Gegen den Bußgeldbescheid wurde Einspruch eingelegt, was der Verwaltungsbehörde auf Grund der Angabe eines falschen Aktenzeichens im Einspruchsschreiben nicht bewusst war, so dass diese zunächst von der Rechtskraft des Bußgeldbescheids ausging. Später gab es das Verfahren an das Gericht ab, welches dieses einstellte und davon absah, die notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Das LG sieht es auch unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Umstände, die für die Einstellung ursächlich wurden, als nicht unbillig an, wenn der Betroffene seine Auslagen selbst trägt. Mit der Angabe des falschen Aktenzeichens sei das Verfahrenshindernis nicht allein in der Sphäre des Gerichts eingetreten. Der teilweise vertretenen Ansicht, die notwendigen eigenen Auslagen seien nur im Falle eines vorwerfbaren prozessualen Fehlverhaltens zu tragen, finde keinen Halt in Gesetzesbegründung und Gesetzeswortlaut.

LG Koblenz, Beschluss vom 06.09.2021 – 1 Qs 23/21

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Linz am Rhein vom 30.03.2021 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe:

1.

Gegen den Betroffenen wurde mit Bußgeldbescheid vom 12.08.2019 zum Aktenzeichen eine Geldbuße in Höhe von 70,00 Euro festgesetzt. Ihm wurde zur Last gelegt, am 24.06.2019 die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 25 km/h überschritten zu haben. Gegen den Bußgeldbescheid legte die Verteidigerin unter Angabe des unzutreffenden Aktenzeichens am 26.08.2019 Einspruch ein.

Mit Beschluss vom 30.03.2021 hat das Amtsgericht Linz am Rhein das Bußgeldverfahren wegen Verjährungseintritt gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206a StPO eingestellt und unter Hinweis auf § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.

Gegen diese Auslagenentscheidung des Amtsgerichts Linz am Rhein richtet sich die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 06.04.2021, bei Gericht am selbigen Tag eingegangen.

II.

1.
Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 464 Abs. 3 Satz 1, 206a Abs. 2 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Das zulässige Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg:

a.
Gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO hat die Staatskasse im Regelfall die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen, soweit das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Hiervon kann jedoch ausnahmsweise gemäߧ§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO abgesehen werden, wenn eine Verurteilung nur deshalb nicht erfolgt, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

So liegt der Fall hier:

Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass der Betroffene wegen einer am 24.06.2019 um 01:46 Uhr in Neustadt (Wied) begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung nur deshalb nicht verurteilt worden ist, weil am 11.02.2020 Verjährung eingetreten ist.

Für die Beurteilung dieser Frage bedarf es nach Auffassung der Kammer nicht einer Schuldspruchreife, sondern es genügt, dass bei dem bei Feststellung des Verfahrenshindernisses gegebenen Verfahrensstand ein zumindest erheblicher Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Durchführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Fragen stellen würden (OLG Karlsruhe Beschluss vom 03.02.2003 – 3 Ws 248/02, NStZ-RR 2003, 2$6; OLG Bamberg, Beschluss vom 20.07.2010 – 1 Ws 218/10, SVR 2011 , 33; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 04.08.2015 – 2 Ws 46/15, NStZ-RR 2015, 294; a.A. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.02.1997 – 2 Ws 25/97, NStZ-RR 1997, 288; KG Beschluss vom 14.07.1993 – 4 Ws 157/93, NJW 1994, 600, Niesler in: BeckOK-StPO, § 467 Rn. 11).

Aufgrund der in den Akten befindlichen Unterlagen, insbesondere des Messprotokolls der mit dem standardisierten Messverfahren ESO 3.0 durchgeführten Geschwindigkeitsmessung, des Eichscheins für das eingesetzte Messgerät und der Schulungsnachweise für das Messpersonal, sowie aufgrund des vom Messgerät erstellten Beweisfotos und des Passfotos des Betroffenen besteht der erhebliche Verdacht, dass der Betroffene am 24.06.2019 gegen 01:46 Uhr als Führer des Pkws … die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 25 km/h überschritt.

Es sind auch keine Umstände ersichtlich, die bei Durchführung des Verfahrens die Verdichtung dieses Tatverdachts infrage gestellt hätten. Die begehrten Daten der gesamten Messreihe haben nach Ansicht der Kammer keine Relevanz für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des verfahrensgegenständlichen Messvorgangs. Ebenso hat der geltend gemachte Verstoß gegen § 30 Abs. 1 Nr. 2 StVG durch eine zu frühe Abfrage der Zentralen Bußgeldbehörde zu Eintragungen im Fahreignungsregister keine Auswirkungen auf das Bußgeldverfahren. Der etwaige Datenschutzverstoß müsste in einem gesonderten Verfahren geltend gemacht werden.

b.
Im Rahmen der somit nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO eröffneten Ermessensentscheidung ist es nach Auffassung der Kammer unter Abwägung aller Umstände, insbesondere der für den Eintritt des Verfahrenshindernisses ursächlichen außergewöhnlichen Umstände nicht unbillig, wenn der Betroffene seine eigenen Auslagen selbst trägt.

Hierbei wurde zum einen berücksichtigt, dass das Verfahrenshindernis erst im Laufe des Verfahrens eingetreten ist. Des Weiteren handelt es sich nicht um ein in der alleinigen Sphäre des Gerichts eingetretenes Verfahrenshindernis (vgl. LG Köln, Beschluss vom 19.02.2021 – 120 Qs 16/21, BeckRS 2021, 3087; LG Ulm, Beschluss vom 06.11 .2020 – 2 Qs 46/20, BeckRS 2020, 32961), das darüber hinaus nicht von vornherein für die Behörde klar erkennbar war. Die Verjährung beruht vielmehr darauf, dass der Einspruch unter Angabe eines falschen Aktenzeichens eingelegt wurde. Mit Mahnschreiben vom 10.10.2019 wies die Zentrale Bußgeldbehörde den Betroffenen unter dem richtigen Aktenzeichen darauf hin, er sei bislang nicht seiner Zahlungspflicht nachgekommen und müsse mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen, sollte er seiner Zahlungspflicht nicht nachkommen. Es war somit für den Betroffenen erkennbar, dass der Zentralen Bußgeldstelle ein Einspruch unter diesem Aktenzeichen nicht vorlag. Dennoch reagierte der Betroffene nicht. Erst mit anwaltlichem Schreiben vom 10.08.2020 wurde auf den Einspruch unter dem Aktenzeichen hingewiesen und die Einstellung beantragt.

Keinen Halt in Gesetzesbegründung und Gesetzeswortlaut findet nach Auffassung der Kammer die teilweise vertretene Ansicht, der Betroffene müsse seine notwendigen Auslagen nur tragen, wenn ein vorwerfbar prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen vorliege. Im Gegensatz zu den übrigen Ausnahmetatbeständen des § 467 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 StPO sowie § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StPO wird bei § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO gerade nicht an ein vorwerfbares Verhalten des Angeklagten angeknüpft, sondern an die Prognose, dass der Angeklagte nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht (OLG Frankfurt a.M. Beschluss vom 04.08.2015 – 2 Ws 46/15, NStZ-RR 2015, 294; OLG Celle Beschluss vom 17.07.2014 – 1 Ws 283/14, NStZ-RR 2015, 30; Niesler, in: BeckOK-StPO, § 467 Rn. 11; a.A. LG Ulm, Beschluss vom 06.11 .2020 – 2 Qs 46/20, BeckRS 2020, 32961; OLG Köln, Beschluss vom 30.10.1990 – 2 Ws 528/90, NJW 1991, 506).

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.