kennzeichenschildes – durch das Aufbringen des Aufklebers teilweise verdeckt und damit verändert.

Es ermangelt jedoch des subjektiven Tatbestandes der Norm. Dieser setzt eine überschießende Innentendenz der „rechtswidrigen Absicht“ voraus. Diese ist – ähnlich wie das Merkmal „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB – als Absicht zu verstehen, im Rechtsverkehr falschen Beweis zu erbringen. Bezogen auf den Straßenverkehr sind nur Handlungen erfasst, die bezwecken sollen, die Feststellung oder die Erkennbarkeit der amtlichen Kennzeichnung in Bezug auf die Zuordnung des Fahrzeuges zu beeinträchtigen (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 22 StVG, Rn. 6).

Das ist hier nicht erfüllt. Der Angeklagte wollte nicht über die amtliche Kennzeichnung im Sinne der für das Fahrzeug zugeteilten Buchstaben- und Zahlenkombination oder der aufgebrachten Zulassungs- oder Hauptuntersuchungsplakette täuschen, denn diese blieben unverändert.

Es liegt auch sonst keinerlei Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr vor. Falscher Beweis im Rechtsverkehr sollte mit den vorgenommenen Handlungen nicht erbracht werden. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte, dass Fahrten ins Ausland angedacht gewesen wären.

Der Angeklagte gab in der Hauptverhandlung an, er habe die Veränderung nur aus Spaß vorgenommen, da er dies bei einem Kollegen zuvor gesehen und dies lustig gefunden habe. Einen weiteren Zweck habe er nicht verfolgen wollen. Diese Einlassung erschien glaubhaft. Sonstige Beweismittel, die anderes ergäben, liegen nicht vor.

3.

Der Tatbestand des § 22 Abs. 2 StVG ist in objektiver und subjektiver Hinsicht nicht erfüllt.

a) Der objektive Tatbestand setzt voraus, dass die Veränderung des Kennzeichens objektiv geeignet ist, im Rechtsverkehr falschen Beweis zu erbringen. Das ist hier nicht gegeben.

Der Angeklagte hat im Sinne des § 22 Abs. 2 StVG von dem Kraftfahrzeug im Straßenverkehr Gebrauch gemacht. Der objektive Tatbestand scheitert jedoch daran, dass es sich um ein „in der in Absatz 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Art“ verändertes Kennzeichen handeln muss. In der Literatur wird zwar die Meinung vertreten, dies knüpfe lediglich an die objektiven Tatbestandsmerkmale des § 22 Abs. 1 StVG an und die rechtswidrige Absicht sei hiervon nicht erfasst (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 22 StVG, Rn. 7). Nach grammatischer, systematischer und teleologischer Auslegung ist dies jedoch unzutreffend. Der Wortlaut des § 22 Abs. 2 StVG knüpft bereits an Abs. 1 an und verlangt ausdrücklich ein nach dessen Art verändertes Kennzeichen. Der subjektive Tatbestand wird hiervon nicht ausgenommen. Vielmehr wird hierauf ebenso verwiesen. Dies entspricht der Systematik und dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Ohne die überschießende Innentendenz würde der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 StVG endlos ausufern. Wie auch bei der Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) ist sie die einzige und erhebliche Einschränkung des Tatbestandes. Andernfalls würde jedwede Veränderung eines Kennzeichenschildes strafbar sein, die keinerlei Auswirkungen auf den Rechtsverkehr haben kann und aus völlig anderen Beweggründen heraus vorgenommen sein mag. Es wäre gleichermaßen strafbar, beispielsweise einen farbigen Rahmen auf das Kennzeichen aufzumalen oder ausgeblichene Ziffern mit einem schwarzen Stift nachzuzeichnen. Aus diesem Grunde beschränkt das Merkmal der „rechtswidrigen Absicht“ den Tatbestand auf Sachverhalte, die einer Pönalisierung bedürfen. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass das Strafrecht stets nur als letztes Mittel der staatlichen Regulierung in Betracht kommt (ultima-ratio-Prinzip). Dieser würde umgangen, wenn sämtliche bloß missliebige Darstellungen unter Strafe gestellt würden. Der Sinn und Zweck (telos) der Regelung des § 22 Abs. 2 StVG ist es, allein die durch die überschießende Innentendenz des Abs. 1 begrenzten Sachverhalte zu erfassen. Es ergibt sich kein zu bestrafendes Unrecht, wenn ein Fahrzeug, bei welchem die Kennzeichen auf eine nicht strafrechtsrelevante Weise verändert worden sind, im Straßenverkehr bewegt wird. Die Vorschrift ordnet im Übrigen die gleiche Strafdrohung an, auch dies zeigt die Gleichrangigkeit der beiden Tatbestände in ihren Merkmalen und in ihrem Unrechtsgehalt.

Übertragen auf den mit der Vorschrift bezweckten Schutz des Straßenverkehrs und der Erkennbarkeit seiner Teilnehmer mittels Zuordnung über die Kennzeichen von Kraftfahrzeugen ist für eine Strafbarkeit nach Abs. 2 der Vorschrift erforderlich, dass die Veränderung des Kennzeichens zumindest objektiv geeignet sein muss, im Rechtsverkehr falschen Beweis zu erbringen.

Das ist vorliegend nicht gegeben. Für einen objektiven Betrachter, dem die örtlichen Gegebenheiten bekannt sind, ist auf den ersten Blick erkennbar, dass das Kennzeichen aus Deutschland stammt (mindestens am Wappen des Freistaats Thüringen und der Systematik der Kennzeichnung gemäß FZV). Die Buchstaben- und Zahlenkombination wurde ebensowenig verändert wie die Zulassungs- oder Hauptuntersuchungsplakette. Mangels Anhaltspunkten für Fahrten ins Ausland, bei denen gegebenenfalls die Herkunft des Kennzeichens verschleiert werden könnte, ist nicht erkennbar, dass die Veränderung geeignet wäre, falschen Beweis im Rechtverkehr zu erbringen.

b) Auch der subjektive Tatbestand des § 22 Abs. 2 StVG ist nicht erfüllt. Der Angeklagte müsste vorsätzlich gehandelt haben, es also mindestens für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben, dass der objektive Tatbestand der Vorschrift erfüllt würde. Das ist nicht der Fall. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte davon ausging, das Kennzeichen wäre geeignet, im Rechtsverkehr falschen Beweis zu erbringen.

Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung glaubwürdig und in nicht zu widerlegender Art und Weise angegeben, dass er mit dem vorliegenden Kraftfahrzeug weder Deutschland verlassen hat noch Fahrten ins Ausland durchzuführen plante.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.