Der Betroffene wurde mittels Enforcement Trailer, in dem ein PoliScan FM1-Messgerät eingebaut war, mit einer zu hohen Geschwindigkeit gemessen. Das AG Kaiserslautern bestätigt, dass dieses Messgerät keine Rohmessdaten speichert, sondern nur bestimmte Zusatzdaten, welche keine Rückschlüsse auf die Messrichtigkeit zuließen. Entgegen der Ansicht des saarländischen VerfGH führe dies aber nicht zur Unverwertbarkeit der Messung. Auch bei Blutentnahmen oder DNA-Proben hätten Betroffene keine Möglichikeit zur nochmaligen Überprüfung. Ein solches Recht existiere zumindest bislang nicht. Auch ohne Rohmessdaten müssten sich die Tatgerichte mit Einwendungen auseinadersetzen, etwa der unrichtigen Bedienung des Messgeräts oder dem Einsatz von ungeschultem Personal. Möglicherweise böten auch die Rohmessdaten keinen Vorteil für die nachträgliche Kontrolle der Missrichtigkeit.

AG Kaiserslautern, Urteil vom 29.07.2019 – 4 OWi 6070 Js 7621/19

1. Der Betroffene wird wegen fahrlässigen Überschreitens der erlaubten· Höchstgeschwindigkeit ausserhalb geschlossener Ortschaften um 17 km/h mit einem Lkw zu einer Geldbuße von 70 Euro verurteilt.

2. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens sowie ihre notwendigen Auslagen zu tragen.

Angewendete Vorschriften:
§§ 41 Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG, 465 StPO, 46 OWiG

Gründe:

I.

Das Fahreignungsregister weist für den Betroffenen keine Eintragung auf.

II.

Am 15.10.2018 befuhr d. Betroffene um … Uhr in der Gem. Kaiserslautern die L 367 in Fahrtrichtung Kaiserslautern mit dem Lkw über 7,5 t, amtliches Kennzeichen … Im Bereich Zufahrt IG Nord wurde die Geschwindigkeit d. Betroffenen mit dem Messgerät PoliScan M1HP mit 80 km/h gemessen. Nach Abzug der Toleranz von 3 km/h hat d. Betroffene an der genannten Stelle die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 17 km/h überschritten. Im Streckenverlauf vor dem oben genannten Streckenabschnitt ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch beidseits mehr als 200 m vor der Messstelle aufgestellte Verkehrszeichen (Zeichen 274) auf 70 km/h beschränkt.

Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte d. Betroffene die Geschwindigkeitsbeschränkung sowie den Umstand, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritt, erkennen und vermeiden können.

III.

Der Sachverhalt unter II. folgt aus den in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden und dem Lichtbild Blatt 3 der Akte sowie den Angaben des Zeugen …

Die Betroffene hat die Fahrereigenschaft eingeräumt. Auf das Messfoto Bl. 3 d. A. wird gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen.

Die Betroffene erhebt Einwendungen gegen die Messung.

Das Gericht ist vorliegend von der Ordnungsmäßigkeit der Messung und der Richtigkeit des festgestellten Messergebnisses überzeugt.

Die Verkehrsfehlergrenzen des vorliegenden Gerätes betragen bis 100 km/h 3 km/h und über 100 km/h 3 %. Das Messfoto enthält keine Auffälligkeiten. Aus dem Datenfeld des Messfotos gehen die Tatzeit. das Datum sowie die “Brutto-Geschwindigkeit” von 80 km/h hervor. Das Lichtbild zeigt zudem, dass es sich um einen Lkw mit einem zu I. Gesamtgewicht von über 7,5 t handelt.

Nach den Angaben des Zeugen … liegt die verfahrensgegenständliche Messstelle in einem Bereich, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrzeichen auf 70 km/h beschränkt ist – dies ist im übrigen gerichtsbekannt. Der Zeuge gab die Beschränkung durch Verkehrszeichen so an, wie sie festgestellt ist. Ergänzend erklärte er, er habe sich vor Beginn und nach Ende der Messung davon überzeugt, dass das Zeichen vorhanden war.

Weiter gab er an, er habe das Messgerät (Trailer) gemäß der Bedienungsanleitung aufgestellt und in Betrieb genommen, nachdem er es zuvor auf einen ordnungsgemäßen Zustand und insbesondere auf die Unversehrtheit der Eichsiegel und Sicherungsmarken geprüft habe. Er sei für Messungen mit dem Gerät besonders geschult. Besondere Auffälligkeiten seien während der Messreihe nicht aufgetreten.

