Mit etwas Verspätung hier das neue Urteil vom Verfassungsgerichtshof des Saarlandes. Darin wird erneut die Wichtigkeit von Verteidigungsrechten im Bußgeldverfahren betont. Dazu gehöre bei einem standardisierten Messverfahren nicht nur, das Gericht auf ohnehin offensichtliche Anhaltspunkte für Messfehler aufmerksam zu machen, sondern auch, diese selbst ermitteln zu können. So sei auch die BGH-Rechtsprechung zu verstehen. Zur Ermittlung von Messfehlern sei ein Zugriff auf die Rohmessdaten, mit denen das Gerät den Geschwindigkeitswert errechnet hat, erforderlich; darüber hinaus ggf. auch auf weitere Messungen (Messreihe) und die Statistikdatei. Werden die notwendigen Messdaten – wie bei Jenoptik TraffiStar S 350 – nicht gespeichert, sei das Messergebnis unverwertbar.

Der VerfGH geht auch auf das Zulassungs- bzw. Konformitätsprüfungsverfahren durch die PTB sowie die gesetzlich vorgesehene Befundprüfung ein. Nach Anhörung mehrerer Sachverständiger geht der VerfGH allerdings davon aus, dass all dies nicht geeignet sei, Messfehler in jedem Einzelfall sicher ausschließen zu können. Gegenwärtig wird diskutiert, wie sich das Urteil außerhalb des Saarlands auswirken kann und welche anderen Messgeräte – voraussichtlich Leivtec XV3 und PoliScan-Geräte – von der Problematik betroffen sind.

VerfGH des Saarlandes, Urteil vom 05.07.2019 – Lv 7/17

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

des Herrn …

– Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Winkelstraße 24, 66359 Bous

hat der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes unter Mitwirkung

des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Roland Rixecker
des Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Rudolf Wendt
des Verfassungsrichters Prof. Dr. Roberto Bartone
des Verfassungsrichters Stefan Crauser
der Verfassungsrichterin Daniela Flasche
des Verfassungsrichters Dr. Markus Groß
der Verfassungsrichterin Renate Trenz
der Verfassungsrichterin Almuth Zempel

am 05. Juli 2019
auf die mündliche Verhandlung vom 09.05.2019
für Recht erkannt:

1. Der Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 26.06.2017 (Ss RS 22/2017) und das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 28.3.2017 (22 OWi 859/16) verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten auf ein faires Verfahren aus Art. 60 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 SVerf und auf wirksame Verteidigung aus Art. 14 Abs. 3 SVerf.

2. Die Entscheidungen werden aufgehoben.

3. Die dem Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen Auslagen sind ihm durch die Landeskasse zu erstatten.

5. Der Gegenstandswert wird auf 7.500 € festgesetzt.

 

G r ü n d e :

A.

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner am 04.09.2017 bei dem Verfassungsgerichtshof eingegangenen Verfassungsbeschwerde vom 01.09.2017 gegen Verurteilungen wegen fahrlässiger Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 100 €.

Gegen den Beschwerdeführer war mit Bußgeldbescheid des Landesverwaltungsamtes – Zentrale Bußgeldbehörde – vom 12.10.2016 wegen einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h (nach Toleranzabzug) eine Geldbuße in Höhe von 100 € festgesetzt worden. Dem lag eine Geschwindigkeitsmessung für das von ihm geführte Kraftfahrzeug am 17.06.2016 um 16:44 Uhr in Friedrichsthal zugrunde. Bei der verwendeten Geschwindigkeitsmessanlage handelt es sich um das Modell Traffistar S 350 der Firma Jenoptik. Das Gerät misst die Geschwindigkeit auf der Grundlage von Laserimpuls-Laufzeitmessungen. Für die sich im Erfassungsbereich der Laserimpulse befindenden Objekte liefert der Laserscanner genaue Entfernungs- und Winkelinformationen, die die Berechnung der Entfernungsänderung des Objekts über die Zeit erlauben.

Unter dem 24.10.2016 beantragte der Verteidiger des Beschwerdeführers bei dem Landesverwaltungsamt die Herausgabe der Rohmessdaten des Messgerätes in unverschlüsselter Form und der gesamten Messserie des Tattages sowie eine Kopie der Lebensakte des verwendeten Messgerätes und bezeichnete dies am 03.11.2016 als Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Zentrale Bußgeldbehörde genehmigte – soweit ersichtlich – die Herausgabe der konkreten Messdatei und der Lebensakte des Messgerätes und lehnte Akteneinsicht – ohne nähere Bezeichnung der Akten, die davon betroffen sein sollten – ab. Über den an das Amtsgericht weitergeleiteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde nicht entschieden.

Der nach Herausgabe der Messdatei und der Lebensakte von dem Beschwerdeführer beauftragte Sachverständige teilte mit, „anhand der Zusatzdaten zum Falldatensatz“ sei eine „unabhängige Geschwindigkeitskontrolle nicht annäherungsweise möglich“. Die Weg-Zeit-Rechnung sei nicht nachvollziehbar.

Gegen den Bußgeldbescheid legte der Beschwerdeführer Einspruch ein. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Saarbrücken vom 28.03.2017, in der sich der Beschwerdeführer geständig dazu einließ, Fahrer des erfassten Kraftfahrzeugs gewesen zu sein, wurden sowohl der Eichschein betreffend das Geschwindigkeitsmessgerät als auch das Messprotokoll zur Kenntnisnahme vorgelegt.

Der Verteidiger des Beschwerdeführers stellte daraufhin den Beweisantrag, ein Sachverständigengutachten zu der Behauptung einzuholen, dass bei dem hier zum Einsatz gekommenen Messgerät des Typs Traffistar S 350 die Möglichkeit ausgeschlossen sei, die Messung durch ein Sachverständigengutachten überprüfen zu lassen, so dass die Anerkennung als standardisiertes Messverfahren nicht mehr in Betracht komme.

Das Amtsgericht Saarbrücken lehnte den Antrag gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ab, da die zum Beweis gestellte Behauptung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken legte der Beschwerdeführer form- und fristgerecht Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ein. Durch Beschluss vom 26.06.2017 (Ss RS 22/2017) verwarf das Saarländische Oberlandesgericht den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil als unbegründet.

In den Gründen führte das Saarländische Oberlandesgericht aus, das Messgerät Jenoptik TraffiStar S 350 sei durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zugelassen. Die mit ihm vorgenommenen Messungen seien das Ergebnis eines standardisierten Messverfahrens. Daher könne sich die richterliche Überzeugung von der Geschwindigkeit des Fahrzeugs allein auf die Geschwindigkeitsmessung durch das Messgerät stützen. In den Urteilsgründen bedürfe es dann in der Regel lediglich der Mitteilung der als erwiesen erachteten Geschwindigkeit nach dem angewandten Messverfahren und des berücksichtigten Toleranzwertes. Darüber hinaus müsse sich das Gericht von der Zuverlässigkeit der Messung nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für Messfehler überzeugen. Auf mögliche Fehler der Messung in den Urteilsgründen müsse es nur eingehen, wenn der zu entscheidende Fall hierzu Veranlassung gebe. Solche konkreten Anhaltspunkte für Messfehler seien durch den Beschwerdeführer nicht vorgetragen worden.

Eine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör, insbesondere des Gebots, erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen, liege nicht vor. Sei ein Messgerät von der PTB zugelassen und werde es im Rahmen der Zulassungsvorgaben verwendet, seien weitere technische Prüfungen der konkreten Funktionsweise des Messgerätes entbehrlich. Nur wenn im Einzelfall konkrete Tatsachen dem Gericht gegenüber vorgetragen würden, die geeignet seien, Zweifel an der Richtigkeit des zur Verhandlung stehenden konkreten Messergebnisses zu wecken, könne das Tatgericht sich veranlasst sehen, diesen Zweifeln sachverständig nachzugehen.

Die gegen den Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 26.06.2017 erhobene Anhörungsrüge vom 10.07.2017 hat das Saarländische Oberlandesgericht durch Beschluss vom 27.07.2017 zurückgewiesen. Weder das Grundrecht auf rechtliches Gehör noch das Grundrecht auf ein faires Verfahren seien verletzt, da zum Nachteil des Betroffenen weder Tatsachen noch Beweisergebnisse verwertet worden seien, zu denen der Betroffene nicht gehört worden sei.

Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Betroffene, in seinem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 60 Abs. 1 i.V.m. Art 12 Abs. 1 SVerf verletzt zu sein, weil sein Beweisantrag übergangen worden sei, bauartbedingt sei eine Überprüfung des Messergebnisses durch ein Sachverständigengutachten nicht möglich, da das Messgerät die entsprechenden Rohmessdaten nicht speichere. Das Gericht habe damit nicht zur Kenntnis genommen, dass die Annahme eines standardisierten Messverfahrens als solche nicht grundsätzlich angegriffen werde, sondern die Tatsache, dass durch die fehlende Speicherung von Messdaten dem Betroffenen die Möglichkeit genommen werde, die bestehenden hohen Anforderungen an einen Vortrag zu Messfehlern zu erfüllen. Der Betroffene könne nämlich seinen Anspruch auf Einsicht in die Messdateien tatsächlich nicht effektiv zur technischen Überprüfung nutzen.

Der Beschwerdeführer beantragt,

1.
festzustellen, dass das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 28.03.2017 (22 OWi 859/16) ihn in seinem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 60 Abs. 1 SVerf i.V.m. Art. 12 Abs. 1 SVerf verletzt,

2.
diese Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen,

3.
den Beschluss Saarländischen Oberlandesgerichts vom 26.06.2017 (Ss RS 22/2017) sowie dessen Beschluss vom 27.07.2017 für gegenstandslos zu erklären,

4.
die Erstattung der dem Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen anzuordnen.

II.

Der Verfassungsgerichtshof hat zunächst Auskünfte des Landesverwaltungsamtes und des Landesamtes für Umwelt und Arbeitsschutz zur Verwendung des Messgerätes Traffistar S 350, zu seiner Funktionsweise und zu etwaigen bisherigen Auffälligkeiten eingeholt. Während das Landesamt für Umwelt und Arbeitsschutz keine weiter führenden Hinweise erteilen konnte, hat das Landesverwaltungsamt im Wesentlichen mitgeteilt, es bestehe die Möglichkeit einer nachträglichen Plausibilitätskontrolle durch die messrechtlich vorgesehene Befundprüfung. Messdaten würden nach dem konkreten Messvorgang nicht vorgehalten. Auffälligkeiten seien nicht bekannt.

Der Verfassungsgerichtshof hat sodann eine Auskunft der Präsidentin des Saarländischen Oberlandesgerichts sowie Auskünfte der PTB und der Fa. Jenoptik eingeholt.

Die Präsidentin des Saarländischen Oberlandesgerichtes hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die obergerichtliche Rechtsprechung gehe bislang davon aus, dass es sich bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät Traffistar S 350 um ein standardisiertes Messverfahren handele. Es sei im Rahmen der Einlassung dem Betroffenen unbenommen, auf konkrete Anhaltspunkte für Messfehler aufmerksam zu machen und gegebenenfalls einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. Damit stünden diese Entscheidungen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Diese Anhaltspunkte könnten sich im Einzelfall aus der fehlenden Plausibilität des gemessenen Geschwindigkeitswertes oder anhand des Beweisfotos ergeben, durch gleichzeitige Messung mehrerer Fahrzeuge, durch fehlerhafte Zuordnung des Messergebnisses zu dem Betroffenen als Fahrzeugführer und durch Verstöße gegen die Bedienungsanleitung des Gerätes.

Zudem könnten Fehler bei der Messung durch bestimmte Bedingungen, wie zum Beispiel schlechte Sichtverhältnisse, hohe Verkehrsdichte, eine besondere Form des betroffenen Fahrzeuges, oder durch die Medien bekannt geworden sein. Auch könne sich ein Betroffener selbst dahin einlassen, dass die von ihm gefahrene Geschwindigkeit sofort nach Auslösung des Lichtblitzes des Messgerätes anhand des Tachometers überprüft worden sei. Dies könne gegebenenfalls durch Zeugenbeweis aufgeklärt werden.

Solche konkreten Anhaltspunkte seien im streitigen Verfahren nicht vorgetragen worden, sondern es sei lediglich die Verwertung eines im standardisierten Verfahren gewonnenen Messergebnisses gerügt worden. In Fällen, in denen der Betroffene tatsächliche, aus der konkreten Messsituation herrührende Behauptungen aufstelle, die geeignet seien, das Messergebnis in Zweifel zu ziehen, seien diese zugunsten des Betroffenen sehr wohl berücksichtigt worden.

Die PTB hat geantwortet:

In früheren Versionen der Messgerätesoftware seien nicht alle Daten nach Ausgabe des geeichten Messwertes verworfen, sondern die Einzelpositions- und Zeitwerte des ersten und des letzten Messpunktes als Teil der Falldatei ausgegeben worden. Diese seien gelegentlich von Gutachtern genutzt worden, um einen nachträglichen Schätzwert der Geschwindigkeit auszurechnen und diesen Schätzwert zu plausibilisieren. Man könne jedoch wissenschaftlich zeigen, dass dieser Schätzwert messtechnisch nutzlos sei, und damit entgegen landläufiger Meinung keine belastbare Plausibilisierung ermögliche.

In der neuesten Softwareversion würden daher nur noch die Positionswerte, aber nicht mehr die Zeitwerte dieser beiden Punkte abgespeichert, sodass die Bildung des nachträglichen, messtechnisch nutzlosen Schätzwertes nicht mehr möglich sei.

