Der Beklagte zu 1) fuhr hinter einem anderen Fahrzeug auf die Autobahn auf und wechselte auf den linken Fahrstreifen, um dieses zu überholen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt in diesem Bereich 80 km/h. Von hinten näherte sich der mit 1,18 ‰ alkoholisierte Kläger mit seinem Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 130 – 154 km/h. Es kam zum Auffahrunfall, wobei streitig ist, wo sich das Fahrzeug des Klägers beim Fahrstreifenwechsel des Beklagten zu 1) befand und ob dieser das Fahrzeug des Klägers zu diesem Zeitpunkt sehen konnte. Das LG Saarbrücken meint, auf Grund des unstreitigen Fahrstreifenwechsel des Beklagten zu 1) komme gegen den Kläger kein Anscheinsbeweis wegen Auffahrens zur Anwendung. Dennoch habe er auf Grund seiner Alkoholisierung und der Geschwindigkeitsüberschreitung allein für den Zusammenstoß zu haften (LG Saarbrücken, Urteil vom 22.04.2016 – 16 O 270/14).

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 28.05.2014 gegen 17:50 Uhr auf der A … bei der Anschlussstelle V in Fahrtrichtung S ereignete.

Der Kläger war Halter und Fahrer eines Fahrzeugs des Typs Mercedes 216 CDI. Der Beklagte zu 1) war Halter und Fahrer des unfallgegnerischen Fahrzeugs, einem Opel Corsa mit dem amtlichen Kennzeichen …; die Beklagte zu 2) ist die Kfz-Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1 ).

Am 28.05.2014 befuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug die A … in Höhe der Auffahrt V zusammen mit den Zeugen X und Y. Der Zeuge X befand sich auf dem Beifahrersitz und der Zeuge Y in der Mitte zwischen dem Kläger und dem Zeugen X auf dem Boden, wobei das Fahrzeug nur über zwei Sitze im vorderen Bereich verfügte. Der Kläger befuhr die linke von zwei Fahrspuren. Zu diesem Zeitpunkt war er stark alkoholisiert (gemessene Blutalkoholkonzentration von 1,18 ‰). An der Unfallstelle betrug die zulässige Höchstgeschwindigkeit 80 km/h. Die Geschwindigkeit des auf der Überholspur fahrenden klägerischen Fahrzeugs ist zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte zu 1) fuhr hinter dem Zeugen Z in V auf die A … auf; beide befuhren den rechten Fahrstreifen. Der Beklagte zu 1) wechselte sodann auf die linke Fahrspur, um das Fahrzeug des Zeugen Z zu überholen. Zwischen den Parteien ist streitig, wo sich das klägerische Fahrzeug zu dem Zeitpunkt des Spurwechsels befand. Zwischen den Parteien ist des Weiteren streitig, ob der Beklagte zu 1) das klägerische Fahrzeug bereits sehen konnte, als er die Fahrspur wechselte. Schließlich ist zwischen den Parteien streitig, ob und wie lange sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) bereits auf der linken Fahrspur befand, als es schließlich zwischen beiden Fahrzeugen zur Kollision kam. Jedenfalls kam es zwischen beiden Fahrzeugen zur Kollision, wobei das klägerische Fahrzeug mit der linksseitigen Mittelschutzplanke kollidierte sowie mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1), welches auf den rechten Fahrstreifen geschleudert wurde, wo es mit der rechtseitigen Schutzplanke sowie mit dem Fahrzeug des Zeugen Z kollidierte. Das von dem Kläger geführte Fahrzeug kippte aufgrund der Kollision auf die Fahrerseite, rutschte über die Fahrbahn und kollidierte erneut mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1).

Das Fahrzeug des Klägers erlitt einen wirtschaftlichen Totalschaden; der Kläger beziffert den ihm entstandenen Schaden inklusive Sachverständigenkosten, Nutzungsausfall und Auslagenpauschale auf 5.267,06 €. Der Kläger erlitt durch den Unfall weiterhin schwere multiple Verletzungen und musste zunächst drei Tage stationär im C-Klinikum behandelt werden. Anschließend wurde die Behandlung des Klägers ambulant fortgesetzt. Der Kläger war über einen Zeitraum von sechs Wochen arbeitsunfähig. Die Folgen des Unfalls waren auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht vollkommen ausgeheilt. Ihm sind Behandlungskosten in Höhe von 1.004,00 € entstanden sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.029,35 €.

Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1) habe unmittelbar vor dem klägerischen Fahrzeug, ohne den Blinker zu setzen von dem rechten auf den linken Fahrstreifen gewechselt. Der Kläger habe trotz einer sofort eingeleiteten Vollbremsung eine Kollision nicht mehr verhindern können. Der Beklagte zu 1) habe sich zum Zeitpunkt der Kollision noch nicht auf der linken Spur befunden, sondern sei noch im Spurwechsel begriffen gewesen. Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte zu 1) habe einen groben Verstoß gegen § 18 Abs. 3 StVO begangen, während gegen ihn, den Kläger, kein Anscheinsbeweis wegen des Unfalls eingreife. Seine Alkoholisierung habe sich bei dem Unfall nicht ausgewirkt und müsse daher unberücksichtigt bleiben. Der Kläger beantragt,

1.) die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 6271,51 € nebst 5% über dem Basiszinssatz liegender Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit sowie

2.) festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen aus der Unfallverletzung vom 28.05.2014 resultierenden materiellen und immateriellen Schaden zu erstatten, soweit nicht Forderungsübergang auf einen SLT erfolgt ist,

3.) vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten in Höhe von 1029,35 €, nebst 5% über dem Basiszinssatz liegender Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) behauptet, er sei mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h gefahren. Vor dem Spurwechsel habe er sich zunächst vergewissert, dass kein Verkehr von hinten kommt. Danach habe er den Blinker nach links gesetzt und erst dann die Fahrspur gewechselt. Das klägerische Fahrzeug habe er vor der Kollision nicht sehen können, da es sich noch nicht soweit genähert habe, dass es sichtbar gewesen sei. Er, der Beklagte zu 1), habe sich bereits geraume Zeit auf der linken Fahrspur befunden, als sich der Kläger mit weit überhöhter Geschwindigkeit genähert habe und ungebremst auf das Fahrzeug des Beklagten zu 1) aufgefahren sei. Er vertritt die Ansicht, es liege ein typischer Auffahrunfall vor, so dass das alleinige Verschulden des Klägers vermutet werde. Der Unfall sei allein auf die weit überhöhte Geschwindigkeit des Klägers sowie dessen Alkoholisierung zurückzuführen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 08.05.2015 und 01.04.2016 Bezug genommen.

Das Gericht hat die Parteien informatorisch angehört und Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen, die Beiziehung der Akte der Staatsanwaltschaft Saarbrücken, Aktenzeichen 63 Js 1064/14 sowie durch die Einholung eines verkehrstechnischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das rekonstruktive Sachverständigengutachten von Dr. P. vom 08.01.2016 (Bl. 148 ff. d. A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere hat der Kläger gegen die Beklagten keine Ansprüche aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 18 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 823 Abs. 1 und 823 Abs. 2 BGB.

1.

Zwar haften die Beklagten grundsätzlich für die bei dem Unfallereignis entstandenen Schäden des Klägers. Denn der Unfall hat sich bei dem Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) ereignet. Die Haftung ist auch nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, da sich der Unfall nicht aufgrund höherer Gewalt im Sinne dieser Vorschrift ereignet hat.

2.

Allerdings hat sich der Unfall auch bei dem Betrieb des klägerischen Fahrzeugs ereignet. Auch für den Kläger ist die Haftung nicht nach § 7 Abs. 2 StVG aufgrund höherer Gewalt ausgeschlossen. Für den Kläger beruht der Unfall nämlich nicht auf höherer Gewalt im Sinne dieser Vorschrift.

3.

Im Verhältnis beider Fahrzeughalter untereinander hängt gem. § 17 Abs. 1 StVG die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Schadensersatzes von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der Abwägung der beiden Verursachungsbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgeblichen Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, das heißt unstreitig sein, zugestanden sein oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deshalb außer Betracht zu bleiben (so saarländisches OLG, Urteil vom 12.03.2015, 4 U 187/13, MDR 2015, 647).

Im vorliegenden Fall führt die vorzunehmende Abwägung der Verursachungsanteile dazu, dass der Kläger seinen Schaden im Verhältnis zu den Beklagten alleine zu tragen hat. Die Haftung der Beklagten tritt demgegenüber vollständig zurück. Denn dem Kläger sind mehrere schwere Sorgfaltsverstöße zur Last zu legen. Demgegenüber sind Sorgfaltspflichtverletzungen des Beklagten zu 1) nicht bewiesen. Die den Beklagten zu 1) treffende Gefährdungshaftung tritt jedoch gegenüber dem schweren Verschulden des Klägers vollständig zurück.

