§ 110a Abs. 1 Satz 1 OWiG ermöglicht, die Akten in Bußgeldverfahren elektronisch zu führen; Satz 2 sieht dazu vor, dass von der Bundes- bzw. Landesregierung der Zeitpunkt, von dem an die Akten elektronisch geführt werden, durch Rechtsverordnung zu bestimmen ist. Eine solche Verordnung wurde für Rheinland-Pfalz bzw. die dortige Zentrale Bußgeldstelle noch nicht erlassen, gleichwohl führt diese ihre Akten elektronisch. Dies führte dazu, dass das OLG Koblenz und andere Gerichte darauf hingewiesen haben, dass die “Aktenführung bei der Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, wo alle verfahrensrelevanten Dokumente zunächst nur digital vorhanden sind bzw. digital hergestellt werden und erst bei Bedarf ausgedruckt werden, derzeit rechtswidrig” sei.

In vorliegendem Verfahren wurde zunächst mittels § 62 OWiG der Antrag gestellt, die Verwaltungsbehörde zur Unterlassung der elektronischen Aktenführung zu verpflichten bzw. die Rechtswidrigkeit festzustellen. Das AG wies den Antrag zurück. Die gegen diese unanfechtbare (§ 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG) gerichtete Verfassungsbeschwerde wies der VerfGH Koblenz zurück: Zwar habe kein Rechtsmittel gegen den Beschluss im Verfahren nach § 62 OWiG zur Verfügung gestanden. Die elektronische Aktenführung könne allerdings noch im (Einspruchs-)Verfahren gerügt werden: Es sei anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Bußgeldbescheides bei besonders schwerwiegenden Fehlern in Betracht zu ziehen sei, etwa bei Verstößen im Verfahren gegen elementare, nicht verzichtbare Grundsätze der Rechtsordnung wie den Fällen der Willkür oder bei schwerem, ins Auge springenden, prozessualen Unrecht. Der auf das Willkürverbot Bezug nehmende Vortrag des Beschwerdeführers, “die Verwaltungsbehörde halte über Jahre an dieser Praxis fest, obwohl ihr die einschlägige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Koblenz zur fehlenden Rechtsgrundlage bei elektronischer Aktenführung bekannt sei”, wodurch die Zentrale Bußgeldstelle in Rheinland-Pfalz “den Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 77 Abs. 2 LV) völlig außer Acht” lasse”, betreffe Fragen der Wirksamkeit des Bußgeldbescheides und sei somit zunächst im fachgerichtlichen Verfahren vorzubringen.

VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19.11.2019 – VGH B 24/19

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen der Zulässigkeit einer elektronischen Aktenführung im Ordnungswidrigkeitenverfahren. Sie richtet sich gegen ein Schreiben des Polizeipräsidiums B. und die hierzu ergangene Entscheidung des Amtsgerichts A.

I.

Seit dem 1. Januar 2013 werden die Bußgeldakten der Zentralen Bußgeldstelle in Rheinland-Pfalz nicht mehr in Papierform, sondern ausschließlich elektronisch geführt. Erst bei Abgabe der Verfahren an andere Stellen wird die elektronische Akte von der Verwaltungsbehörde ausgedruckt und postalisch übermittelt. Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten – OWiG – enthält mit § 110a Abs. 1 in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung (BGBl 2017 I S. 2208) eine Bestimmung über die elektronische Aktenführung. Die Vorschrift lautet:

§ 110a Elektronische Aktenführung;

Verordnungsermächtigungen

(1) 1Die Akten können elektronisch geführt werden. 2Die Bundesregierung und die Landesregierungen bestimmen jeweils für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an die Akten elektronisch geführt werden. 3Sie können die Einführung der elektronischen Aktenführung dabei auf einzelne Gerichte oder Behörden oder auf allgemein bestimmte Verfahren beschränken und bestimmen, dass Akten, die in Papierform angelegt wurden, auch nach Einführung der elektronischen Aktenführung in Papierform weitergeführt werden; wird von der Beschränkungsmöglichkeit Gebrauch gemacht, kann in der Rechtsverordnung bestimmt werden, dass durch Verwaltungsvorschrift, die öffentlich bekanntzumachen ist, geregelt wird, in welchen Verfahren die Akten elektronisch zu führen sind. 4Die Ermächtigung kann durch Rechtsverordnung auf die zuständigen Bundes- oder Landesministerien übertragen werden.

