Mit dem BayVerfGH äußert sich ein weiteres Landesverfassungsgericht zu Fragen der Einsicht in Unterlagen und Daten von Geschwindigkeitsmessungen. Ähnlich wie bei einem BVerfG-Verfahren aus 2021 – dort war der Betroffene allerdings zunächst unverteidigt – beantragte der führere Verteidiger der Beschwerdeführerin keine Akteneinsicht oder Einsicht in Messdaten, sondern stellte im gerichtlichen Verfahren zunächst eine Einspruchsrücknahme in Aussicht, woraufhin die Beschwerdeführerin sich an eine andere Verteidigerin wandte. Die Überlassung verschiedener, nicht bei der Akte befindlicher Messdaten wurde dann im gerichtlichen Verfahren beantragt, was sowohl beim Amts-, Land- und Obersten Landesgericht ohne Erfolg blieb. Der BayVerfGH sah die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf den Grundsatz der materiellen Subsidiarität insoweit als unzulässig an, da die Einsichtsgewährung nicht bereits vor der Verwaltungsbehörde und dort unter Ausnutzung des Rechtsbehelfs gemäß § 62 OWiG verfolgt worden sei. Dies sei auch nicht deshalb unzumutbar gewesen, weil die betreffenden Fachgerichte seinerzeit (2018) einen Einsichtsanspruch in ständiger Rechtsprechung verneint hätten. Auch müsse die Beschwerdeführerin sich das Verhalten ihres vormaligen Verteidigers zurechnen lassen. Es könne damit offenbleiben, ob die Bayerische Verfassung ein Recht auf ein faires Verfahren gewähre und aus diesem ein Recht auf Einsicht in nicht bei der Akte befindliche Beweismittel folge.

Hinsichtlich der Rüge der nicht erfolgten Übertragung des Rechtsbeschwerdeverfahrens auf den Senat gemäß § 80a Abs. 3 OWiG und der unterlassenen Vorlage (§ 121 Abs. 2 GVG) zum Bundesgerichtshof sei die Verfassungsbeschwerde zulässig, aber unbegründet: Zwar sei der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts rechtsfehlerhaft ergangen, im konkreten Fall aber nicht willkürlich gewesen.

BayVerfGH, Beschluss vom 13.01.2022 – Vf. 61-VI-19

Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Urteil des Amtsgerichts Würzburg vom 26. November 2018 Az. 206 OWi 952 Js 2768/18, mit dem die Beschwerdeführerin wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 36 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 360 € verurteilt worden war, sowie gegen den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 30. April 2019 Az. 202 ObOWi 505/19, mit dem auf die Rechtsbeschwerde der Beschwerdeführerin das Urteil des Amtsgerichts im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, die weitergehende Rechtsbeschwerde jedoch als unbegründet verworfen wurde. Im weiteren Verfahren wurde die Höhe der Geldbuße auf 120 € reduziert.

1. Mit Bußgeldbescheid vom 9. Januar 2018 verhängte die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt gegen die Beschwerdeführerin eine Geldbuße von 240 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 36 km/h. Dem Tatvorwurf lag zugrunde, dass am 15. Oktober 2017 um 15:54 Uhr die zulässige Höchstgeschwindigkeit an der Messstelle auf der Bundesautobahn A 7 in R. 80 km/h, die festgestellte Geschwindigkeit der Beschwerdeführerin (nach Abzug einer Messtoleranz von 4 km/h) 116 km/h betragen habe. Die Geschwindigkeitsmessung war mit einem mobilen Messgerät PoliScanSpeed durchgeführt worden.

Gegen den Bußgeldbescheid legte die Beschwerdeführerin mit Schreiben ihres vormaligen Bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. K. (im Folgenden: Verteidiger) vom 15. Januar 2018 Einspruch ein. Der Einspruch enthielt weder eine Begründung noch wurde Akteneinsicht oder Einsicht in andere Unterlagen beantragt.