Im Einzelnen:

a)

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger als Fahrer seines Fahrzeuges stark alkoholisiert gefahren ist. Die gemessene Blutalkoholkonzentration des Klägers betrug 1,18 ‰. Dieser Alkoholkonsum des Klägers hat sich auch ersichtlich ursächlich ausgewirkt. Denn der Kläger ist von der Wirkung seines Alkoholkonsums offensichtlich enthemmt und aggressiv und zudem mit drastisch überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Die drastische Geschwindigkeitsüberschreitung hält das Gericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme für bewiesen. Insbesondere aus dem unfallrekonstruktiven Sachverständigengutachten Dr. P. ergibt sich, dass der Kläger statt der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h mit einer Geschwindigkeit von 130 – 154 km/h gefahren ist. Wegen der Einzelheiten der Geschwindigkeitsüberschreitung wird auf die Ausführungen unter b) Bezug genommen.

Die Tatsache, dass der Alkoholkonsum des Klägers sich ursächlich ausgewirkt hat, ergibt sich indes nicht nur aus der erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung. Der Kläger ist vielmehr durch die Wirkung seines Alkoholkonsums auch enthemmt gewesen. Das sonst vorhandene Gefahrenbewusstsein wurde durch den übermäßigen Alkoholkonsum ausgeschaltet. Dies ergibt sich aus der Aussage des am Unfallgeschehen unbeteiligten und daher neutralen Zeugen A, der in der mündlichen Verhandlung zur vollen Überzeugung des Gerichts deutlich gemacht hat, dass der Kläger sich enthemmt der Autobahnauffahrt genähert hat und aus seiner Sicht zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen wäre, auf andere Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen. Die rücksichtslose Fahrweise des Klägers – trotz einer erkennbaren Gefahrenstelle aufgrund der kurzen Autobahnauffahrt – führte nach der Aussage des Zeugen dazu, dass dieser eine Kollision als geradezu zwangsläufig vorausgesehen hat (vgl. Bl. 4 des Sitzungsprotokolls und Bl. 92 d. A.).

b)

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme hält es das erkennende Gericht darüber hinaus für bewiesen, dass der Kläger mit stark überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Der Sachverständige Dr. P. führt in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten hierzu wörtlich folgendes aus:

“Unter Berücksichtigung der vorkollisionären Spurenzeichnung des klägerischen LKW ergibt sich nun eine wahrscheinliche Ausgangsgeschwindigkeit des klägerischen LKW von ca. 130-154 km/h.”

Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf das Sachverständigengutachten Dr. P. vom 08.01.2016 Seite 30, Bl. 178 d.A.

Damit hat der Kläger die an der Unfallstelle zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 62,5 % – 92,5 % überschritten.

Diese drastisch überhöhte Geschwindigkeit des Klägers hat sich auch ursächlich ausgewirkt. Auf Blatt 31 seines Gutachtens führt der Sachverständige Dr. P. aus, dass der Unfall für das Klägerfahrzeug vermeidbar gewesen wäre, wenn dieser die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten hätte.

Wörtlich erklärt der Sachverständige hierzu folgendes:

“Sachverständigerseits ist derzeit davon auszugehen, dass die Kollisionsgeschwindigkeit des PKW des Beklagten etwa 64-85 km/h betragen hat. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit an der Unfallörtlichkeit beträgt nach diesseitiger Kenntnis 80 km/h. Wenn nun davon ausgegangen wird, dass sich das Fahrzeug des Klägers mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h genähert hat, ist in jedem Fall von einer Vermeidbarkeit auszugehen. Wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h durch das klägerische Fahrzeug überschritten, ist dann allerdings ebenfalls von einer räumlichen Vermeidbarkeit durch Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auszugehen. Aus technischer Sicht ist somit von einer Vermeidbarkeit des Unfallgeschehens aus der Sicht des klägerischen Lkw auszugehen.”

Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf das Sachverständigengutachten Dr. P. vom 08.01.2016 Seite 31, Bl. 179 d.A.

c)

Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich aus dem unstreitigen Spurwechsel des Beklagten zu 1) vor der Kollision keine Haftungsverschiebung zugunsten des Klägers herleiten. Denn zur Überzeugung des Gerichts ist es dem diesbezüglich darlegungs- und beweisbelasteten Kläger nicht gelungen, ein Fehlverhalten des Beklagten zu 1) gemäß den §§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 5, 18 Abs. 3 StVO nachzuweisen. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass grundsätzlich ein Anscheinsbeweis zulasten des die Fahrspur wechselnden Fahrers eingreift, wenn es unmittelbar danach zu einem Unfall kommt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 13. 05. 2009 – 13 U 1 06/08). Allerdings ist der Kläger dafür beweisbelastet, dass der Unfall in zeitlichem Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel stattgefunden hat. Das Sachverständigengutachten hat hier aber gerade nicht zweifelsfrei ergeben, dass der Beklagte zu 1) unmittelbar vor der Kollision die Spur gewechselt hat. Der Sachverständige Dr. P. führt auf Seite 31 seines Gutachtens nämlich aus, dass es auch denkbar sei, dass der Spurwechsel zeitlich wesentlich früher erfolgt ist. Wörtlich erklärt. der Sachverständige Dr. P. hierzu folgendes:

“Im Hinblick darauf ist es auch grundsätzlich denkbar, dass der Spurwechsel zeitlich wesentlich früher erfolgt war, wobei eine Maximalzeit letztendlich nicht angegeben werden kann. Die Entfernung vom Ende der Auffahrt V bis zum Bereich der ersten Spuren ergibt sich mit 240 m. Im Hinblick darauf ist es grundsätzlich auch möglich, dass der Spurwechsel örtlich und zeitlich wesentlich früher erfolgt war. Bei einem früheren Spurwechsel wäre davon auszugehen, dass die Entfernung beider Fahrzeuge höher war als der angegebene Bereich von 35-66 m.”

Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf das Sachverständigengutachten Dr. P. vom 08.01.2016 Seite 31, Bl. 179 d.A.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Aussagen der Zeugen Y und X. Zwar haben diese beiden Zeugen übereinstimmend ausgesagt, dass der Beklagte zu 1) unmittelbar vor dem klägerischen Fahrzeug von der rechten Spur auf die linke Spur gewechselt hat und noch im Spurwechsel begriffen gewesen ist, als sich der Unfall ereignete. Es bestehen indes aus mehreren Gründen erhebliche Bedenken an der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen.

Zum einen waren beide Zeugen zum Zeitpunkt des Unfalls erheblich alkoholisiert. Der Zeuge Y wies eine BAK-Konzentration von 1,16 ‰ auf (vgl. Bl. 84 der Strafakte) und der Zeuge X eine BAK-Konzentration von 1,29 ‰ (vgl. Bl. 71 der Strafakte). In dem polizeilichen Einsatzbericht der PK B. (PI V) vom 29.05.2014 heißt es hierzu, dass der Zeuge X unter einer wahrnehmbaren Beeinflussung durch alkoholische Getränke stand (vgl. Bl. 25 der Strafakte). Weiterhin habe auch der Zeuge Y angegeben, dem Alkohol zugesprochen zu haben. Er habe Wein getrunken, aber keine Angaben zu der konsumierten Menge gemacht (vgl. Bl. 25 der Strafakte).

Zum zweiten haben sich beide Zeugen in dem parallel stattfinden Ermittlungsverfahren gegen den Kläger dahingehend einlassen, dass sie mit dem Kläger als Tramper mitgefahren seien, sich nicht gegenseitig kennen würden und ihnen auch der Kläger unbekannt sei; sachdienliche Angaben zum Unfallhergang konnten sie nach dem Unfall nicht machen (vgl. Bl. 21 der Strafakte). Sie wussten noch nicht einmal, wer am Steuer ihres Fahrzeuges gesessen hat. Nach Auffassung des Gerichts ist es daher nicht nachvollziehbar und widersprüchlich, dass die Zeugen nunmehr übereinstimmend und detailliert einen Unfallhergang schildern können, der ihnen unmittelbar nach dem Unfall unbekannt war. Der Zeuge X erklärte nämlich wörtlich gegenüber der Polizei, er habe einen “Blackout” und wisse nicht, wie er an die Unfallstelle gelangt sei und in welchem Fahrzeug er gesessen habe (vgl. Bl. 25 der Strafakte). Ferner verwundert es, dass sich der Zeuge Y, der sich nach eigenem Vortrag auf dem Boden des klägerischen Fahrzeugs zwischen dem Kläger und dem Zeugen X befand, in der mündlichen Verhandlung an den Unfallhergang präzise erinnern und diesen dezidiert beschreiben kann (vgl. hierzu Bl. 95 d. A. und Bl. 7 des Sitzungsprotokolls vom 08.05.2015). Darüber hinaus hat sich bei der Vernehmung der Zeugen ergeben, dass diese nicht als Tramper mit dem ihnen unbekannten Kläger unterwegs waren, sondern mit dem Kläger befreundet sind und vor der Fahrt gemeinsam Alkohol konsumiert haben. Die Angaben der Zeugen vor der Polizei und vor dem Landgericht sind deshalb in vielen Punkten widersprüchlich, so dass erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen bestehen.

