Dirk Ingo Franke, Wikimedia Commons

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Der Angeklagte hatte u. a. an seinem außer Betrieb gesetzten und nicht zugelassenen Wohnmobil entstempelte Kennzeichen angebracht und damit öffentliche Straßen befahren. Dafür wurde er u. a. wegen Urkundenfälschung verurteilt. Laut OLG Koblenz liegt jedoch keine Urkunde vor, da nach der Entstempelung der Kennzeichen ein Aussteller nicht mehr zu erkennen sei. Der Angeklagte habe sich jedoch wegen Kennzeichenmissbrauchs nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar gemacht, da im Straßenverkehr durch die Kennzeichen der Anschein erweckt worden sei, das Fahrzeug sei noch zugelassen (OLG Koblenz, Beschluss vom 19.05.2016, Az. 2 OLG 4 Ss 158/15).

I.

Das Amtsgericht Worms verurteilte den Angeklagten am 3. Dezember 2014 wegen Diebstahls (im besonders schweren Fall), wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mit Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung, Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte unbeschränkt Berufung ein.

In der Berufungshauptverhandlung hat die Strafkammer das Verfahren wegen Diebstahls auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Unter Verwerfung der Berufung im Übrigen hat die Kammer den Angeklagten mit dem im Tenor genannten Urteil wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz in zwei Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte an seinem außer Betrieb gesetzten und nicht mehr für den Straßenverkehr zugelassenen Wohnmobil die entstempelten Kfz-Kennzeichen … angebracht, bevor er mit diesem Fahrzeug am 29. April 2014 gegen 02.00 Uhr nachts öffentliche Straßen in W. befuhr, ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein. Auch bestand für dieses Fahrzeug kein Haftpflichtversicherungsvertrag (Fall 1).

Am 28. Juli 2014 befuhr der Angeklagte mit einem nicht angemeldeten Motorroller öffentliche Straßen in W., nachdem er an dem Fahrzeug das für das Jahr 2009 gültige Versicherungskennzeichen „…“ angebracht hatte. Ihm war bekannt, dass das Fahrzeug in der Lage war, Höchstgeschwindigkeiten über 25 km/h zu erreichen; gleichwohl verfügte er nicht über die für ein solches Fahrzeug erforderliche Fahrerlaubnis. Hinsichtlich der tateinheitlich begangenen fahrlässigen Körperverletzung hat die Strafkammer folgende Feststellungen getroffen:

„Gegen 18.00 Uhr befuhr der Angeklagte mit dem Roller einen Waldweg in der Gemarkung A. und kollidierte beim Einbiegen auf einen Wirtschaftsweg mit dem von links kommenden Radfahrer J. G. […] Der Angeklagte hatte beim Einfahren auf den Wirtschaftsweg nicht auf den dort herrschenden Verkehr geachtet, bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt und entsprechend angepasster Fahrweise hätte er den Radfahrer erkennen und hätte auch rechtzeitig abbremsen können, um eine Kollision zu vermeiden“.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte am 29. Juli 2015 Revision eingelegt; er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge einen jedenfalls vorläufigen Erfolg.

1.

Der Schuldspruch zu Fall 1 ist auf der Grundlage der insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen dahingehend abzuändern, dass sich der Angeklagte neben dem vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit dem Verstoß gegen § 6 Abs. 1 PflVG nicht wegen weiterer tateinheitlich begangener Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB, sondern wegen Kennzeichenmissbrauchs gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar gemacht hat.

Kfz-Kennzeichenschilder sind Beweiszeichen, die die Erklärung enthalten, dass das betreffende Fahrzeug für den im Fahrzeugregister eingetragenen Halter zum öffentlichen Verkehr zugelassen ist. Das Kennzeichenschild bildet zusammen mit dem Dienststempel der Zulassungsbehörde und dem Fahrzeug eine zusammengesetzte Urkunde (vgl. Senat, 2 OLG 3 Ss 98/15 v. 07.09.2015; BayObLG, RReg 1 St 13/77 v. 29.04.1977 – BayObLGSt 1977, 74 <Rn. 6 n. juris>; Fischer, StGB, 63. Aufl. § 267 Rn. 7 mwN.; Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. § 267 Rn. 36a). Bei Verwendung von ungestempelten oder – wie hier – entstempelten Kennzeichenschildern lässt die mit der Anbringung des Kennzeichens am Fahrzeug verbundene Erklärung den Aussteller nicht (mehr) erkennen, so dass es an der Urkundsqualität fehlt und eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung ausscheidet (vgl. BGH, 1 StR 279/91 v. 06.06.1991 – BGHR StGB § 259 Abs. 1 Sichverschaffen 5 <Rn. 2 n. juris>; 1 StR 227/89 v. 16.05.1989 – BGHR StGB § 267 Abs. 1 Urkunde 3 <Rn. 1 n. juris>; 4 StR 266/62 v. 07.09.1962 – BGHSt 18, 66 <Rn. 14 n. juris>). In diesen Fällen kommt lediglich eine Strafbarkeit wegen Kennzeichenmissbrauchs in Betracht. Gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 StVG wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu einem Jahr bestraft, wer ein Kraftfahrzeug oder einen Kraftfahrzeuganhänger, für die ein amtliches Kennzeichen nicht ausgegeben oder zugelassen worden ist, mit einem Zeichen versieht, das geeignet ist, den Anschein amtlicher Kennzeichnung hervorzurufen. Dies umfasst auch die Fälle, in denen ein Fahrzeug abgemeldet und das dafür ausgegebene Kennzeichen von der Zulassungsbehörde entstempelt, jedoch vom Fahrzeughalter weiter verwendet wird, um im Straßenverkehr den Anschein zu erwecken, das betreffende Fahrzeug sei für den im Fahrzeugregister eingetragenen Halter (noch immer) zum öffentlichen Verkehr zugelassen (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. StVG § 22 Rn. 2).

Genauso liegt der Sachverhalt hier. Die Straftat des Kennzeichenmissbrauchs nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 StVG steht zu den weiteren Taten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) und des Verstoßes gegen § 6 Abs. 1 PflVG im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB; vgl. auch BGH, 4 StR 266/62 v. 07.09.1962 – BGHSt 18, 66 <Beck LSK 1962, 844650>; König aaO. Rn. 12). Der Senat hat den Schuldspruch zu Fall 1 deshalb auf die zulässige Sachrüge hin in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO berichtigt (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. § 345 Rn. 12 ff.).

Die Berichtigung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der zu Fall 1 verhängten Einzelfreiheitsstrafe nach sich. Denn durch den Wegfall des tateinheitlich begangenen schwerwiegendsten Delikts der Urkundenfälschung (Strafrahmen: Freiheitsstrafe bis fünf Jahre oder Geldstrafe) hat sich die Strafzumessung an einem jetzt deutlich herabgesetzten Strafrahmen (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe) zu orientieren. (…)