Man könnte meinen, in den letzten Wochen sei die Rechtsprechung zur Einsicht in digitale Messdaten eher rück- als fortschrittlich oder die Amtsgerichte machen sich den Beschluss des OLG Frankfurt zu Messreihe und Lebensakte allmählich zu Eigen. Nach der Entscheidung des AG Bad Hersfeld, das Anträge nach § 62 OWiG in diesem Zusammenhang für unzulässig hält, nun ein Beschluss des AG Wittlich: Dieses hält einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem die Behörde zur Herausgabe der Messreihe verpflichtet werden soll, zwar für zulässig, aber unbegründet. Bei der Messreihe handele es sich nicht um ein Beweismittel im Verfahren gegen den Betroffenen. Es müsse auf das vorliegende Verfahren ausreichend tatsachenfundiert vorgetragen werden, warum die gesamte Messreihe benötigt werde und in Persönlichkeitsrechte Dritter eingegriffen werden solle – doch wenn die Verteidigung bereits Anhaltspunkte für Messfehler hätte, würde sie die Messreihe kaum benötigen (“Teufelskreis”). Dass die Messreihe nicht herausgegeben werden muss, ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 22.07.2015, auf den das AG verweist, auch wenn dies immer wieder behauptet wird: Das OLG Düsseldorf hat einen Einsichtsanspruch letztlich offengelassen, aber ausgeführt: Ebenso kommt im Bußgeldverfahren ein solches Einsichtsrecht hinsichtlich der Messdaten, die nur andere Verkehrsteilnehmer betreffen, in Betracht, um dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, auf breiterer Grundlage zu prüfen, ob tatsächlich im konkreten Fall ein standardisiertes Messverfahren ordnungsgemäß zur Anwendung gekommen ist und das Messgerät fehlerfrei funktioniert hat. Dieses Einsichtsrecht müsse aber (wie vorliegend) gegenüber der Behörde, nicht gegenüber dem Gericht geltend gemacht werden, woran die Rechtsbeschwerde in dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Verfahren gescheitert ist. Auch zur Lebensakte enthält der Beschluss des AG Wittlich nicht viel Neues: Wartungsunterlagen würden zu dem Messgerät nicht geführt und die Polizei sei dazu auch nicht gemäß § 31 MessEG verpflichtet (AG Wittlich, Beschluss vom 16.03.2017 – 36 OWi 7/17).

Der Antrag der Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Antrags auf gerichtliche Entscheidung werden der Betroffenen auferlegt.

Gründe:

I.

Mit Schreiben vom 16.02.2017 beantragte die Verteidigerin der Betroffenen gerichtliche Entscheidung um Herausgabe der digitalen Falldatensätze inklusive unverschlüsselter Rohmessdaten der gesamten Messreihe, die Statistikdatei zur Messserie sowie die Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweise des Messgerätes seit der ersten Inbetriebnahme.

II.

Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, aber unbegründet.

Die Bußgeldstelle hat mit Vorlage der Unterlagen, zuletzt am 01.02.2017 das Akteneinsichtsrecht der Betroffenen ausreichend und vollständig erfüllt. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs oder ein Verstoß gegen Art 6 EMRK ist damit nicht gegeben.

Wenn die Verteidigerin neben der Vorlage der digitalisierten Falldatei der konkreten Messung des Betroffenen auch noch die digitalisierte Falldatei der kompletten Messreihe begehrt, kann dem nicht gefolgt werden. Denn Beweismittel für den vorgeworfenen Verkehrsverstoß ist ausschließlich das Messbild des Betroffenen und dessen Messdaten und nicht die digitalisierte Falldatei der kompletten Messreihe (vgl. OLG Frankfurt, DAR 2016, 713; OLG Düsseldorf NZV 2016, 140). Die Verteidigerin der Betroffenen hat im Übrigen auch nicht auf das vorliegenden Verfahren ausreichend tatsachenfundiert vorgetragen, warum sie die gesamte Messreihe benötige und dabei in grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrechte Dritter eingreifen möchte (vgl. OLG Frankfurt, DAR 2016, 713).

Soweit die Bußgeldstelle die Vorlage einer “Geräte-/Lebensakte” des Messgerätes und von Rechnungen, Wartungs-/Reparaturbelegen des Messgerätes, insbesondere seit der ersten Inbetriebnahme, zurückgewiesen hat, ist dies nicht zu beanstanden.

Wie aus einer Vielzahl von Gerichtsverfahren mit diesem Messgerät gerichtsbekannt ist, existiert für dieses Messgerät keine sogenannte “Geräte-/Lebensakte”. Entgegen der Ansicht des Betroffenen besteht auch für dieses geeichte Messgerät keine gesetzliche Vorschrift eine solche “Lebensakte” zu führen oder eine Aufbewahrungspflicht des Verwenders für Reparaturen und Wartungen (vgl. OLG Frankfurt DAR 2016, 713).

Der Eichschein des Messgerätes vom 30.11.2016 wurde ebenfalls vorgelegt. Für das Vorlegen früherer Eichscheine besteht kein Erfordernis.

Eine Statistikdatei kann nicht vorgelegt werden, da diese nicht vorhanden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 62 Abs. 2 OWiG, 473 StPO.