Eine nachträgliche Richtigkeitskontrolle sei jedoch weiterhin möglich. Dafür sehe das Eichrecht die Befundprüfung nach § 39 MessEG vor.

Selbst wenn alle Messpunkte gespeichert würden, sei keine unabhängige Überprüfung des geeichten Messwertes möglich. Es könne lediglich überprüft werden, ob die Gerätesoftware eine einfache Rechnung richtig ausführe. Das sei aber schon durch die Bauartprüfung erfolgt.

Tatsächlich führe das Gerät umfangreiche interne Sicherungsmaßnahmen durch, die effektiv bis über 100 Einzelgeschwindigkeitsmessungen pro Fahrzeug beinhalteten. Nur wenn diese untereinander konsistent seien, werde überhaupt ein geeichter Messwert gebildet.

Die Plausibilitätsprüfung des geeichten Messwertes erfolge also schon im Gerät selbst anhand aller verfügbaren Daten. Eine nachträgliche Plausibilitätsprüfung anhand dieser gleichen Datenpunkte bringe keinen messtechnischen Erkenntnisgewinn.

Die Fa. Jenoptik hat im Wesentlichen ausgeführt:

Das von der PTB zugelassene Messgerät, für das eine Baumusterprüfbescheinigung vorliege, zeichne Rohmessdaten nicht auf. Das werde messrechtlich auch gar nicht verlangt. Insoweit genügten zum Ausschluss fehlerhafter Messungen die Eichung und Konformitätsprüfung sowie die Möglichkeit einer nachträglichen Befundprüfung.

III.

Der Verfassungsgerichtshof hat in der mündlichen Verhandlung vom 09.05.2019 Beweis erhoben durch mündliche Anhörung der Sachverständigen

Dr. Alexander Ratschko, Physikalisch-technische Bundesanstalt Braunschweig,
Dr. Ing. Johannes Priester, Saarbrücken,
Prof. Dr. Andreas Schütze, Lehrstuhl für Messtechnik der Universität des Saarlandes,

zu folgenden Beweisfragen:

Welche Daten des Messvorgangs und welche weiteren Informationen sind erforderlich, um eine nachträgliche Überprüfung von Messungen – vor allem Geschwindigkeitsmessungen – zu ermöglichen?

Insbesondere soll aufgeklärt werden,

ob die Vorkehrungen der PTB im Rahmen des Zulassungsverfahrens oder des Verfahrens der Konformitätsbescheinigung sicherstellen, dass keine relevanten Messfehler entstehen,

ob die Speicherung der Rohmessdaten technisch möglich ist und ob und welche Vorteile sie für eine nachträgliche Kontrolle der Messrichtigkeit erlauben würde,

ob die Statistikdatei gespeichert wird und welche Erkenntnisse ihre Offenlegung für eine nachträgliche Überprüfung der Messrichtigkeit böte.

Der Sachverständige Dr. Ratschko hat bekundet:

Messgeräte hätten die Anforderungen nach § 6 Abs. 2 MessEG i.V.m. der Anlage 2 der Mess- und Eichverordnung zu erfüllen. Dies schließe die Einhaltung der Fehlergrenzen ein. Bei Zweifeln an der Messrichtigkeit eines Geschwindigkeitsmessgerätes könne nach § 39 MessEG auf Antrag eine Befundprüfung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde durchgeführt werden, welche überprüfe, ob das Geschwindigkeitsmessgerät die wesentlichen Anforderungen einhält.

Das betroffene Messgerät vom Typ Traffistar S 350 messe die Geschwindigkeit auf Basis von Laserimpuls-Laufzeitmessungen. Vom Messgerät ausgesendete Laserimpulse würden nach Reflexion an einem Objekt vom Empfänger im Messgerät nachgewiesen.

Die Messrichtigkeit eines Geschwindigkeitsmessgerätes könne nur mit einem geeigneten metrologisch rückgeführten Messplatz überprüft werden, und eine nachträgliche Überprüfung von Geschwindigkeitsmessungen ohne einen metrologisch rückgeführten Messplatz, wie ihn die PTB unterhalte, sei nicht möglich. Bei der Zulassung eines Gerätes teste die PTB an ihren Referenzmessplätzen unter verschiedenen Bedingungen mehrere 100 Stunden lang das betroffene Gerät. Dabei würden verschiedene Umgebungsparameter (Temperatur, Feuchtigkeit, elektromagnetische Einflüsse) sowie unterschiedliche Geschwindigkeiten berücksichtigt und auch Tests auf mehreren Fahrspuren durchgeführt. Auch die Software, die das Messergebnis generiere, werde überprüft.

Der konkrete Gebrauch des Geschwindigkeitsmessgerätes werde durch den Hersteller bestimmt.

Die Konformitätsbewertungsstelle der PTB prüfe im Rahmen eines privatrechtlich organisierten Verfahrens, ob ein Geschwindigkeitsmessgerät nach seiner Bauart die zulässigen Fehlergrenzen einhalte, damit keine unzulässigen Messfehler entstehen würden. Dann werde eine Baumusterprüfbescheinigung erteilt, die besage, dass ein Baumuster eines Geschwindigkeitsmessgerätes den geltenden Anforderungen des MessEG und der MessEV entspreche.

Bei dem betroffenen Gerät seien unter anderem 21.121 Messungen an den beiden metrologisch rückgeführten Referenzmessplätzen der PTB durchgeführt worden. Sie hätten bestätigt, dass die Fehlergrenzen nicht überschritten würden.

Eine Speicherung der Rohmessdaten scheine technisch möglich zu sein, sei aber nicht Gegenstand der Konformitätsbewertung. Sie sei kein Vorteil für eine nachträgliche Kontrolle der Messrichtigkeit, da diese nur an metrologisch rückgeführten Messplätzen überprüft werden könne.

Die Statistikdatei sei nicht Gegenstand der Konformitätsbewertung. Durch die Betrachtung der gespeicherten Fallzahlen sei eine nachträgliche Überprüfung der Messrichtigkeit des Einzelfalles und der Messreihe auch nicht möglich. Sobald der PTB Unrichtigkeiten bei Geschwindigkeitsmessanlagen bekannt würden, würden die Geräte nach dem jeweiligen Stand der Technik erneut überprüft.

Berücksichtige man nur den Anfangs- und den Endwert einer Messreihe zur Plausibilisierung, seien wegen größerer Ungenauigkeiten andere Ergebnisse zu erwarten, als die Anlage unter Berücksichtigung der vielfach höheren Anzahl von Einzelmessungen ausgeworfen habe. Insoweit sei von vornherein höheres Vertrauen in das Zulassungs- und Konformitätsbescheinigungsverfahren und die Befundprüfung zur nachträglichen Kontrolle eines einzelnen Gerätes zum Ausschluss fehlerhafter Messungen gerechtfertigt.

