Hier hat das AG Bad Hersfeld einen Antrag der Verteidigung gemäß § 62 OWiG, die Verwaltungsbehörde zu verpflichten, u. a. die Messreihe sowie Wartungsunterlagen des Messgeräts herauszugeben, als unzulässig verworfen (Beschluss vom 22.02.2017 – 74 OWi 8/17). Es handele sich bei der Nichtherausgabe um eine Maßnahme zur Vorbereitung der Hauptsacheentscheidung (Bußgeldbescheid) ohne eigenständige Bedeutung. Entscheidend sei der Einspruch, der zu einer Verhandlung in der Hauptsache führe. Den Umfang der Beweisaufnahme müsse das Gericht im späteren Verfahren von Amts wegen und unter Beachtung auch von Beweisanträgen der Verteidigung bestimmen, so dass die Anträge in der Hauptverhandlung erneut gestellt werden könnten. Das passt jedoch nicht zur Rechtsprechung des zuständigen OLG Frankfurt. Denn dieses hat – unabhängig davon, dass die Einsicht in ganze Messreihen regelmäßig nicht möglich sein soll – ausgeführt, dass die Einsicht in digitale Messdaten keine Frage der Akteneinsicht bei Gericht, sondern vor der Hauptverhandlung bei der Verwaltungsbehörde zu beantragen sei und dazu auch – bei Uneinigkeit über Umfang oder Art und Weise der Einsicht – der Rechtsbehelf des § 62 OWiG zur Verfügung stünde. Letzteres wurde bislang von der Rechtsprechung auch nicht ernsthaft bestritten. In der Hauptverhandlung hingegen könnten Anträge auf Herausgabe der Messdaten, so das OLG Frankfurt, durch das Gericht abgelehnt werden, solange sie nicht mit Anhaltspunkten für Messfehler gestützt werden. Wenn nun aber einzelne Amtsgerichte auch den Weg nach § 62 OWiG verschließen, kann dies leicht dazu führen, dass Entscheidungen der Verwaltungsbehörden über die Herausgabe digitaler Messdaten generell nicht überprüft oder nachgeholt werden könnten, ähnlich wie derzeit in Bayern.

Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung vom 08.02.2017 wird als unzulässig kostenpflichtig verworfen.

Gründe:

In der vorgenannten Bußgeldsache ermittelt das Regierungspräsidium Kassel gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 21 km/h. Bußgeldbescheid wurde.am 30.12.2016 erlassen.

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens hatte sich der Verteidiger des Betroffenen gemeldet und die Übersendung von Digitalen Falldatensätzen inklusive unverschlüsselter Rohmessdaten etc. verlangt. Dem Verteidiger wurde bereits zuvor auf seinen Antrag Akteneinsicht gewährt.

Mit Schriftsatz vom 08.02.2017 beantragte der Verteidiger gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG. Die Akte ging beim Amtsgericht Bad Hersfeld am 17.02.2017 ein.

Der Antrag des Verteidigers auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch aus mehreren Gründen unzulässig und deshalb zurückzuweisen.

Nach § 62 Abs. 1 OWiG kann der Betroffene gegen Maßnahmen der Verwaltungsbehörde gerichtliche Entscheidung beantragen.

Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 OWiG gilt das aber nicht für Maßnahmen, die nur zur Vorbereitung der Hauptsachenentscheidung dienen und keine selbstständige Bedeutung haben. So liegt der Fall hier. Die Entscheidung der Bußgeldbehörde, von der Übersendung der Messreihe an den Sachverständigen des Betroffenen abzusehen, begründet keine eigene selbstständige, rechtliche Bedeutung.

Das Regierungspräsidium Kassel hat die Ermittlungen für abgeschlossen erachtet und den entsprechenden Bußgeldbescheid am 30.12.2016 erlassen. Eigene rechtliche Wirkung entfaltet erst dieser Bußgeldbescheid, da er als Vollstreckungsgrundlage dienen kann.

Als weiterer Grund der Unzulässigkeit dieses Antrages kommt hinzu, dass der vom Betroffenen eingelegte Einspruch grundsätzlich vorgreiflich ist, da er zur Verhandlung über die Hauptsache führt.

Über den Umfang der Beweisaufnahme, insbesondere auf welche Beweismittel sich diese Beweisaufnahme erstrecken wird, bestimmt nach § 77 Abs. 1 OWiG das Gericht der Hauptsache nach pflichtgemäßem Ermessen.

Es ist deshalb die Aufgabe des Tatrichters im Hauptsacheverfahren, den Umfang der Beweisaufnahme festzulegen, wobei der Verteidigung (im Grundsatz auch der StA) das Beweisantragsrecht zusteht und vom Gericht zu beachten ist.

Würde man es dagegen als zulässig erachten, im Wege des Verfahrens der gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG weitere Beweismittel in das Verfahren hineinzubringen, so würden dies das Gericht der Hauptsache in unzulässiger Weise festlegen, da der Umfang der Beweisaufnahme damit bereits im Vorhinein bestimmt würde. Das Gericht der Hauptsache wird über diese Anträge zu entscheiden haben, sofern sie gestellt werden.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war deshalb als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG, 273 Abs. 1 StPO. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§§ 52, 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG).