Nach der Entscheidung des saarländischen Verfassungsgerichts wurden die meisten oder alle Verfahren, in denen die Geschwindigkeit mit TraffiStar S 350 gemessen wurde, von der Zentralen Bußgeldbehörde und dem AG St.Ingbert eingestellt. Mit den beim OLG auf Grund einer Rechtsbeschwerde oder eines Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde anhängigen Verfahren wird ebenso verfahren, wie dieser Beschluss zeigt. Die Einstellung des Verfahrens gemäß § 47 Abs. 2 OWiG sei auch im Zulassungsverfahren möglich und jedenfalls dann geboten, wenn eine Grundrechtsverletzung gerügt wird und deshalb eine Verfassungsbeschwerde hinreichende Aussicht auf Erfolg hätte.

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 28.08.2019 – Ss RS 26/2019 (46/19 OWi)

In der Bußgeldsache

gegen …, geboren am … in …
wohnhaft …

w e g e n Verkehrsordnungswidrigkeit

Verteidigerin: Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Bous

hat der Bußgeldsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken am 28. August 2019 gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG durch den Richter am Oberlandesgericht Wiesen als Einzelrichter mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung der Verteidigerin

b e s c h l o s s e n:

1 . Das Verfahren wird gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 OWiG e i n g e s t e l l t.

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Landeskasse.

Gründe:

I.

Mit Urteil vom 7. Februar 2019 hat das Amtsgericht St. Ingbert gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 21 km/h eine Geldbuße in Höhe von 150,– € festgesetzt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem form- und fristgerecht angebrachten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der seine Verteidigerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Unter anderem macht die Verteidigerin geltend, die Verwertung des Messergebnisses verletze den Betroffenen in seinem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK, da das bei der Geschwindigkeitsmessung verwendete Messgerät TraffiStar S350 der Firma Jenoptik sämtliche Rohmessdaten lösche und damit eine Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung durch die Verteidigung unmöglich mache.

II.

Der zulässige Rechtsbehelf führt zur Einstellung des Verfahrens, da eine Ahndung der dem Betroffenen zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit nicht geboten ist.

1. Die nach § 47 Abs. 2 OWiG in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch im Verfahren über die Rechtsbeschwerde (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 17. Aufl., § 47 Rn. 41 m.w.N.) bzw. im Verfahren über deren Zulassung (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 8. Dezember 2008 – Ss (Z) 223/2008 (92/08) -, 25. Januar 2018 – Ss Bs 111/2017 (76/17 OWi) – und vom 16. August 2019 – Ss Rs 20/2018 (69/18 OWi) -; KK-OWiG/Mitsch, 5. Aufl., § 47 Rn. 24, jew. m.w.N) zulässige Einstellung des Verfahrens ist jedenfalls dann geboten, wenn mit der Rechtsbeschwerde die Verletzung von Grundrechten gerügt wird und diese Rüge mit einer Verfassungsbeschwerde hinreichende Aussicht auf Erfolg hätte (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, a. a. O., § 47 Rn. 41; vgl. auch BayObLG NZV 1996, 44 f.). § 47 Abs. 2 OWiG gibt den Fachgerichten in einem solchen Fall die Möglichkeit, aus prozesswirtschaftlichen Gründen korrigierend einzugreifen, um weitere Verfahren vor einem Verfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu vermeiden (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, a. a. O.).

2. Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat mit Urteil vom 5. Juli 2019 (Az.: Lv 7/17) auf die Verfassungsbeschwerde eines Betroffenen hin in einem gleich gelagerten Fall den Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2017 (Ss Rs 22/2017 (40/17 OWi) und das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 28. März 2017 (22 OWi 859/16) aufgehoben, da diese Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten auf ein faires Verfahren aus Art. 60 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 SVerf und auf wirksame Verteidigung aus Art. 14 Abs. 3 SVerf verletzten. Zur Begründung hat der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Geschwindigkeitsmessung mit dem Geschwindigkeitsmessgerät TraffiStar S350 der Firma Jenoptik zwar ein standardisiertes Messverfahren darstelle und die in einem solchen Verfahren gewonnen Ergebnisse daher einer Verurteilung grundsätzlich als tragend zugrunde gelegt werden könnten. Davon unberührt bleibe aber die Beachtung der verfahrensrechtlichen Grundrechte. Fehle es – wie bei dem Geschwindigkeitsmessgerät TraffiStar S350 der Firma Jenoptik, das Rohmessdaten, ohne dass es hierfür zwingende Gründe gebe, nicht speichere und daher nicht erlaube, “das Ergebnis eines Messvorgangs nachzuvollziehen” – an Rohmessdaten für den konkreten Messvorgang, so fehle es an einem fairen rechtsstaatlichen Verfahren, wenn sich ein Betroffener- selbst ohne nähere Begründung gegen das Messergebnis wende und ein Fehlen von Rohmessdaten rüge. Zudem hat der Verfassungsgerichtshof in dem vorgenannten Urteil darauf hingewiesen, dass er in gleich gelagerten Fällen von seiner Entscheidung abweichende Entscheidungen saarländischer Instanzgerichte korrigieren werde. Da der dem Betroffenen im vorliegenden Fall zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung ebenfalls eine Geschwindigkeitsmessung mit dem Geschwindigkeitsmessgerät TraffiStar S350 der Firma Jenoptik zugrunde liegt und er sich unter anderem mit der Behauptung, das Messgerät lösche sämtliche Rohmessdaten, gegen das Messergebnis wendet, unterliegt es deshalb keinem Zweifel, dass im Falle der Erfolglosigkeit des Zulassungsantrags oder der Rechtsbeschwerde eine Verfassungsbeschwerde des Betroffenen zum Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hinreichende Aussicht auf Erfolg hätte.

Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen beruht auf § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Vielen Dank an Frau Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Bous, für die Zusendung der Entscheidung.