Der Sachverständige Dr. Priester hat bekundet:

Bei früheren Softwareversionen des Traffistar S 350 seien lediglich die Rohmessdaten für zwei Werte gespeichert worden, nämlich für den Anfangswert und den Endwert. Bei wechselnden Fahrzeugpositionen habe dies zu falschen Ergebnissen führen können, weshalb überhaupt keine Werte mehr gespeichert worden seien. Würden alle Messdaten des Geschwindigkeitsmessgerätes gespeichert, und läge die Kenntnis von den Laufzeiten der Signale und des Winkels des Laserscanners vor, dann würden die Rohmessdaten ausreichen, um die Messung auf Plausibilität überprüfen zu können. Der geräteinterne Algorithmus, der vom Hersteller geheim gehalten werde, müsse dabei nicht bekannt sein. Solche Programme könnten nachkonstruiert werden. Aus seiner Sicht seien derzeit keine Hinweise darauf erkennbar, dass eine Speicherung der Rohmessdaten nicht möglich sei. Selbst wenn man davon ausgehe, dass im Rahmen des Zulassungsverfahrens alle derzeit bekannten und denkbaren Störeinflüsse oder Fehlermöglichkeiten geprüft würden, sei aus technischer Sicht nicht sicher auszuschließen, dass in Zukunft Störeinflüsse auftreten könnten, die Messergebnisse beeinflussten und im Rahmen der Zulassungsprüfung noch nicht geprüft worden seien. Insbesondere könnten Wechselwirkungen mit anderen technischen Systemen, die sich ständig veränderten, auftreten. So könne nur die Speicherung und Bekanntgabe aller Rohmessdaten eine nachträgliche Überprüfung ermöglichen. Eine Befundprüfung könne eine verlässliche Überprüfung eines einzelnen Messergebnisses nicht liefern. Diese würde zu einem völlig anderen Zeitpunkt und unter anderen Bedingungen stattfinden, so dass sie eine verlässliche Antwort bezüglich der Messung zu einem früheren Zeitpunkt nie geben könne. Allein mit der Statistikdatei könne die Messgenauigkeit einer konkreten Messung nicht präzise überprüft werden.

Der Sachverständige hat ausgeführt, er sehe sich grundsätzlich in der Lage, die Messung durch Anwendung eigener Rechenmodelle auf die von dem Gerät ausgegebenen Rohmessdaten zu überprüfen. Diese Rechenmodelle würden im Laufe der Zeit aus einer Vielzahl von Datensätzen zu dem betreffenden Gerät entwickelt. Solche Datensätze stammten entweder aus bekannt gewordenen Messungen oder müssten, fehle es daran, durch den Sachverständigen selbst durch eigene Geschwindigkeitsmessungen mit diesem Gerät beschafft werden.

Der Sachverständige Prof. Dr. Schütze hat ausgeführt:

Bei der Konformitätsprüfung würden sehr viele verschiedene Randbedingungen getestet. Wenn diese Randbedingungen in einem konkreten Fall anders seien, nicht vorhergesehene Einflüsse aufträten oder Bedingungen sich änderten, könnten grobe Fehler entstehen. Die Rohmessdaten seien erforderlich, um festzustellen, ob Sondersituationen vorlägen, an die vorher nicht gedacht worden sei.

Bei der nachträglichen Befundprüfung handele sich um eine experimentelle Darstellung, die unter anderen Bedingungen stattfinde, so dass sie zur Überprüfung eines konkreten Messergebnisses nicht geeignet sei.

Rohmessdaten zeigten insbesondere, ob eine größere Anzahl von verworfenen Messungen vorliege, außerdem könne mit einem Vergleich der Messdaten aus der Konformitätsprüfung und sonstigen Messdaten der konkreten Anlage ein Fehler festgestellt werden. Selbst wenn man das berechtigte Interesse des Herstellers an der Geheimhaltung von Softwareversionen, Algorithmen und technischen Geheimnissen berücksichtige, sei mit der Bekanntgabe der Rohmessdaten eine Plausibilisierung von einzelnen Messergebnissen möglich.

Deshalb sei es bei der Überprüfung nur eines Messergebnisses eines konkreten Gerätes kaum möglich, ohne weitere Messreihen eine sachverständige Überprüfung vorzunehmen. Daher benötige man bei der Überprüfung eines neuen Gerätes immer mehrere Datensätze, um Erfahrung mit dem Gerät zu bekommen und ein Modell entwickeln zu können. Aber auch ohne die Datensätze der Konformitätsprüfung und des geräteinternen Algorithmus könne sich bei durch den Sachverständigen erfolgter Beschaffung mehrerer Messdaten ein zuverlässiger Algorithmus entwickeln lassen. Zur Überprüfung der Plausibilität einer konkreten Messung würden insoweit wenige Datensätze ausreichen, und schon damit könnten grobe Fehler ausgeschlossen werden.

B.

I.
Gegenstand, Maßstab und Grenzen der landesverfassungsgerichtlichen Prüfung

1.
Entscheidungskompetenz und Bindungswirkung

Die Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs besteht – wie die Aufgabe aller Verfassungsgerichte der Länder – nicht darin, die „richtige” Anwendung des einfachen Rechts, sei es des materiellen oder des formellen Rechts, zu untersuchen. Seine Aufgabe ist es allein, die Verletzung spezifischen saarländischen Verfassungsrechts, soweit es dem Bundesrecht nicht widerstreitet, durch Entscheidungen von Gerichten des Saarlandes, die keine Verfassungsgerichte sind, zu prüfen. Dazu gehört vor allem die Prüfung der Verletzung rechtlichen Gehörs, die Prüfung der Fairness des Verfahrens und die Prüfung, ob – objektiv – willkürlich verfahren und entschieden worden ist.

Soweit eine Rechtsfrage bundesrechtlicher Natur ist, besteht keine Entscheidungskompetenz des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes, wenn sich ihre Beantwortung aus bundesrechtlich klaren oder bundesgerichtlich geklärten oder aus den das formelle und materielle Bundesrecht im Wesentlichen übereinstimmend auslegenden judikativen Auffassungen oder Lehrmeinungen ergibt. Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes binden im Übrigen nur die saarländischen – und nur diese – Gerichte im Streitfall. Diese Bindung gilt auch dann, wenn Gerichte eines anderen Bundeslandes abweichende verfassungsrechtliche Auffassungen vertreten sollten. Gerichte des Saarlandes sind – vorbehaltlich einer abweichenden späteren Entscheidung eines Bundesgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts – an die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes gebunden. Soweit dies lediglich einen konkreten Streitfall betrifft, ist allerdings aus gegebenem Anlass darauf hinzuweisen, dass in gleich gelagerten Streitfällen – vorbehaltlich der Zulassung eines Rechtsbehelfs zu einem Bundesgericht – der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes abweichende Entscheidungen saarländischer Instanzgerichte korrigieren wird.