(2) – (4) (…).

Mit Bußgeldbescheid vom 25. März 2019 verhängte das Polizeipräsidium B., Zentrale Bußgeldstelle, gegen den Beschwerdeführer wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h eine Geldbuße in Höhe von 160,00 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot. Über den gegen den Bußgeldbescheid eingelegten Einspruch ist nach Angaben des Beschwerdeführers noch nicht entschieden.

Bereits zuvor, mit Schriftsatz vom 27. Februar 2019, rügte die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers gegenüber der Verwaltungsbehörde das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die derzeitige Verwaltungspraxis, Bußgeldakten elektronisch zu führen. Mit Schreiben vom 5. März 2019 teilte die Zentrale Bußgeldstelle mit, die elektronische Aktenführung betreffe nicht das gesamte Bußgeldverfahren, sondern lediglich das Verfahren der Bußgeldbehörde. Einer Rechtsgrundlage nach § 110b OWiG – gemeint ist § 110a OWiG n.F. – bedürfe es daher nicht. Das Verfahren entspreche der Verwaltungspraxis in einigen anderen Bundesländern, auch dort existierten keine Rechtsverordnungen, solange kein gemeinsames elektronisches Verfahren von Bußgeldbehörde und Justiz vorliege. Selbst wenn man in der bislang fehlenden Rechtsverordnung auf Landesebene einen Fehler sehen wolle, stelle sich dieser – abgesehen von hier nicht vorliegenden Fällen einer willkürlichen Aktenführung oder des Abweichens von guter Aktenführung – jedenfalls als bloßer Form- bzw. Verfahrensfehler ohne Drittwirkung dar. Es sei nicht erkennbar, inwieweit dem Beschwerdeführer hierdurch Nachteile entstehen könnten.

Unter dem 7. März 2019 beantragte die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers die gerichtliche Entscheidung (§ 62 OWiG) dahingehend, der Verwaltungsbehörde das Führen der elektronischen Akte im Bußgeldverfahren des Beschwerdeführers zu untersagen. Hilfsweise begehrte sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit der konkreten elektronischen Aktenführung.

Mit Beschluss vom 29. Juli 2019 wies das Amtsgericht A. den Antrag vom 7. März 2019 zurück. Dem Beschwerdeführer stehe kein Unterlassungsanspruch zu; auch werde er durch die elektronische Aktenführung nicht in seinen Rechten verletzt. Es treffe zwar zu, dass die elektronische Aktenführung bei der Zentralen Bußgeldstelle im Hinblick auf die fehlende Rechtsverordnung nach § 110a OWiG derzeit ohne Rechtgrundlage erfolge. Aus dem Fehlen eines durch Rechtsverordnung bestimmten Zeitpunktes (vgl. § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG) für die elektronische Aktenführung folge aber nicht die Unwirksamkeit eines Bußgeldbescheides, wenn dieser ausgedruckt und per Post versandt werde und mithin nach außen für jedermann erkennbar in Erscheinung trete. Maßgeblich sei, dass ein eventueller Eingriff auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage beruhe und den Betroffenen nicht in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletze. Diese Vorgaben seien erfüllt. So erlaube § 110a OWiG bereits bundesrechtlich grundsätzlich die Führung der elektronischen Akte. Die Vorgaben in §§ 496 ff. der Strafprozeßordnung – StPO – regelten zudem die Verwendung personenbezogener Daten in bzw. aus elektronischen Akten. Damit seien ausreichende Vorgaben getroffen worden, um den Zugang grundsätzlich auf berechtigte Nutzer zu beschränken und auch sonstigem Missbrauch vorzubeugen.

II.

Mit seiner am 22. August 2019 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot.