2. a) Nach Vorlage der Akten an das Amtsgericht Würzburg durch die Staatsanwaltschaft Würzburg wies das Gericht mit Verfügung vom 14. Februar 2018 darauf hin, dass der Einspruch nach derzeitiger Aktenlage voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. Die im Bußgeldbescheid genannte Geschwindigkeit sei in einem standardisierten Messverfahren festgestellt worden, Messfehler seien nicht ersichtlich und an der Fahrereigenschaft bestünden nach den Lichtbildern in der Akte keine Zweifel; soweit bei der den Vorgaben des Bußgeldkatalogs entsprechenden Ahndung Eintragungen im Fahreignungsregister strafschärfend berücksichtigt worden seien, könne in der Hauptverhandlung gegebenenfalls aufgrund der vorhandenen drei Eintragungen eine nochmalige Erhöhung der Geldbuße erfolgen. Es wurde um Mitteilung gebeten, ob der Einspruch zurückgenommen werde bzw. darum, bei Aufrechterhaltung zur Vorbereitung der anzuberaumenden Hauptverhandlung zum Ziel des Einspruchs Stellung zu nehmen.

Der vormalige Verteidiger der Beschwerdeführerin nahm daraufhin Akteneinsicht und teilte dem Amtsgericht mit Schriftsatz vom 2. März 2018 mit, dass der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf die Überprüfung der Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung am 15. Oktober 2017 abziele. Er bat um Einsicht in verschiedene Unterlagen, da in der Akte das Messprotokoll, aus dem die verwendete Softwareversion sowie die Dokumentation der Tests des Messgeräts, vor allem der Displaytest, ersichtlich seien, fehlten; auch werde Einsicht in die Bedienungsanleitung des Messgeräts benötigt und um Übermittlung des vollständigen Messfilms auf einem Datenträger gebeten. Das Amtsgericht übersandte ihm die Gebrauchsanweisung des Messgeräts zur Ansicht und wies darauf hin, dass sich das Messprotokoll mit den vermissten Inhalten bereits in der Akte befinde; gemäß der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg bestehe nach derzeitigem Stand kein Recht auf Übersendung der Messdaten.

Nach nochmaliger Akteneinsicht durch den vormaligen Verteidiger bestimmte das Amtsgericht am 3. April 2018 Termin zur Hauptverhandlung auf den 19. April 2018, zu dem auch der Messbeamte der Polizei als Zeuge geladen wurde. Daraufhin teilte der vormalige Verteidiger mit Schriftsätzen vom 5. und 11. April 2018 mit, dass seine Mandantin an diesem Tag verhindert sei, jedoch eine Rücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid infrage komme. Wegen des verhängten Fahrverbots und der Frist von vier Monaten gemäß Rechtsbehelfsbelehrung des Bußgeldbescheids wäre eine spätere Terminierung der Hauptverhandlung von Vorteil für die Beschwerdeführerin; es wäre sehr wünschenswert, wenn der Termin auf die zweite Augusthälfte verlegt werden könnte. In diesem Fall sei er beauftragt, spätestens in oder unmittelbar vor der Hauptverhandlung den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurückzunehmen; dies hätte für die Mandantin den Vorteil, dass sie das Fahrverbot erst zu einem für sie günstigen Zeitpunkt verbüßen müsste. Nach entsprechender Terminsverlegung auf den 30. August 2018 erklärte er mit weiterem Schriftsatz vom 20. April 2018, dass Zeugen nicht erforderlich seien und er in der nun anberaumten Hauptverhandlung persönlich erscheinen und den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurücknehmen werde.

b) Am 27. August 2018 teilte sodann die neue Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin (im Folgenden auch: Verteidigerin), die sie auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren vertritt, dem Amtsgericht mit, dass der bisherige Wahlverteidiger sein Mandat niederlegen und den Termin am 30. August 2018 nicht wahrnehmen werde. Sie sei nunmehr mit der Verteidigung der Beschwerdeführerin beauftragt und beantrage Aufhebung des Hauptverhandlungstermins und Gewährung von Akteneinsicht. Der vormalige Verteidiger zeigte am 28. August 2018 die Beendigung seines Mandats an. Der Hauptverhandlungstermin wurde vom Amtsgericht antragsgemäß auf den 24. September 2018 verlegt und Akteneinsicht bewilligt.