2.
Standardisierte Messverfahren

Bundesrechtlich vorgegeben und durch den Verfassungsgerichtshof nicht hinterfragbar – und im Übrigen auch ohne Weiteres verständlich – sind die Grundsätze der judikativen Verarbeitung der Ergebnisse standardisierter Messverfahren auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 39, 291,297; 43, 277).

Sie bedeuten zweierlei:

Zum einen sind – materiell-rechtlich – die Ergebnisse standardisierter Messverfahren einer gerichtlichen Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen, solange und soweit keine substantiierten Einwände gegen ihre Validität erhoben werden.

Zum anderen sind – formell-rechtlich – Gerichte nicht gehindert, die Ergebnisse standardisierter Messverfahren ihren Entscheidungen ohne nähere Darlegung ihrer Voraussetzungen und ihrer Richtigkeit zugrunde zu legen, solange und soweit keine substantiierten Einwände gegen ihre Korrektheit erhoben werden.

Von einem standardisierten Messverfahren ist – bundesrechtlich – dann auszugehen, wenn die Voraussetzungen einer Messung und die Verarbeitung ihrer Ergebnisse derart gestaltet sind, dass die Messungen unter denselben oder gleichen Bedingungen nach wissenschaftlicher Erkenntnis reproduzierbar sind, sie also bei gleichen Geschehensabläufen zu gleichen Resultaten führen (BGHSt 39, 291, 297; 43, 277).

Vor diesem Hintergrund stellt der Verfassungsgerichtshof nicht in Frage, dass die Geschwindigkeitsmessung durch das Gerät Jenoptik Traffistar S 350 ein standardisiertes Messverfahren darstellt, auch wenn sich seit den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage ins Gewicht fallende technologische und rechtliche Änderungen ergeben haben.

Daher können die in einem solchen Verfahren gewonnenen Ergebnisse einer Verurteilung – grundsätzlich – als tragend zugrunde gelegt werden. Davon unberührt bleibt die Beachtung der verfahrensrechtlichen Grundrechte.

II.
Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes ist für die Entscheidung über die vorliegende Verfassungsbeschwerde zuständig, weil sie sich gegen die Entscheidungen des Saarländischen Oberlandesgerichts und des Amtsgerichts Saarbrücken und damit gemäß Art. 97 Nr. 4 SVerf i.V.m. § 9 Nr.13 SVerfGHG gegen Maßnahmen der saarländischen öffentlichen Gewalt mit der Rüge wendet, der Beschwerdeführer sei durch sie in seinen Grundrechten oder sonstigen verfassungsmäßigen Rechten verletzt ( § 55 Abs 1 SVerfGHG).

Sie ist rechtzeitig in der Monatsfrist nach Zustellung der Entscheidung über die Gehörsrüge beim Verfassungsgerichtshof des Saarlandes eingegangen (§ 56 Abs. 1 SVerfGHG). Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer nicht die Verletzung seines Grundrechts auf rechtliches Gehör rügt. Denn in Fällen einer wie hier nicht offensichtlich unzulässigen Anhörungsrüge beginnt die Frist für die Einlegung der Verfassungsbeschwerde insgesamt erst mit der Zustellung der Entscheidung über die Anhörungsrüge (BVerfG, Beschl. v. 14.05.2007, 1 BvR 730/07 m.w.N.).

Der Rechtsweg ist erschöpft, weil das Saarländische Oberlandesgericht durch Beschluss vom 26.06.2017 den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen hat. Das gilt unabhängig davon, dass über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Teilversagung von Akteneinsicht bislang nicht entschieden worden ist. Denn eine solche Entscheidung kann nicht mehr dazu führen, dass eine grundrechtliche Beschwer des Beschwerdeführers beseitigt würde. Die von dem Beschwerdeführer in erster Linie weiter verfolgte Information über die Rohmessdaten kann ihm im Übrigen nicht gewährt werden, weil keine weiteren Messdaten vorliegen.

III.
Begründetheit der Verfassungsbeschwerde

1.
Allgemeines

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Der Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 26.06.2017 und das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 28.03.2017 verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers auf ein faires gerichtliches Verfahren (Art. 60 Abs. 1 SVerf i.V.m. Art. 20 SVerf), das – in Verbindung mit Art. 14 Abs. 3 SVerf – ein Grundrecht auf effektive Verteidigung einschließt.

Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass sich beide Entscheidungen im Rahmen der Rechtsprechung der Bußgeldgerichte und Bußgeldsenate halten. Vor allem der Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts setzt sich außerordentlich gründlich mit den Einwänden des Beschwerdeführers auseinander und hält sich – in aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandender Weise – penibel an die strafprozessrechtlichen und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Anforderungen an die Verfahrensführung und Rechtsmittelzulassung in einem Bußgeldverfahren wegen der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung.

Diese den Entscheidungen zugrunde liegenden und von ihnen beachteten bundesrechtlichen und bundesgerichtlichen Grundsätze sind indessen – soweit ersichtlich – durchweg für Fälle entwickelt worden, in denen Rohmessdaten für den konkreten Messvorgang zur Verfügung standen. Fehlt es an ihnen und vermag sich eine Verurteilung nur auf das dokumentierte Messergebnis und das Lichtbild des aufgenommenen Kraftfahrzeugs und seines Fahrers zu stützen, so fehlt es nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs an einem fairen rechtsstaatlichen Verfahren, wenn sich ein Betroffener wie hier – selbst ohne nähere Begründung – gegen das Messergebnis wendet und ein Fehlen von Rohmessdaten rügt. Eine Verurteilung kann dann auf dieser Grundlage nicht erfolgen.

2.
Landesverfassungsrechtliche Grundlagen

Die Verfassung des Saarlandes gewährt – nicht anders als das Grundgesetz und inhaltsgleich mit dessen Garantien – ein Grundrecht auf ein faires gerichtliches Verfahren, das ein Grundrecht auf wirksame Verteidigung einschließt. Die landesverfassungsrechtlich ausdrücklich genannte Gewährleistung, nach der sich jeder Beschuldigte des Beistands eines Verteidigers bedienen kann (Art. 14 Abs. 3 SVerf), die zugleich Teil des Rechtsstaatsprinzips ist, entbehrte weitgehend des Gehalts, würde nur die formale Begleitung durch einen Verteidiger, nicht aber zugleich die materielle Ermöglichung einer wirksamen Verteidigung gewährleistet. Sie zählt daher zu den rechtsstaatlichen justiziellen Garantien, wie sie sich auch aus dem als Bundesrecht die Interpretation des saarländischen Verfassungsrecht leitenden Art. 6 Abs. 3 EMRK ergeben.

Zu ihnen zählen das Recht, sich – gegebenenfalls konfrontativ – mit den von Strafverfolgungs- und Bußgeldbehörden aufgeführten Beweismitteln auseinandersetzen zu dürfen und „Waffengleichheit“ zwischen Strafverfolgungs- und Bußgeldbehörden und Verteidigung einfordern zu dürfen.

Zugleich gehört zu den Grundsätzen eines freiheitlichen und rechtsstaatlichen Verfahrens, dass ein Beschuldigter sich zur Sache nicht einlassen muss, also nicht selbst gehalten ist, in irgendeiner Weise die staatliche Beweisführung zu erleichtern oder sich gar zu entlasten.

Daraus folgt, dass der Verteidiger eines von einem Straf- oder Bußgeldverfahren Betroffenen nicht nur die Möglichkeit haben muss, sich mit den rechtlichen Grundlagen des gegen seinen Mandanten erhobenen Vorwurfs auseinanderzusetzen, sondern auch dessen tatsächliche Grundlagen auf ihr Vorliegen und ihre Validität prüfen zu dürfen. Dazu gehört zunächst, dass ihm alle Informationen, die dem Gericht vorliegen und auf die das Gericht seine Entscheidung stützen kann, zur Verfügung gestellt werden müssen. Ist ein Gericht – im Rahmen von Massenverfahren – befugt, sich auf standardisierte Beweiserhebungen zu stützen, ohne sie anlasslos hinterfragen zu müssen, so muss zu einer wirksamen Verteidigung gehören, etwaige Anlässe, sie in Zweifel zu ziehen, recherchieren zu dürfen, sich also der Berechtigung der Beweiskraft der dem Gericht vorliegenden Umstände zu vergewissern.

Hinzu kommt: Die Ergebnisse standardisierter Messverfahren erlauben einem Gericht, von ihrer regelmäßigen – nur in Ausnahmefällen bei besonderem Anlass zu hinterfragenden – Richtigkeit auszugehen. Sie zwingen ein Gericht indessen rechtlich nicht zu einem solchen Vorgehen, auch wenn es sich faktisch typischerweise anbieten wird.

Ist ein Gericht aber rechtlich nicht gehindert zu versuchen, sich möglicherweise bessere Erkenntnisse zu verschaffen, so darf dies einem Verteidiger – im Lichte des Prinzips der Waffengleichheit – nicht deshalb versagt werden, weil ein Gericht angesichts der Fülle der von ihm zu bearbeitenden Fälle und angesichts der typischerweise bestehenden Verlässlichkeit von standardisiert ermittelten Messergebnissen darauf verzichtet.

3.
Normative Bindung an das Ergebnis eines standardisierten Messverfahrens

Messergebnisse eines standardisierten Messverfahrens haben – wie bundesrechtlich unbestritten ist – keine normativ bindende Kraft. Sie stellen – ähnlich antizipierten Sachverständigengutachten – eine belastbare wissenschaftliche Grundlage einer Verurteilung dar, erzwingen sie allerdings nicht. Solange der (Bundes)- Gesetzgeber, sofern er das bundesverfassungsrechtlich dürfte, eine Verurteilung nicht allein von dem Ergebnis einer standardisierten Messung abhängig macht, dürfen Gerichte – jedenfalls des Saarlandes – einen Betroffenen nicht verurteilen, ohne ihm eine effektive Verteidigung zu erlauben und ihm zu gestatten, die Validität der standardisierten Messung zu prüfen.

So und nicht anders können die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs – und der ihm jedenfalls formal folgenden Rechtsprechung der deutschen Oberlandesgerichte – verstanden werden. Der Bundesgerichtshof hat insoweit ausgeführt (BGHSt 39, 291, 300/301), der Anspruch, „nur aufgrund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten verurteilt zu werden”, bleibe „auch dann gewahrt, wenn ihm (d.h. dem Betroffenen) die Möglichkeit eröffnet ist, den Tatrichter im Rahmen seiner Einlassung auf Zweifel aufmerksam zu machen und einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen”. Der Tatrichter müsse sich nur dann von der Zuverlässigkeit der Messungen überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben” seien.

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes legt diese ihn bindende – und überzeugende – bundesrechtliche Vorgabe seiner Entscheidung zugrunde.

Zu den grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verurteilung einer Bürgerin oder eines Bürgers gehört, dass er die tatsächlichen Grundlagen seiner Verurteilung zur Kenntnis nehmen, sie in Zweifel ziehen und sie nachprüfen darf. Das gilt nicht nur in Fällen strafrechtlicher Sanktionen, sondern stets. Staatliches Handeln darf, so gering belastend es im Einzelfall sein mag, und so sehr ein Bedarf an routinisierten Entscheidungsprozessen besteht, in einem freiheitlichen Rechtsstaat für die Bürgerin und den Bürger nicht undurchschaubar sein; eine Verweisung darauf, dass alles schon seine Richtigkeit habe, würde ihn zum unmündigen Objekt staatlicher Verfügbarkeit machen. Daher gehören auch die grundsätzliche Nachvollziehbarkeit technischer Prozesse, die zu belastenden Erkenntnissen über eine Bürgerin oder einen Bürger führen, und ihre staatsferne Prüfbarkeit zu den Grundvoraussetzungen freiheitlich-rechtsstaatlichen Verfahrens.

Das Bundesverfassungsgerichts hat in seiner Entscheidung zur Verwendung von Stimmcomputern (BVerfGE 123, 39 ff.) den Einsatz elektronischer Wahlgeräte – ungeachtet ihrer vorherigen gründlichen und unter Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgenden Zulassungsprüfung durch die PTB und ihrer Zulassung durch das Bundesministerium des Innern – davon abhängig gemacht, dass eine bürgerschaftliche nachträgliche Richtigkeitskontrolle gewährleistet ist. Diese Entscheidung beruht zwar im Wesentlichen auf dem dem republikanischen Prinzip entspringenden Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl. Seine Grundlage ist indessen gleichermaßen das Rechtsstaatsprinzip (BVerfGE 123, 39 ff, juris-Rz. 107). Rechtsstaatlichkeit verlangt nämlich auch die Transparenz und Kontrollierbarkeit jeder staatlichen Machtausübung (BVerfGE 123, 39 ff. juris-Rz. 110).

Das zeigt, dass zu einem rechtsstaatlichen Verfahren die grundsätzliche Möglichkeit der Nachprüfbarkeit einer auf technischen Abläufen und Algorithmen beruhenden Beschuldigung beruht. Niemand würde deshalb bezweifeln, dass die Ergebnisse einer Blutentnahme oder einer DNA-Probe nur dann Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung sein dürfen, wenn die Blutprobe oder die DNA-Daten, die gleichfalls Gegenstand eines standardisierten Messverfahrens sind, auch ohne substantiierte, die „Darlegungslast“ für einen Vorwurf entgegen der Unschuldsvermutung auf den Beschuldigten verlagernden Einwände, noch zu einer die Messung unabhängig nachvollziehenden Überprüfung zur Verfügung stehen.