1. Die Führung der Bußgeldakte in elektronischer Form, die Bestätigung durch das Schreiben vom 5. März 2019 sowie der Beschluss des Amtsgerichts A. vom 29. Juli 2019 verletzten ihn in seinem Grundrecht aus Art. 4a Abs. 1 Satz 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV –. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schütze vor jeder staatlichen Erhebung und Weitergabe personenbezogener Daten; hierzu zählten auch die in Verkehrsordnungswidrigkeitensachen gespeicherten Daten. Für den Eingriff in sein Grundrecht fehle es an einer den Vorgaben des Art. 4a Abs. 2 LV genügenden Rechtsgrundlage. Vorliegend müsse danach unterschieden werden, ob die Verfahrensakte auf herkömmliche Art in Papierform oder elektronisch geführt werde. Für die Führung behördlicher Papierakten sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich keine besondere Rechtsgrundlage erforderlich. Demgegenüber könne die elektronische Aktenführung einen tiefergreifenden Eingriff darstellen, weil mit der automatischen Datenverarbeitung besondere Gefahren, etwa im Rahmen von „Hackerangriffen“, einhergingen. Von der Notwendigkeit einer Ermächtigung gehe letztlich auch der Bundesgesetzgeber aus, der zwar mit § 110b OWiG a.F. eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage geschaffen habe, gleichzeitig aber für die nähere Ausgestaltung eine Rechtsverordnung der Bundes- bzw. Landesregierungen fordere. Der insoweit allein in Betracht zu ziehende § 110a Abs. 1 Satz 1 OWiG, wonach Akten elektronisch geführt werden könnten, stelle keine Ermächtigungsgrundlage dar, da diese Bestimmung nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG gesehen werden müsse. Daher habe zusätzlich zu der grundsätzlichen Ermächtigung eine Rechtsverordnung vorzuliegen. Unvereinbar mit der Gesetzeslage sei die Auffassung der Bußgeldstelle, einer Rechtsgrundlage bedürfe es nur bei einem gemeinsamen elektronischen Verfahren von Bußgeldbehörde und Justiz. Schließlich genüge das von der Verwaltungsbehörde angeführte Schreiben des Ministeriums des Inneren, für Sport und Infrastruktur vom 14. September 2012 offensichtlich nicht den Anforderungen an eine Ermächtigungsgrundlage.

2. Die Führung der Bußgeldakte in elektronischer Form verstoße zudem gegen das Willkürverbot des Art. 17 Abs. 1, 2 LV, das sich nicht nur an die Gerichte, sondern auch an die Verwaltung richte. Die Annahme der Verwaltungsbehörde, dass eine Rechtsverordnung nur für das gerichtliche Verfahren benötigt werde, sei nicht nachvollziehbar. Auch das Oberlandesgericht Koblenz gehe davon aus, dass für die elektronische Aktenführung in Rheinland-Pfalz derzeit keine Rechtsgrundlage bestehe. Die fortwährende behördliche Praxis in Kenntnis dieser obergerichtlichen Rechtsprechung lasse den Grundsatz der Gesetzesbindung, Art. 77 Abs. 2 LV, völlig außer Acht.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie kann deshalb durch einstimmigen Beschluss des Ausschusses gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – zurückgewiesen werden.

I.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Führung seiner Bußgeldakte in elektronischer Form sowie deren behördliche und gerichtliche Bestätigung verletze ihn in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 4a Abs. 1 LV, erweist sich die Verfassungsbeschwerde als unstatthaft. Sie richtet sich zwar gegen taugliche Beschwerdegegenstände (1.). Allerdings steht die sog. Bundesrechtsklausel (§ 44 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG) einer Prüfung der gerügten Verletzung von Art. 4a Abs. 1 LV entgegen (2.).

1. Gemäß Art. 130a LV, § 44 Abs. 1 VerfGHG kommen als Beschwerdegegenstand alle Maßnahmen der öffentlichen Gewalt des Landes in Betracht, wozu konkrete Handlungen ebenso wie Unterlassungen zählen (VerfGH RP, Beschluss vom 17. Februar 2017 – VGH B 26/16 –, juris Rn. 53, 55; zuletzt VerfGH RP, Beschluss vom 6. November 2019 – VGH B 28/19 u.a. –). Vorliegend kann dahinstehen, ob auch die (rein behördeninterne) Führung der elektronischen Akte als solche tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein kann, mit der grundsätzlich nur nach außen wirkende Maßnahmen angegriffen werden können (Jutzi, in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2014, Art. 130a Rn. 22; vgl. auch Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, Rn. 537; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge [Hrsg.], BVerfGG, 57. EL Juni 2019, § 90 Rn. 182). Jedenfalls erfüllen das an die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers gerichtete Schreiben der Zentralen Bußgeldstelle vom 5. März 2019 sowie der ebenfalls angegriffene Beschluss des Amtsgerichts A. die Voraussetzungen an einen statthaften Beschwerdegegenstand im Sinne von Art. 130a LV, § 44 Abs. 1 VerfGHG.