Mit Schriftsatz vom 4. September 2018 erklärte die Verteidigerin, zur Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung ein technisches Gutachten in Auftrag geben zu wollen, wofür sie verschiedene Messdaten benötige. Sie beantragte, ihr folgende Daten bzw. Unterlagen zur Verfügung zu stellen: „digitaler Falldatensatz der Betroffenen inklusive Rohmessdaten, restliche Falldatensätze der gesamten Messreihe, Token-Datei und Passwort, Statistikdatei mit Case-List sowie Gerätestammkarte zum Messgerät sowie Ausbildungsnachweise des Mess- und Auswertepersonals“. Der ausführlich begründete und mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen versehene Antrag wurde ausdrücklich an das Amtsgericht „als Herr des Verfahrens originär und in eigener Zuständigkeit“ gerichtet. „Nachdem das Verfahren nicht mehr bei der Behörde anhängig […] und eine ablehnende Entscheidung hinsichtlich des Einsichtsrechts durch die Verwaltungsbehörde nicht gegeben“ sei, stelle dies „keinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Sinn des § 62 Abs. 1 OWiG“ dar. Parallel beantragte die Verteidigerin mit Schreiben vom 3. September 2018 auch beim Bayerischen Polizeiverwaltungsamt – Zentrale Bußgeldstelle – die Übersendung von Kopien entsprechender Informationen und Dateien.

Das Amtsgericht wies mit Beschluss vom 6. September 2018 das Bayerische Polizeiverwaltungsamt an, der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Verteidigerin die „Lebensakte des verwendeten Messgeräts“ und den „Schulungsnachweis des Messbeamten“ zur Verfügung zu stellen; im Übrigen wies es den Antrag unter Bezugnahme auf mehrere Beschlüsse des Oberlandesgerichts Bamberg (vom 4.4.2016 Az. 3 Ss OWi 1444/15; vom 24.8.2017 Az. 3 Ss OWi 1162/17; vom 13.6.2018 Az. 3 Ss OWi 626/18) zurück, wonach ein Recht auf Übersendung der Messdaten nicht bestehe. Die dagegen eingelegte Beschwerde verwarf das Landgericht Würzburg mit Beschluss vom 24. September 2018 als unbegründet. Die Beschwerdeführerin habe nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die von ihr begehrten Daten bzw. Dokumente, welche sämtlich nicht Gegenstand der Verfahrensakte seien. Das erkennende Gericht werde in der Hauptverhandlung sorgfältig zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens im Sinn der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eingehalten wurden. Auch das Landgericht verwies auf die bereits vom Amtsgericht zitierten Beschlüsse des Oberlandesgerichts Bamberg vom 13. Juni 2018 und 4. April 2016. Eine Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin wies das Landgericht mit Beschluss vom 8. Oktober 2018 zurück.

c) In der schließlich am 26. November 2018 stattgefundenen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht wurden der Messbeamte als Zeuge vernommen, das Lichtbild der Beschwerdeführerin in der Akte in Augenschein genommen und (auszugsweise) das Messprotokoll, der Schulungsnachweis des Messbeamten, der Eichschein sowie die Gerätestammkarte des Messgeräts verlesen. Die Beschwerdeführerin räumte die Fahrereigenschaft ein. Beweisanträge der Verteidigung auf Einsichtnahme in die im Vorfeld nicht zur Verfügung gestellten Messdaten und -unterlagen, auf Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Auswertung und Überprüfung durch einen (eigenen) Sachverständigen und auf Einholung eines (gerichtlichen) Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die vorliegende Geschwindigkeitsmessung fehlerhaft gewesen sowie die Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt mit dem Pkw 80 km/h gefahren sei, wurden gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt. Mit dem angegriffenen Urteil des Amtsgerichts vom 26. November 2018 wurde die Beschwerdeführerin sodann der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 36 km/h für schuldig befunden und deswegen zu einer (aufgrund einschlägiger Voreintragungen im Fahreignungsregister gegenüber der Regelgeldbuße von 120 € erhöhten) Geldbuße von 360 € verurteilt. Von der Anordnung eines Fahrverbots sah das Gericht ab.

3. a) Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2018 legte die Verteidigerin Rechtsbeschwerde gegen das Urteil ein. Mit Schreiben vom 5. Januar 2019 wiederholte sie zudem (erfolglos) gegenüber dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt – Zentrale Bußgeldstelle – ihr Begehren auf Herausgabe der Messdaten und -unterlagen, da sie diese für die Rechtsbeschwerdebegründung benötige. In der Rechtsbeschwerdebegründung vom 30. Januar 2019 wurde die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt.

Die Verteidigerin berief sich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes (Beschluss vom 27. April 2018 NZV 2018, 275) und weitere Rechtsprechungs- und Literaturnachweise insbesondere darauf, dass der Grundsatz eines fairen gerichtlichen Verfahrens gebiete, einem im Bußgeldverfahren Betroffenen die unter Verwendung eines standardisierten Messverfahrens gewonnenen Messdaten, auch wenn diese sich nicht bei der Akte befänden, auf seinen Antrag hin in lesbarer Form herauszugeben, damit er die Plausibilität des Messergebnisses prüfen könne. Der Betroffene könne verlangen, dass ihm bzw. seinem Verteidiger alle Messdaten und -unterlagen, die von be- oder entlastender Bedeutung sein könnten, zur Verfügung gestellt würden. Da vorliegend die zu Recht begehrten Daten und Unterlagen zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung der Verteidigung trotz zahlreicher Anträge und Rechtsbehelfe nicht zur Verfügung gestanden hätten, hätte das Amtsgericht das Verfahren aussetzen müssen; sein ablehnender Beschluss stelle eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung dar und verletze die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf ein faires Verfahren. Auch sei ihr insoweit das rechtliche Gehör abgeschnitten worden. Die Einsicht in die begehrten Messdaten sei sowohl für eine technische Überprüfung der Messung erforderlich als auch zur Beurteilung der Frage, ob der Vorwurf zutreffend auf die unveränderten Messdaten des vermeintlich verwendeten Messgeräts gestützt worden sei. Unter Berücksichtigung der bei einem standardisierten Messverfahren geltenden, nur beschränkten Aufklärungspflichten des Gerichts, welche sich nicht auf die Auswertung der Messdaten erstreckten, sei ein Vortrag von Anhaltspunkten für Messfehler, falls sie in den Messdaten aufgefunden würden, durch den Betroffenen oder seinen Verteidiger der einzige Weg, diese ins Verfahren einzuführen.

Den vom Verfassungsgerichtshof des Saarlandes und verschiedenen Oberlandesgerichten aufgestellten Voraussetzungen für eine Einsichtnahme sei Rechnung getragen worden. Es sei bei der Verwaltungsbehörde erfolglos ein Einsichtsversuch unternommen und in der Hauptverhandlung ein Antrag auf Aussetzung sowie auf Entscheidung durch Gerichtsbeschluss gemäß § 238 Abs. 2 StPO gestellt worden. Darüber hinaus sei beim Amtsgericht bereits vor der Hauptverhandlung das Einsichtsgesuch wiederholt und gegen die ablehnende Entscheidung sogar Beschwerde eingelegt worden. Während des behördlichen Verfahrens sei der Beschwerdeführerin die Existenz von „Messdaten“ und die Möglichkeit zur Überprüfung der Richtigkeit der Messung nicht bekannt gewesen. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der vormalige Verteidiger bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde die Daten hätte anfordern müssen, könne ein etwaiges Versäumnis nicht der Beschwerdeführerin angelastet werden und wäre auch nicht kausal für die unterbliebene Einsichtnahme geworden, da das Bayerische Polizeiverwaltungsamt in Ordnungswidrigkeitenverfahren Messdaten grundsätzlich nicht ohne Aufforderung durch ein Gericht an Betroffene oder Verteidiger herausgebe. Auch ein – ebenfalls in die Zuständigkeit des Amtsgerichts Würzburg fallender – Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 Abs. 1 OWiG während des behördlichen Verfahrens hätte angesichts der ständigen Rechtsprechung dieses Amtsgerichts keinen Erfolg haben können und sei nicht zumutbar gewesen.

