Vorliegend hat der Verteidiger nicht, wie üblich, die Herausgabe des digitalen Falldatensatzes beantragt, sondern eines Ausdrucks der XML-Datei. Denn bei Geschwindigkeitsmessungen mittels PoliScan Speed sind technische Daten zur Messung – unter anderem auch der Messbereich – in einer XML-Datei abgelegt, welche sich wiederum in dem Falldatensatz befindet, der sich nur mit der Auswertesoftware des Geräteherstellers (sowie Token-Datei und Passwort) öffnen lässt. Lässt sich der Verteidiger aber die XML-Datei übermitteln, benötigt er keine Spezialsoftware, da die XML-Datei auf jedem Computer als Textdatei geöffnet werden kann, allerdings kann die Echtheit der Daten so nicht festgestellt werden (siehe dazu auch hier). Während also bislang die meisten Gerichte angenommen haben, dass die Messdaten nur in der Form, wie sie der Behörde vorliegen, herauszugeben sind, die Umwandlung in ein lesbares Format aber nicht verlangt werden kann, sehen dies nun das AG Andernach und das AG Bad Hersfeld anders.

AG Bad Hersfeld, Beschluss vom 26.10.2017 – 70 OWi 56/17

Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung auf Vorlage der XML-Datei wird

ist begründet.

Das Regierungspräsidium Kassel wird angewiesen einen Ausdruck der XML-Falldatei zur Akte zu nehmen und dem Betroffenen zur Verfügung zu stellen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:

In der vorbezeichneten Bußgeldsache hat das Regierungspräsidium Kassel wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 21 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid 17.08.2017 erlassen und eine Geldbuße von 70,- Euro festgesetzt.

Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 04.09.2017 einen Antrag nach § 62 OWiG auf gerichtliche Entscheidung und Beweismittelvervollständigung gestellt. Er begehrt die Herausgabe der abgedruckten XML-Falldatei zur vorliegenden Messung.

Mit Schreiben vom 21.09.2017 hat das Regierungspräsidium Kassel die Beweismittelvervollständigung abgelehnt.

Insoweit hat auch das OLG FfM mit Beschluss vom 26.08.2016 – 2 Ss OWI 589/16 entschieden, dass dem Betroffenen grundsätzlich das Recht zur Einsicht in die digitale Falldatei, mithin in die konkrete Messung – nicht in die vollständige Messreihe – , zusteht.

Hieraus folgt letztlich, dass dem Betroffenen auf Antrag die streitgegenständige XML-Datei zur Verfügung gestellt werden muss. Die Verwaltungsbehörde kann dem Antrag dadurch entsprechen, dass sie einen Ausdruck der ausgewerteten XML-Datei zur Akte nimmt und dem Verteidiger bzw. dem Betroffen zur Verfügung stellt.

Dass dieses Recht auf Beweismittelvervollständigung durch das Regierungspräsidium Kassel als “Herrin der Falldatei” nicht gewährt worden ist, stellt eine Verstoß gegen das rechtliche Gehör da, weil nur hierdurch dem Betroffenen die Möglichkeit der Geltendmachung von konkreten Anknüpfungspunkten zur eventuellen Fehlerhaftigkeit der Messung gegenüber dem Gericht eröffnet wird.

Das Regierungspräsidium Kassel war deshalb auf Antrag durch gerichtliche Entscheidung hierzu zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.

Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 62 Abs. 2 S. 2 OWiG.

Vielen Dank an Herrn Rechtsanwalt Oliver Knapp, Oberursel (Taunus), für die Übersendung dieser Entscheidung.