2. a) Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG ist die Verfassungsbeschwerde allerdings unzulässig, soweit die öffentliche Gewalt des Landes Bundesrecht ausführt oder anwendet (vgl. auch Art. 135 Abs. 2 Satz 2 LV). Die Jurisdiktionsgewalt des Verfassungsgerichtshofs ist insoweit eingeschränkt (Jutzi, in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2014, Art. 130a Rn. 27). Der Beschwerdeführer macht vorliegend eine Grundrechtsverletzung durch die öffentliche Gewalt des Landes ausschließlich im Rahmen der Durchführung eines Bußgeldverfahrens geltend. Die maßgeblichen Regelungen zum Verfahren der Verwaltungsbehörde sind im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten geregelt (vgl. §§ 105 ff. OWiG), darüber hinaus finden sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, insbesondere der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes Anwendung (vgl. § 46 Abs. 1 OWiG). Dass es sich bei diesen Vorschriften (auch) um Bundesverfahrensrecht handelt, steht der Anwendung des § 44 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG – anders als der Beschwerdeführer meint – nicht entgegen (vgl. auch VerfGH RP, Urteil vom 24. Februar 2014 – VGH B 26/13 –, AS 42, 157 [162]; zur Strafprozeßordnung).

b) Etwas anderes folgt auch nicht aus § 44 Abs. 2 Satz 2 VerfGHG. Danach gilt die Einschränkung des § 44 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG nicht für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens oder wenn die Landesverfassung weiter reichende Rechte als das Grundgesetz gewährleistet. Beide Alternativen sind vorliegend nicht gegeben.

aa) Eine Ausnahme nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 VerfGHG, wonach der Verfassungsgerichtshof befugt ist, die Durchführung des durch Prozessordnungen des Bundes geregelten Verfahrens durch die Gerichte an den Grundrechten der Landesverfassung zu messen, soweit diese den gleichen Inhalt haben wie die entsprechenden Rechte des Grundgesetzes (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 16. März 2001 – VGH B 14/00 –, AS 29, 89 [91 f.]; Beschluss vom 11. Mai 2006 – VGH B 6/06 –, AS 33, 186 [188]; Beschluss vom 13. Juli 2012 – VGH B 10/12 u.a. –, AS 41, 110 [113]; ferner BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1997 – 2 BvN 1/95 –, BVerfGE 96, 345 [372]), kommt vorliegend nicht in Betracht. Denn der Beschwerdeführer wendet sich allein gegen die elektronische Aktenführung durch die Verwaltungsbehörde und nicht gegen die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens. Soweit er als Beschwerdegegenstand auch den Beschluss des Amtsgerichts A. vom 29. Juli 2019 benennt, lassen sich seinen diesbezüglichen Ausführungen keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass damit zugleich die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens gerügt würde. Vielmehr beschränken sich die Ausführungen im Kern auf den Vorwurf, das Amtsgericht habe die Reichweite des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung verkannt; eine eigenständige Verfahrensverletzung wird nicht geltend gemacht.

bb) Es liegt auch keine Ausnahme nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 VerfGHG vor. Nach dieser Bestimmung gilt die Einschränkung der Bundesrechtsklausel ausnahmsweise nicht, sofern die Grundrechte der Landesverfassung inhaltlich weiter reichend sind als diejenigen des Grundgesetzes. Allerdings genügt eine lediglich gleichlaufende Gewährleistung diesen Anforderungen nicht (VerfGH RP, Beschluss vom 15. Juli 2015 – VGH B 19/15 –, AS 43, 412 [414 f.]; Jutzi, in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2014, Art. 130a Rn. 37). Weiter reichende Gewährleistungen im vorgenannten Sinne enthält Art. 4a Abs. 1 LV nicht; das in dieser Bestimmung verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist vielmehr inhaltsgleich mit der grundgesetzlichen Gewährleistung des Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG – in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (VerfGH RP, Urteil vom 24. Februar 2014 – VGH B 26/13 –, AS 42, 157 [163]; Rudolf, in: Grimm/Caesar [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 4a Rn. 27; Brink, in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2014, Art. 4a Rn. 34).