Die Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Messung verletze ebenfalls das Prozessrecht. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG sei nicht anwendbar gewesen, die Aufklärungspflicht hätte die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten. Es sei willkürlich, unfair und begründe einen Gehörsverstoß, wenn nach Nichtzugänglichmachung der Messdaten – in dieser Situation – ein solcher Beweisantrag unter Berufung auf das Vorliegen eines standardisierten Verfahrens abgelehnt werde.

Außerdem wurde gerügt, das Amtsgericht habe die Voreintragungen der Beschwerdeführerin mangels prozessordnungsgemäßer Einführung in die Hauptverhandlung nicht verwerten dürfen, sowie die Sachrüge erhoben.

Für den Fall einer Abweichung von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte oder des Bundesgerichtshofs wurde die Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V. m. § 121 Abs. 2 GVG beantragt und zur Begründung unter kurzer Erläuterung auf Entscheidungen der Oberlandesgerichte Oldenburg, Celle, Brandenburg und Karlsruhe hingewiesen, die sich mit nicht herausgegebenen Messdaten oder sonstigen Unterlagen zur Messung bzw. der Ablehnung damit in Zusammenhang stehender Beweisanträge befasst hätten. Die im Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 5. September 2016 Az. 3 Ss OWi 1050/16 gegebene Begründung, die dortige Sache dem Bundesgerichtshof nicht vorzulegen, werde dem Sinn und Zweck von § 121 Abs. 2 GVG nicht gerecht.

b) Die Generalstaatsanwaltschaft München legte mit Schriftsatz vom 25. März 2019 dem Bayerischen Obersten Landesgericht die Akten vor und beantragte, die Rechtsbeschwerde durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Die Verfahrensrüge einer Verletzung des Beweisantragsrechts durch Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Geschwindigkeitsmessung sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Da insoweit lediglich von einem sogenannten Beweisermittlungsantrag auszugehen sei, wäre die Erhebung einer Aufklärungsrüge erforderlich gewesen, die hier nicht in zulässiger Form erhoben worden sei. Die im Beschlussweg erfolgte Ablehnung des Antrags nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG sei jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht habe sich durch Einvernahme des Messbeamten und die weitere Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung von der Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung überzeugt, ohne dass sich Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung, die im Rahmen eines standardisierten Verfahrens erfolgt sei, ergeben hätten. Auf dieser Grundlage habe der betroffene Einzelfall aus der maßgeblichen Sicht des Tatgerichts keine Veranlassung zu einer weiteren Beweiserhebung geboten.