4.
Anwendung auf den Streitfall

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass ein Verteidiger die Grundlagen einer Geschwindigkeitsmessung eigenverantwortlich prüfen darf. Das ist auch dann der Fall, wenn er zunächst keine auf der Hand liegende Einwände – beispielsweise die mit dem Messergebnis unvereinbare bauartbedingte Geschwindigkeitsdrosselung oder sich aus dem Lichtbild offenkundig ergebende Unklarheiten – vortragen kann. Denn zu einer wirksamen Verteidigung gehört nicht nur, ein Gericht auf solche ihm ohnehin ins Auge fallenden Umstände aufmerksam zu machen, sondern nachforschen zu können, ob es bislang gerade nicht bekannte Zweifel an der Tragfähigkeit eines Vorwurfs gibt. Wenn zu den rechtlichen Rahmenbedingungen eines standardisierten Messverfahrens zählt, sich mit Einwänden gegen seine Ergebnisse wenden zu dürfen, so darf einem Betroffenen nicht von vornherein abgeschnitten werden, solche Einwände erst zu ermitteln.

Muss das Gericht die näheren technischen und physikalischen Umstände der Geschwindigkeitsmessung im Rahmen des standardisierten Messverfahrens nicht aufklären und bliebe die Aufklärung zugleich auch dem Betroffenen verwehrt, würde die Tatsachengrundlage der Verurteilung letztlich jeder gerichtlichen Überprüfung entzogen.

Danach bedarf die Verteidigung eines Betroffenen der Rohmessdaten nur dann nicht, wenn ihr andere, gleichermaßen zuverlässige Verteidigungsmittel zur Verfügung stehen. Das ist indessen – so außerordentlich selten Fehler festgestellt werden mögen – nicht der Fall.

a.
Möglichkeit der Speicherung von Rohmessdaten

Dass eine Speicherung der Rohmessdaten ohne größeren Aufwand technisch möglich ist, ist nicht zu bezweifeln. Es wird von allen Sachverständigen bestätigt und folgt allein schon daraus, dass Messgeräte anderer Hersteller die Rohmessdaten speichern und in früheren Versionen des im Streit stehenden Geräts eine solche Speicherung gleichfalls erfolgt ist.

b.
Allgemeine Einwände gegen die Verwendbarkeit von Rohmessdaten

Der Einwand, die Speicherung von Messdaten habe dazu geführt, dass in Bußgeldverfahren aus wissenschaftlicher Betrachtung nicht haltbare Zweifel an der Plausibilität von Messergebnissen geäußert worden seien, trägt nicht. Die Verteidigung eines von einem staatlichen Verfahren Betroffenen kann nicht allein mit dem Argument abgeschnitten werden, sie werde den gegen ihn erhobenen Vorwurf ohnehin nicht entkräften können. Zugleich kann – wie vorsorglich bemerkt wird – eine wirksame Verteidigung ohne normative Ermächtigung nicht aus Gründen der Belastung von Gerichten oder Rechtsschutzversicherern oder gar einer Beschränkung von Geschäftsfeldern von technischen Sachverständigen beschränkt werden.

c.
Verfahren der Zulassung durch die PTB

Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt in keiner Weise, dass die Verfahren der Zulassungs- oder Konformitätsprüfung der PTB außerordentlich sorgfältig und neutral erfolgen und unter den gleichen Bedingungen gewährleisten, zu gleichen Ergebnissen zu gelangen.

Das folgt aus den bisherigen – nicht in Zweifel zu ziehenden – Auskünften der PTB und den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Ratschko. Beide stellen das sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht sehr gründliche Verfahren der Zulassung eines – auch des im Streit befindlichen – Messgeräts dar. Auch geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass diese Prüfungen unter den gleichen Bedingungen, die bei den Testungen an den metrologisch rückgeführten Messplätzen der PTB bestanden, grundsätzlich zuverlässige Ergebnisse bei späteren Messungen im Straßenverkehr gewährleisten.

Das schließt indessen spätere Fehler nicht aus, wie sich allein schon daraus ergibt, dass nach den Angaben des Sachverständigen Dr. Ratschko bei Bekanntwerden von Unrichtigkeiten von Geschwindigkeitsmessanlagen Messgeräte nach dem jeweiligen Stand der Technik neu bewertet werden. Schlösse die Zulassungsprüfung spätere Fehler aus, könnte eine solche Notwendigkeit nicht auftreten.

Das leuchtet auch unmittelbar ein. Die Konformitätsprüfung eines Messgeräts geht der konkreten Geschwindigkeitsmessung Jahre voraus. Sie erfolgt unter den örtlichen, zeitlichen und sachlichen – vor allem witterungsmäßigen – Bedingungen des metrologisch rückgeführten Messplatzes der PTB während der Dauer der Prüfung. Damit wird, wie die Sachverständigengutachten ergeben haben, jedoch nicht restlos ausgeschlossen, dass neue, zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht bekannte Interferenzen mit veränderten technischen Entwicklungen von Kraftfahrzeugen entstehen können, Veränderungen der Spurführung von Straßen den Bedingungen des Messplatzes nicht mehr entsprechen, andere als die berücksichtigten Witterungserscheinungen in den konkreten Messsituationen bestanden oder sonstige, in der Konformitätsprüfung nicht berücksichtigte Störungen aufgetreten sind.

Zwar mag es sein, dass solche Umstände zu einer automatisierten, in der Software des Messgeräts berücksichtigten Verwerfung oder Korrektur einer Messung führen und andere Ungenauigkeiten durch den Toleranzabzug erfasst werden.

Annullierungskriterien der Software mögen zwar fehlerbehaftete Einzelmessungen in einer Vielzahl von Messsituationen aussondern. Die Konformitätsprüfung kann dies aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit für alle – gegebenenfalls auch unvorhergesehenen – Messsituationen gewährleisten, wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Schütze ergeben hat.

Solange eine Messung aber nicht durch die Bereitstellung der Datensätze – einschließlich auch der Statistikdatei – einer Nachprüfung durch die Verteidigung des Betroffenen zugänglich ist, würde der alleinige Verweis auf die Verlässlichkeit der Konformitätsprüfung – die im Übrigen keiner öffentlichen Transparenz und keiner Kontrolle der von der Verwendung der Messgeräte Betroffenen unterliegt – schlicht bedeuten, dass Rechtsuchende auf Gedeih und Verderb der amtlichen Bestätigung der Zuverlässigkeit eines elektronischen Systems und der es steuernden Algorithmen ausgeliefert wären.