II.

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 17 Abs. 1 und 2 LV rügt, steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde zwar nicht die Bundesrechtsklausel entgegen (1.). Die Verfassungsbeschwerde genügt insoweit jedoch nicht dem verfassungsprozessualen Gebot der materiellen Subsidiarität (2.).

1. Über die in § 44 Abs. 2 Satz 2 VerfGHG geregelten Ausnahmen hinaus ist der Verfassungsgerichtshof auch zur Prüfung befugt, ob die angegriffene Entscheidung gegen das Willkürverbot (Art. 17 Abs. 1 und 2 LV) verstößt. Ist dies der Fall, so liegt nämlich der Entscheidung in Wahrheit kein Bundesrecht zugrunde, dessen Anwendung gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG der landesverfassungsrechtlichen Kontrolle entzogen ist (näher VerfGH RP, Beschluss vom 13. Juli 2012 – VGH B 10/12 u.a. –, AS 41, 110 [114]; Beschluss vom 25. September 2013 – VGH B 17/13 –; Urteil vom 24. Februar 2014 – VGH B 26/13 –, AS 42, 157 [163]; Beschluss vom 15. Juli 2015 – VGH B 19/15 –, AS 43, 412 [417]). Die Prüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofs ist hier gegeben, da der Beschwerdeführer die elektronische Aktenführung ausdrücklich auch mit Blick auf Art. 17 Abs. 1 und 2 LV rügt.

2. Hinsichtlich der behaupteten Verletzung des Willkürverbots steht der Verfassungsbeschwerde jedoch der Grundsatz der Subsidiarität entgegen.

a) Nach diesem in § 44 Abs. 3 Satz 1 VerfGHG zum Ausdruck kommenden Grundsatz ist ein Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus zur Ergreifung der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten verpflichtet, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverstöße zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (st. Rspr., vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 12. April 1995 – VGH B 1/95 –; Beschluss vom 13. Oktober 1995 – VGH N 4/93 –, AS 25, 194 [197]; Beschluss vom 27. Juli 2017 – VGH B 18/16 – juris Rn. 11; s.a. BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1988 – 1 BvR 1561/82 –, BVerfGE 77, 381 [401]). Vor diesem Hintergrund ist eine Verfassungsbeschwerde gegen nicht instanzabschließende Zwischenentscheidungen grundsätzlich ausgeschlossen, weil etwaige Verfassungsverstöße mit der Anfechtung der Endentscheidung gerügt werden können (vgl. entspr. Lenz/Hansel, BVerfGG, 2. Aufl. 2015, § 90 Rn. 478; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge [Hrsg.], BVerfGG, 57. EL Juni 2019, § 90 Rn. 352). Ausnahmsweise fehlt der Grund für diesen Ausschluss allerdings, wenn bereits die Zwischenentscheidung zu einem bleibenden rechtlichen Nachteil für den Betroffenen führt, der später nicht oder jedenfalls nicht vollständig behoben werden kann (VerfGH RP, Beschluss vom 27. Juli 2017, a.a.O., juris Rn. 12, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Januar 2009 – 1 BvR 3113/08 –, juris Rn. 10, zur Richterablehnung). Das ist namentlich dann der Fall, wenn in einem selbständigen Zwischenverfahren über eine für das weitere Verfahren wesentliche Rechtsfrage eine abschließende Entscheidung fällt, die im Hauptsacheverfahren keiner Nachprüfung mehr unterliegt (VerfGH RP, Beschluss vom 5. Juni 2009 – VGH B 12/09 –; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2007 – 1 BvR 782/07 –, BVerfGE 119, 292 [294]; BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. November 2006 – 1 BvR 2719/06 –, juris Rn. 9).

b) Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben genügt der isolierte Angriff des Beschwerdeführers gegen die elektronische Aktenführung sowie die diese bestätigenden Entscheidungen nicht dem Grundsatz der Subsidiarität.

Zwar stand dem Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Amtsgerichts A. vom 29. Juli 2019 ein Rechtsmittel nicht zur Verfügung, da die Beschwerde gegen nach § 62 Abs. 1 OWiG ergangene Entscheidungen gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG ausgeschlossen ist. Auch bedurfte es keiner Gehörsrüge nach § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 33a StPO, da eine Verletzung rechtlichen Gehörs weder ausdrücklich noch der Sache nach gerügt ist. Der Beschwerdeführer, der gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt hat, war aber gehalten, zunächst den Ausgang des weiteren Verfahrens abzuwarten und sich dort um die Beseitigung der gerügten Grundrechtsverletzung zu bemühen, zumal mit Wegfall der Beschwer regelmäßig auch das Rechtschutzbedürfnis für eine Entscheidung nach § 62 Abs. 1 OWiG entfällt (vgl. VerfG Brandenburg, Beschluss vom 21. Juni 2019 – 1/19 –, juris Rn. 13).

Zutreffend verweist der Beschwerdeführer allerdings zunächst darauf, dass der Einspruch nach § 67 OWiG dem Gericht die Gelegenheit eröffnet, ohne Bindung an die Tatsachenfeststellungen oder deren Bewertung durch die Vorinstanz die Tat zu beurteilen (Ellbogen, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 67 Rn. 1). Seine hieraus gezogene Schlussfolgerung, er könne im gerichtlichen Verfahren über seinen Einspruch die gerügte Rechtsverletzung nicht weiterverfolgen, trifft aber jedenfalls mit Blick auf die hier (lediglich noch) in Rede stehende Rüge des Art. 17 Abs. 1 und 2 LV nicht zu. Denn die vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe betreffen Fragen der Wirksamkeit des Bußgeldbescheids und sind damit nicht von vornherein jeder Überprüfung in einem gerichtlichen Bußgeldverfahren entzogen.

Die Frage, ob ein wirksamer Bußgeldbescheid vorliegt, ist in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Kurz, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 66 Rn. 73; vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. September 1976 – 2 Ss [B] 135/76 –, juris Rn. 4). Solange die Verwaltungsbehörde zugleich Verfolgungsbehörde ist, kann sie den unwirksamen Bußgeldbescheid jederzeit zurücknehmen; ist die Verfolgungszuständigkeit auf die Staatsanwaltschaft übergegangen, so hat diese im Falle der Unwirksamkeit das Verfahren wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen. Geht das Gericht von einem unwirksamen Bußgeldbescheid aus, so führt dies wegen des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses zur Einstellung, vgl. § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 206a StPO bzw. § 71 OWiG in Verbindung mit § 260 Abs. 3 StPO (zum Ganzen Kurz, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, a.a.O.). In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Bußgeldbescheides bei besonders schwerwiegenden Fehlern in Betracht zu ziehen ist. Dies kann anzunehmen sein, wenn das Verfahren gegen elementare, nicht verzichtbare Grundsätze der Rechtsordnung verstößt, wovon etwa in Fällen der Willkür oder bei schwerem, ins Auge springenden, prozessualen Unrecht auszugehen ist (vgl. Kurz, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 66 Rn. 77 m.w.N.).

Von einem solchen schwerwiegenden Verfahrensmangel geht der Beschwerdeführer mit seinem Vortrag zu einer Verletzung des Willkürverbots aber offenbar aus. Er rügt insbesondere, die Verwaltungsbehörde halte über Jahre an dieser Praxis fest, obwohl ihr die einschlägige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Koblenz zur fehlenden Rechtsgrundlage bei elektronischer Aktenführung bekannt sei. Die Zentrale Bußgeldstelle in Rheinland-Pfalz lasse durch den gegenwärtigen Zustand den Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 77 Abs. 2 LV) „völlig außer Acht“. Dieser Vortrag, mit dem explizit auf das Willkürverbot Bezug genommen wird, betrifft Fragen der Wirksamkeit des Bußgeldbescheides. Mit Blick auf den Grundsatz materieller Subsidiarität hat der Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde eine entsprechende Rüge zunächst im fachgerichtlichen Verfahren anzubringen und dieses zu durchlaufen.

C.

Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 21a Abs. 1 Satz 1 VerfGHG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.