Die Verfahrensrüge zur verwehrten Einsicht in Unterlagen bzw. Dateien, die nach Meinung der Verteidigerin zur Verteidigung hätten eingesehen werden müssen, greife ebenfalls nicht durch. Die Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät Poli-ScanSpeed habe in einem standardisierten Messverfahren stattgefunden, konkrete Anhaltspunkte für Messfehler hätten nach den Urteilsfeststellungen, insbesondere nach Vernehmung des Messbeamten, nicht bestanden. Das Amtsgericht habe sich nach durchgeführter Beweisaufnahme von der Korrektheit der Messung überzeugt; der von der Betroffenen mit der Einsicht in die weiteren Unterlagen bzw. Dateien verfolgte Zweck (Feststellung von Messfehlern) habe bereits nicht mehr erreicht werden können. Insbesondere sei ein Punkt erreicht gewesen, bei dem das Amtsgericht auch Beweisanträge auf eine zusätzliche sachverständige Begutachtung hätte ablehnen können, wie es auch erfolgt sei. Unter Zugrundelegung dieser Ausgangssituation könne die höchstrichterliche Rechtsprechung nur dahingehend interpretiert werden, dass im Fall eines standardisierten Messverfahrens keine vernünftigen Zweifel mehr an dem Geschwindigkeitsverstoß gegeben seien, wenn und soweit das amtlich zugelassene Messgerät, das im Tatzeitpunkt geeicht gewesen sei, unter Beachtung der Bedienungsanleitung des Zulassungsinhabers durch einen geschulten Messbeamten verwendet worden sei, sich auch sonst keine von außen ergebenden Hinweise auf etwaige Messfehler gezeigt hätten und der Tatrichter die vorgeschriebenen Messtoleranzen berücksichtigt habe. Dies habe aber die weitere Konsequenz, dass auch eine Überprüfung der Messdateien zu keinem abweichenden Resultat führen könne. Konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung lägen zudem nicht vor, auch die Rechtsbeschwerdebegründung äußere nur allgemeine Bedenken gegen die Richtigkeit des Messwerts und die Zuverlässigkeit des Messverfahrens. Die von der Betroffenen begehrten Unterlagen bzw. Dateien seien nicht Gegenstand der Urteilsfindung gewesen, sodass auch kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliege, der im Übrigen keinen, jedenfalls keinen über das Recht auf ein faires Verfahren hinausgehenden Anspruch auf Erweiterung der Gerichtsakten vermittle. Die Generalstaatsanwaltschaft nahm dabei u. a. auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 4. April 2016 Az. 3 Ss OWi 1444/15 Bezug.

Auch die Sachrüge könne keinen Erfolg haben und der Rechtsfolgenausspruch, insbesondere die Erhöhung der Geldbuße im Vergleich zum Regelsatz, begegne keinen rechtlichen Bedenken.

c) Die Beschwerdeführerin trat den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft durch Gegenerklärung ihrer Verteidigerin vom 10. April 2019 entgegen. Sie wies u. a. darauf hin, dass aus ihrer Sicht die Frage der Einsichtsrechte in nicht bei der Akte befindliche Messunterlagen von grundsätzlicher Bedeutung sei, die in ober- und verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung sowie der Literatur unterschiedlich bewertet werde, sodass gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG eine Übertragung der Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern geboten sei sowie eine Vorlage an den Bundesgerichtshof in Betracht komme.

d) Mit dem ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 30. April 2019, an die Verteidigerin formlos herausgegeben am selben Tag, hob das Bayerische Oberste Landesgericht durch den Einzelrichter das Urteil des Amtsgerichts vom 26. November 2018 im Rechtsfolgenausspruch auf und verwarf die weitergehende Rechtsbeschwerde als unbegründet. Im Umfang der Aufhebung wurde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen den Schuldspruch richte, habe sich kein Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführerin ergeben. Auf die diesbezüglich im Ergebnis zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft werde Bezug genommen. Es bestehe Anlass zu dem Hinweis, dass die Verfahrensrüge der Verletzung des Beweisantragsrechts entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft zwar zulässig erhoben worden sei. Ihr sei aber schon deshalb der Erfolg zu versagen, weil das betroffene Beweisbegehren auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die vorliegende Geschwindigkeitsmessung fehlerhaft gewesen und die Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt 80 km/h gefahren sei, auch unter Berücksichtigung der Antragsbegründung einer hinreichend bestimmten Beweisbehauptung entbehrt habe, sodass allenfalls von einem Beweisermittlungsantrag auszugehen sei, dessen Ablehnung ausschließlich unter Aufklärungsgesichtspunkten gerügt werden könne; eine zulässige Aufklärungsrüge sei vorliegend aber nicht erhoben worden.

Im Rechtsfolgenausspruch halte das angefochtene Urteil hingegen der zulässig erhobenen Inbegriffsrüge nicht stand. Die Rechtsfolgenentscheidung des Amtsgerichts mit Erhöhung der Regelgeldbuße von 120 € auf 360 € werde prozessual unzulässig auf in der Auskunft aus dem Fahreignungsregister für die Beschwerdeführerin eingetragene Vorahndungen gestützt.

e) Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2019 erhob die Verteidigerin Anhörungsrüge gegen den Beschluss, soweit die gegen den Schuldspruch gerichtete Rechtsbeschwerde verworfen worden war. Das Bayerische Oberste Landesgericht wies diese mit Beschluss vom 28. August 2019 als jedenfalls unbegründet zurück, weil ein Fall des § 356 a StPO (entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) offensichtlich nicht vorliege.