Das ist nach der Überzeugung des Verfassungsgerichtshof weder bei Geschwindigkeitsmessungen noch in den Fällen anderer standardisierter Messverfahren – wie beispielsweise der Blutprobenanalyse und der DNA Identitätsmusterfeststellung – rechtsstaatlich hinnehmbar. Auch in den genannten Beispielsfällen käme niemand auf den Gedanken, dass die untersuchten gesicherten Substanzen sofort nach ihrer Analyse vernichtet werden könnten und nachträglichen Zweifeln eines Beschuldigten an der Richtigkeit der Feststellungen nicht nachgegangen werden müsste, weil das Ergebnis der standardisierten Untersuchungen in aller Regel zutreffend sei.

d.
Nachträgliche Befundprüfung

Eine nachträgliche Befundprüfung vermag nach dem Ergebnis der Anhörungen und der Beweisaufnahme das Fehlen der Rohmessdaten nicht auszugleichen. Mit ihr kann lediglich festgestellt werden, ob das Messgerät zum Zeitpunkt der Befundprüfung – also längere Zeit nach der den Vorwurf begründenden Messung – funktionsfähig ist und den Anforderungen der Eichung und Konformitätsprüfung genügt. Weder sind ihr vorübergehende, kurzfristige Störungen des Betriebes des Messgeräts in der Vergangenheit zu entnehmen, noch vermag sie zuverlässig abzubilden, ob die konkrete, in der Vergangenheit liegende Messung korrekt erfolgt oder von im Rahmen der Eichung und Konformitätsprüfung unvorhergesehenen Umständen beeinflusst worden war. Denn aus ihr ergibt sich lediglich, dass zum Zeitpunkt ihrer Vornahme eine Messung weiterhin nach den ursprünglichen Zulassungsanforderungen erfolgt ist. Die Sachverständigen haben insoweit übereinstimmend bekundet, dass die Verlässlichkeit der im Streit stehenden Messung im Rahmen einer Befundprüfung nur dann zu beweisen wäre, wenn die Verkehrssituation und die Umweltbedingungen der Messung identisch nachgestellt werden könnten. Das sei indessen auszuschließen.

e.
Eignung der Rohmessdaten zur Verifizierung

Die fehlende Speicherung der Rohmessdaten wäre allerdings auch dann keine Beschränkung einer wirksamen Verteidigung, wenn die Rohmessdaten völlig ungeeignet wären, eine nachträgliche Plausibilisierung des Messergebnisses zu erlauben.

Das ist indessen – entgegen der Annahme der PTB – nach der Überzeugung des Verfassungsgerichtshofs nicht der Fall.

Die PTB und der Sachverständige Dr. Ratschko berufen sich zu Recht darauf, die Messergebnisse des Geräts Traffistar S 350 seien wesentlich genauer ermittelt, als eine einfache Weg-Zeit-Berechnung der Geschwindigkeit anhand von gespeicherten Messwerten zu Anfang und zum Ende der Messung dies zuließe. Darum geht es indessen nicht.

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine bei abstrakter Betrachtung große Verlässlichkeit der Ergebnisse eines standardisierten Messverfahrens keinerlei Rechtfertigung dafür bietet, das Messergebnis einer sachverständigen Überprüfung zu entziehen, wenn Fehler im Einzelfall nicht gänzlich auszuschließen sind, wovon – unbestrittenermaßen (vgl. nur Cierniak/Niehaus DAR 2014, 2) – auszugehen ist. Dass eine Verteidigungsstrategie im Regelfall keinen Erfolg verspricht, gestattet rechtsstaatlich nicht, sie von vornherein zu unterbinden. Sähe man das anders, würde man das Ergebnis standardisierter Messverfahren normativ verbindlich machen, das Messverfahren also jeglichen Einwänden gegenüber immunisieren.

Standardisierte Messverfahren haben rechtlich eine ähnliche Bedeutung wie antizipierte Sachverständigengutachten. Auch solche Gutachten bieten zwar in der Regel eine verlässliche tatsächliche Grundlage für eine richterliche Entscheidung. Es steht jedoch außer Frage, dass sie im Einzelfall eine nachträgliche Kontrolle ihrer faktischen Grundlagen und wissenschaftlichen Schlussfolgerungen nicht ausschließen.

Zwar führen die Auskünfte der PTB – und auch jene des Unternehmens Jenoptik – sowie die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Ratschko an, dass auch für den Fall der Speicherung aller Rohmessdaten ohne Kenntnis des Algorithmus des Herstellers eine Prüfung der Plausibilität der konkreten Messung nicht möglich sei.

Demgegenüber haben sowohl der Sachverständige Dr. Priester als auch der Sachverständige Prof. Dr. Schütze ausgeführt, das möge zwar so sein, wenn allein eine einzige Geschwindigkeitsmessung und deren Rohmessdaten zur Verfügung stünden. Verfüge man aber über eine Mehrzahl von Messungen verschiedener Geschehnisse, sei es möglich, ein Modell zu entwickeln, das die Plausibilisierung auch einer konkreten Messung erlaube. Vorhandene Rohmessdaten erlaubten zugleich, mögliche Irregularitäten einer konkreten Messung zu erkennen. Der Sachverständige Dr. Ratschko ist dem nicht entgegengetreten.

Dass eine solche Kontrolle möglich ist, zeigt nicht zuletzt das Gutachten des Sachverständigen Dr. Priester, das im Detail aufzeigt, dass es bei der Kontrolle von konkreten Messvorgängen nicht nur um eine schlichte Weg-Zeit-Berechnung unter Verwendung von Anfangs- und Endwerten geht, sondern um den aufwändigen Versuch einer Rekonstruktion eines komplexen Geschehensablaufs und seiner physikalischen Erfassung, der zwar nicht positiv zu einer „höheren Richtigkeit” einer Geschwindigkeitsermittlung führen muss, wohl aber – gewissermaßen falsifizierend – Plausibilitätseinschätzungen erlaubt.

f.
Ergebnis

Gibt es aber keine zwingenden Gründe, Rohmessdaten nicht zu speichern, und erlaubt ihre Speicherung, das Ergebnis eines Messvorgangs nachzuvollziehen, so ist es unerheblich, dass es sich bei Bußgeldverfahren um Massenverfahren von in aller Regel geringerem Gewicht für einen Betroffenen – immerhin können sie im Einzelfall eben doch dazu führen, dass erhebliche Einschränkungen der Mobilität und der beruflichen Einsatzmöglichkeiten entstehen – handelt, und dass in der weit überwiegenden Zahl aller Fälle Geschwindigkeitsmessungen zutreffend sind. Rechtsstaatliche Bedingungen sind nicht nur in der weitaus überwiegenden Mehrzahl aller Fälle zu beachten, sondern in jedem Einzelfall.

C.

1.

Sind die Ergebnisse des Messverfahrens mit dem Messgerät Traffistar 350S folglich wegen einer verfassungswidrigen Beschränkung des Rechts auf eine wirksame Verteidigung unverwertbar, sind die angegriffenen Entscheidungen aufzuheben.

2.

Die Auslagenentscheidung beruht auf § 26 Abs. 3 SVerfGHG. Das Saarland hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu erstatten. Der Gegenstandswert ist nach § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG festgesetzt worden.