Das Gericht hat die Angaben des Zeugen nachvollzogen und legt sie zugrunde. Das Gericht hat keinen Anlass, die Angaben des Zeugen, der dem Gericht auch aus anderen Verfahren bekannt ist. in Zweifel zu ziehen und geht von einem ordnungsgemäßen Vorgehen des Zeugen bei Aufbau und Inbetriebnahme sowie dem Betrieb des Messgerätes aus.

Nach dem Eichschein vom 04.09.2018 wurde das eingesetzte Gerät an diesem Tag geeicht, die Eichung ist gültig bis zum 31.12.2019. Das Gericht hat auch keine Zweifel, dass die Eichsiegel und Sicherungsmarken auf dem Gerät und den Gerätekomponenten im Zeitpunkt der Messung unversehrt waren. Der Zeuge hat nach seinen Angaben die Eichsiegel und Sicherungsmarken überprüft, sie seien intakt, d. h. unversehrt gewesen. Das Gericht legt auch diese Angaben zugrunde.

Das Messfoto Bl. 3 d. A. ist ohne Besonderheiten, die Lage und Position des Messrahmen entsprechen den Anforderungen (Unterkante unterhalb der Vorderräder, Nummernschild bzw. Teile davon befindet sich im Messrahmen). Auf die Abbildung wird gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen.

Der Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie beantragt, bedurfte es gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nicht, da dies nach pflichtgemäßem Ermessen zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich gewesen ist Mit dem Beweisantrag wird u. a. behauptet, aus der xml-Datei ergäben sich nicht nachvollziehbare erhebliche Abweichungen der mittleren Geschwindigkeit. Die Ausführungen geben keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen, da gerichtsbekannt ist, dass der Messwert aus mehreren Einzelwerten durch Bildung eines Mittelwerts errechnet wird. Dass hierbei einzelne Werte unter (andere über) dem Mittelwert liegen ist systembedingt keine Besonderheit, wie dem Gericht aus anderen Verfahren und dort eingeholten Sachverständigengutachten bekannt ist. Im übrigen enthält die xlm Datei nicht die Einzel(roh)messdaten der Messung. Der Sachverhalt ist daher aus Sicht des Gerichts geklärt. Damit bestand keine Veranlassung das beantragte Sachverständigengutachten einzuholen.

Auch steht die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 05.07.2019 einer Verurteilung im vorliegenden Fall nicht entgegen. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs bindet zunächst (lediglich) die saarländischen staatlichen Rechtsanwender – § 10 Abs. 1 VerfGHG Saarland. Das Urteil betrifft Messverfahren mit dem Gerät Traffistar S 350 , das vorliegend nicht eingesetzt wurde. Die Entscheidung ist aber auch inhaltlich nicht überzeugend. Zunächst zieht der Verfassungsgerichtshof die Stimmcomputer-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts heran und verweist auf die dort geforderte nachträgliche Richtigkeitskontrolle, die aus dem Rechtsstaatsprinzip folge.