Zum dritten haben beide Zeugen ausgesagt, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1) den Spurwechsel zum Zeitpunkt der Kollision noch nicht abgeschlossen hatte. Ihrer Aussage nach hat sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) bei der Kollision noch im Spurwechsel befunden. Aufgrund des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens hält es das erkennende Gericht für bewiesen, dass diese Aussage der beiden Zeugen falsch ist. Wörtlich hat der Sachverständige P. hierzu folgendes ausgeführt:

“Technisch ist allerdings nochmals darauf hinzuweisen, dass die objektiven Anknüpfungstatsachen darauf hindeuten, dass sich das Fahrzeug des Beklagten zum Zeitpunkt der Kollision bereits vollständig auf der linken Fahrspur befunden hat, so dass derzeit auch davon auszugehen ist, dass der Spurwechsel mit hoher Wahrscheinlichkeit vollständig abgeschlossen war.”

Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf Seite 31 des schriftlichen Sachverständigengutachtens Dr. P. vom 08.01.2016, Bl. 179 d.A.

Mithin konnte der insoweit beweisbelastete Kläger gerade nicht nachweisen, dass sich der streitgegenständliche Unfall in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zu dem früher durchgeführten Spurwechsel des Beklagten zu 1) ereignet hat. Schon gar nicht konnte der Kläger nachweisen, dass die Kollision ursächlich auf dem vorangegangenen Spurwechsel beruht.

d)

Auch eine sonstige Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) wurde von dem insoweit beweisbelasteten Kläger nicht nachgewiesen. Insbesondere steht nach der Würdigung des Gerichts nicht fest, dass der Beklagte zu 1) den Spurwechsel ohne vorheriges Blinken durchgeführt hat.

Zwar haben die Zeugen Y und X übereinstimmend ausgesagt, dass der Beklagte zu 1) vor dem Spurwechsel nicht geblinkt habe (vgl. Bl. 6 des Sitzungsprotokolls vom 08.05.2015, Bl. 93 d.A. sowie Bl. 8 des Sitzungsprotokolls, Bl. 96 d.A.). Diese Aussagen der beiden Zeugen sind jedoch nicht glaubhaft. Denn die Zeugen waren zum Zeitpunkt der Kollision stark alkoholisiert, ihre Aussagen vor dem hiesigen Gericht stehen in eklatantem Widerspruch zu ihren Einlassungen gegenüber der Polizei im Rahmen des Ermittlungsverfahrens und ihre Aussagen sind teilweise durch die Feststellungen des Sachverständigen widerlegt worden (vgl. insoweit c)).

e)

Die dem Beklagten zu 1) grundsätzlich zuzurechnende Betriebsgefahr des von ihm geführten Kraftfahrzeugs tritt vorliegend im Rahmen des § 17 Abs. 2 StVG hinter das Fehlverhalten des Klägers vollständig zurück. Zwar können sich die Beklagten nicht auf einen gegen den Kläger streitenden Anscheinsbeweis berufen, da ein Spurwechsel des Beklagten zu 1) unstreitig stattgefunden hat, auch wenn der weitere Unfallhergang nicht zweifelsfrei feststeht (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2011- VI ZR 177/10; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 7 StVO Rn. 25).

Die Beklagten können dem Kläger jedoch mit Erfolg entgegenhalten, dass dieser unter erheblichem Alkoholeinfluss und mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Wie oben dargelegt, steht nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. fest, dass der Kläger die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 62,5% bis 92,5% und damit ganz erheblich überschritten hat. Diese drastische Geschwindigkeitsüberschreitung fand auf einer stark befahrenen Autobahn unmittelbar vor einer gefährlich kurzen Auffahrt statt. Ferner hätte der Unfall nach Ansicht des erkennenden Gerichts unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. P. bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit trotz eines unterstellten Spurwechsels durch den Beklagten zu 1) vermieden werden können (vgl. Bl. 31 d. Sachverständigengutachtens). Aufgrund dieser Feststellungen erscheint es aus Sicht des erkennenden Gericht gerechtfertigt, eine Alleinhaftung des Klägers anzunehmen und die allgemeine Betriebsgefahr des Beklagten zu 1) hinter dem erheblichen Verschulden des Klägers zurücktreten zu lassen (so auch LG Limburg, Urteil vom 07.01.1998 – 1 O 528/96; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 8 StVO Rn. 71a).

Nach alledem war die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.