Der Angeklagte beabsichtigte, sein Motorrad über das Internet zu verkaufen. Auf den dafür verwendeten Fotos wollte er den Eindruck erwecken, es handele sich um ein zugelassenes Fahrzeug. Deshalb besorgte er sich aus einem Abfallbeseitigungsbetrieb ein – was ihm nicht bewusst war – gefälschtes Kennzeichen mit Zulassungs- und TÜV-Plakette und brachte es an dem Motorrad an. Nach dem LG Münster hat er damit weder eine Urkundenfälschung noch einen Kennzeichenmissbrauch verwirklicht.

LG Münster, Urteil vom 22.07.2019 – 15 Ns 71 Js 1970/18 (11/19)

Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Rheine vom 1. März 2019 aufgehoben.

Der Angeklagte wird auf Kosten der Staatskasse, die auch seine notwendigen Auslagen zu erstatten hat, freigesprochen.

Gründe

(abgekürzt nach § 267 Abs. 5 Satz 2 StPO)

I.

Der Angeklagte ist durch das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Rheine wegen Urkundenfälschung zu einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Mit seiner Berufung erstrebt der Angeklagte seinen Freispruch. Das Rechtsmittel hatte in vollem Umfang Erfolg.

II.

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft und das angefochtene Urteil des Amtsgerichts legen dem Angeklagten weitgehend übereinstimmend zur Last, irgendwann in der Zeit zwischen dem 1.1.2018 und dem 3.7.2018 an seinem abgemeldeten Kraftrad Kawasaki/Ninja R-9, FIN ZX900B######, welches auf dem Firmengelände S-Str. # in Rheine abgestellt war, das amtliche Kennzeichen HI-## # angebracht zu haben. Dieses Kennzeichen sei durch Anbringen von Landessiegel und aktueller TÜV-Plakette auf einem älteren Kennzeichen hergestellt worden und stelle eine Fälschung dar. Der Angeklagte habe es angebracht, um bei potentiellen Käufern den Eindruck zu erwecken, das Motorrad werde aktuell noch gefahren und sich so bessere Verkaufsoptionen zu verschaffen.

Auf Grund der Feststellungen der Strafkammer lässt sich der Vorwurf der Urkundenfälschung gegen den Angeklagten jedoch aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht aufrechterhalten.

III.

Die Berufungsstrafkammer konnte zunächst folgende Feststellungen treffen:

Der Angeklagte hatte das Motorrad Kawasaki/Ninja R-9, FIN ZX900B######, im Herbst 2017 erworben, um es über den Winter mit z.T. neuen Teilen und mit neuer, schwarzer Lackierung zu versehen und es sodann mit Gewinn weiterzuverkaufen. Das Motorrad war abgemeldet, hatte aber noch TÜV. Die nächste Hauptuntersuchung wäre im Juni 2019 fällig gewesen.

Anfang 2018 plante der Angeklagte nach abgeschlossenem Umbau, das Motorrad im Internet zu inserieren und zu diesem Zwecke Fotos von dem Fahrzeug anzufertigen. Um den Eindruck zu vermeiden, es handele sich um ein nicht ständig gefahrenes Motorrad, wollte er den Eindruck einer Zulassung erwecken und besorgte sich zu diesem Zweck von einem Freund, der in einem Abfallbeseitigungsbetrieb arbeitete, das Kennzeichen HI-## # mit Zulassungs- und TÜV-Plakette, das dort in den Abfällen aufgefunden worden war. Dieses Kennzeichen brachte er im Juni/Juli 2018 an dem Motorrad an. Dass das Kennzeichen selbst eine Fälschung darstellte, weil es von Unbekannten mit Zulassungs- und TÜV-Plakette versehen worden war, wusste der Angeklagte nicht. Bevor der Angeklagte jedoch die Fotos für das Inserat herstellen konnte, wurde das Motorrad am 3. Juli 2018 polizeilich sichergestellt. Es hatte die ganze Zeit zuvor auf dem privaten Firmengelände des Arbeitsgebers des Angeklagten an der S-Str. # gestanden. Auf öffentlichen Verkehrsflächen war es, seit es abgemeldet worden war, nicht gefahren worden.