Soweit er ausführt, ein rechtsstaatliches Verfahren erfordere die grundsätzliche Möglichkeit der Nachprüfbarkelt einer auf technischen Abläufen und Algorithmen beruhenden Beschuldigung, wirft dies Fragen auf, weil es in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht um eine Beschuldigung geht. Auch der zweite Teil der Begründung, wonach die Ergebnisse einer Blutentnahme oder einer DNA-Probe nur dann Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung sein dürften, wenn die Blutprobe oder die DNA-Daten, die gleichfalls Gegenstand eines standardisierten Messverfahrens sind, noch zu einer die Messung unabhängig nachvollziehenden Überprüfung zur Verfügung stünden, vermag bei genauerar Betrachtung nicht zu überzeugen. Wie der Verfassungsgerichtshof zu diesem Schluss gelangt, bleibt offen. Es ist in der Rechtswirklichkeit auch keinesfalls selbstverständlich, dass Sachverständigengutachten, denen eine Auswertung einer bestimmten Menge von Körperzellen, Blut oder anderem Material zugrunde liegt, durch erneute sachverständige Analyse überprüft werden. In vielen Fällen wird auch keine Restmenge an Untersuchungsmaterial vorhanden sein, wenn Proben und Spuren durch eine gutachterliche Untersuchung vernichtet bzw. verbraucht werden. Weitere Unstimmigkeiten entstehen bei einem Vergleich mit anderen Fällen, in denen einer gerichtlichen Entscheidung Ergebnisse eines technischen Vorgangs zugrunde gelegt werden. Die Grundsätze der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs müssten konsequenterweise auch auf Atemalkoholmessungen, Blutalkoholuntersuchungen, die Ergebnisse von Verwiegungen usw. angewendet werden. In diesem Zusammenhang wurde bislang noch nicht das Verdikt der Verfassungswidrigkeit wegen fehlender nachträglicher Überprüfbarkelt erhoben. Dies sollte nicht gänzlich vernachlässigt werden. Eine Erklärung der Beweggründe des Verfassungsgerichtshofs dürften seine Ausführungen liefern, wonach die Tatsachengrundlage der Verurteilung letztlich jeder gerichtlichen Überprüfung entzogen würde, wenn das Gericht die näheren technischen und physikalischen Umstände der Geschwindigkeitsmessung im Rahmen des standardisierten Messverfahrens nicht aufklären müsse und die Aufklärung zugleich auch dem Betroffenen verwehrt bliebe. Hintergrund scheint demnach die Angst vor einer ungeprüften und unbegründeten Entscheidung der Instanzgerichte zu sein. Diese wird wohl zu Unrecht heraufbeschworen: Das Tatgericht muss sich mit Einwendungen auseinandersetzen, etwa der unrichtigen Bedienung des Messgerätes oder der Auswirkung des Einsatzes ungeschulten Bedienpersonals. Die tatrichterliche Würdigung wird im Instanzenzug überprüft. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs hat einen inneren Widerspruch, soweit sie einerseits die Prinzipien des standardisierten Messverfahrens gerade nicht angreifen will und den Vorinstanzen Übereinstimmung mit dem Rahmen der Rechtsprechung der Bußgeldgerichte und der Bußgeldsenate attestiert, um dann andererseits im Folgenden doch einen Verfassungsverstoß durch gerade diese Rechtsanwendung festzustellen. Vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis des Urteils bei allem gebotenen Respekt nur als Zirkelschluss nachzuvollziehen: Der als Verfassungsrang dargestellte Grundsatz von der Möglichkeit jedes Betroffenen, in gerichtlichen Verfahren technische Ergebnisse (nachträglich) vollständig untersuchen und überprüfen zu können, besteht in dieser Form (zumindest bislang) nicht.

Es besteht auch kein Grund, das Verfahren auszusetzen, da die Überprüfung der Messrichtigkeit im konkreten Fall durch Rohmessdaten ohnehin nicht erfolgen kann: Die Messrichtigkeit eines Geschwindigkeitsmessgerätes kann, was sich aus den im Urteil des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs wiedergegebenen Aussagen des Sachverständigen der PTB ergibt, nur mit einem geeigneten metrologisch rückgeführten Messplatz überprüft werden. Eine Speicherung der Rohmessdaten sei kein Vorteil für eine nachträgliche Kontrolle der Messrichtigkeit – s. Verfassungsgerichtshof des Saarlandes vom 05.07.2019 – Lv 7/17-, juris, Rz 45, 49.

Das Gericht ist von einer ordnungsgemäßen Messung überzeugt. Es handelt sich um ein sog. standardisiertes Messverfahren. Das Gericht ist aufgrund eigener Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Messung ordnungsgemäß erfolgt ist. Das ordnungsgemäße Gerät wurde entsprechend der Bedienungsanleitung durch geschultes Personal verwendet. Konkrete weitere Auffälligkeiten bzw. Fehler sind nicht ersichtlich und liegen nicht vor.

Auch liegt kein Verstoss gegen die Richtlinie des Ministeriums des Innern für die Durchführung von Geschwindigkeitskontrollen vor. Es handelt sich nicht um eine stationäre Messanlage i. S. dieser Regelung. Selbst wenn, stünde dies einer Verwertung nicht entgegen, da die Regelung die Gerichte nicht bindet.

IV.

Durch die Geschwindigkeitsüberschreitung hat d. Betroffene eine Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 3 Abs 3 Nr. 2 b, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO I.V.m. § 24 StVG begangen. Hierbei war ihm Fahrlässigkeit zur Last zu legen: Bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, hätte er die Geschwindigkeitsbeschränkung erkennen und ihre Geschwindigkeit auf das zulässige Maß beschränken können.

V.

Nach § 24 StVG i.V.m. der Bußgeldkatalogverordnung beträgt die Regelgeldbuße nach Nr. 11.1.4 der Anlage zur Bußgeldkatalogverordnung für den festgestellten Verkehrsverstoss 70 Euro.

Das Gericht sieht keinen Anlass, von der Regelgeldbuße abzuweichen. Hierzu geben weder die nächtliche Tatzeit noch die Geringfügigkeit der Überschreitung Anlass. Auch ein etwaiger Verstoss der Messung gegen die Richtlinien zur Geschwindigkeitsmessung – s. o. – würde die Verwertbarkeit nicht derart schmälern, dass eine Unterschreitung des Regelsatzes geboten wäre.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Vielen Dank an Frau Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Bous, für die Zusendung der Entscheidung.