Der Angeklagte hat sich weiter unwiderlegt eingelassen, er hätte das Kennzeichen nach Fertigung der Bilder wieder abmontiert und potentiellen Käufern im Rahmen der Kontaktaufnahme wahrheitsgemäß offenbart, dass das Motorrad nicht zugelassen sei.

IV.

Angesichts dieser Sachlage ist dem Angeklagten kein strafbares Verhalten nachzuweisen. Der Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) in der hier ausschließlich in Betracht kommenden Variante des Herstellens einer unechten zusammengesetzten Urkunde, bestehend aus dem Motorrad und dem nicht für dieses ausgegebenen Kennzeichen, setzt ein Handeln “zur Täuschung im Rechtsverkehr” voraus. Eine solche beabsichtigte Täuschung erfordert, dass der Täter plant, denjenigen, der die Falschurkunde wahrnimmt, auf Grund der Fehlvorstellung über die Echtheit zu einem rechtlich erheblichen Verhalten zu bestimmen (RGSt 64, 95 [96]; BGHSt 5, 149 [152]; Heine/Schuster in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019, § 267 Rn. 85; Hoyer in Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, 9. Aufl. 2019, § 267 Rn. 95.). Als Reaktion auf die geplante Täuschung strebte der Angeklagte ein gesteigertes Kaufinteresse seitens derjenigen potentiellen Käufer an, welche das Inserat sehen würden. Als Folge dieses Interesses sollten die potentiellen Käufer mit ihm Kontakt aufnehmen, was üblicherweise per E-Mail oder Telefonanruf geschehen würde. Da der Angeklagte dann bereits darauf hingewiesen hätte, dass das Motorrad nicht zugelassen sei, es aber umgebaut und fahrbereit sei sowie TÜV hätte, wäre die einzige irrtumsbedingte Reaktion die Kontaktaufnahme selbst gewesen. Diese Reaktion hätte jedoch noch kein rechtlich erhebliches Verhalten dargestellt. Es verursachte weder Kosten noch nennenswerten Zeitaufwand oder vorvertragliche Bindungen, sondern bewegte sich noch im Vorfeld eines rechtlich erheblichen Verhaltens. Ein solches wäre frühestens dann anzunehmen gewesen, wenn die Täuschung zusätzlich hätte bewirken sollen, dass Kaufinteressenten anreisten, um sich das Motorrad in dem Glauben anzusehen, es sei noch zugelassen, weil dann bereits Kosten und Zeitaufwand in nennenswertem Umfang hätten anfallen können. Dazu aber sollte es, wie der Angeklagte unwiderlegt angegeben hat, gar nicht erst kommen. Da er alleine das Ziel verfolgte, Betrachter des Inserats nicht von vornherein durch den Anblick eines nicht zugelassenen, unbewegten Motorrades abzuschrecken, handelte er noch nicht zur Täuschung im Rechtsverkehr.

Auch ein Vergehen des Kennzeichenmissbrauchs nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 StVG kam nicht in Betracht, denn dieses setzt eine “rechtswidrige Absicht” voraus, welche – entsprechend der bis zum 15. Juni 1943 geltenden ursprünglichen Fassung von § 267 Abs. 1 StGB – die gleichen Anforderungen stellt wie die Täuschungsabsicht von § 267 Abs. 1 StGB in seiner heutigen Fassung (vgl. Niehaus in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht [Stand 22.12.2017], § 22 StVG Rn. 25; Weidig in: MünchKomm-StVR, 2016, § 22 StVG Rn. 24).

V.

Da dem Angeklagten somit keine Straftat angelastet werden kann, war das Urteil des Amtsgerichts Rheine aufzuheben und der Angeklagte mit der Kostenfolge des § 467 Abs. 1 StPO freizusprechen.