4. Mit Urteil des Amtsgerichts Würzburg vom 12. August 2019 wurde die Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung des Schuldspruchs aus dem insoweit rechtskräftigen Urteil vom 26. November 2018 zu einer Geldbuße von 120 € verurteilt. Einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil verwarf das Bayerische Oberste Landesgericht mit Beschluss vom 31. März 2020 als unbegründet.

II.

1. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 25. Juni 2019, beim Verfassungsgerichtshof eingegangen am 1. Juli 2019, hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügt eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 101 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) und des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) durch das Amtsgericht Würzburg sowie des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) durch das Bayerische Oberste Landesgericht.

a) Zur Zulässigkeit trägt die Beschwerdeführerin vor, dass der Rechtsweg in jeder Hinsicht ordnungsgemäß erschöpft worden sei. Beschwerdegegenstände seien das Urteil des Amtsgerichts vom 26. November 2018 und der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 30. April 2019, soweit in diesem die Rechtsbeschwerde verworfen worden sei. Hinsichtlich des Schuldspruchs der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit sei dieser Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts maßgeblich, da mit ihm der aufrechterhaltene amtsgerichtliche Schuldspruch in Teilrechtskraft erwachsen sei und im weiteren Verlauf des Strafverfahrens nicht mehr auf seine Rechtmäßigkeit hin habe überprüft werden können. Die Erhebung einer Anhörungsrüge gegen ihn sei zwar nicht erforderlich gewesen, da ein Verstoß dieses Gerichts gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht ersichtlich sei, aber gleichwohl (vorsorglich) erhoben worden.

Der Gesichtspunkt der Subsidiarität stehe der Zulässigkeit nicht entgegen. Hinsichtlich der Verletzung des Einsichtsrechts habe schon die Generalstaatsanwaltschaft keine Unzulässigkeit der Rüge behauptet; der von dieser angenommenen Unzulässigkeit der Beweisantragsrüge sei das Bayerische Oberste Landesgericht entgegengetreten. Soweit es mangels einer bestimmten Beweisbehauptung nicht von einem in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag, sondern lediglich von einem Beweisermittlungsantrag ausgegangen sei, erscheine diese Auffassung zweifelhaft; mangels ermöglichter Einsicht und Prüfung der begehrten Messdaten sei jedenfalls eine weitergehende Substanziierung von Messfehlern gar nicht möglich gewesen. Ausweislich der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft hätten sich ein fehlerhaft gestellter Beweisantrag und/oder eine nicht zulässig ausgeführte diesbezügliche Verfahrensrüge zudem nicht entscheidungserheblich ausgewirkt, da eine Begründetheitsprüfung stattgefunden habe; jedenfalls könne sich ein etwaiger Mangel des Beweisantrags allenfalls auf die Zulässigkeit der Rüge, welche dessen Ablehnung betreffe, auswirken. Hinsichtlich der Aufklärungsrüge sei in der Gegenerklärung vom 10. April 2019 auf deren Erhebung in der Rechtsbeschwerdebegründung hingewiesen worden; dass das Bayerische Oberste Landesgericht gleichwohl und ohne nähere Begründung eine zulässige Aufklärungsrüge verneint habe, dürfte folglich eher darauf zurückzuführen sein, dass das Gericht Vortrag dazu, weshalb sich die Tatrichterin zu der Beweiserhebung gedrängt hätte sehen müssen, vermisst habe. Entsprechender Vortrag sei mangels gewährter Einsicht in die dafür erforderlichen Messdaten indes nicht möglich gewesen und somit auch nicht schuldhaft versäumt worden.

b) Zur Begründetheit beruft sich die Beschwerdeführerin darauf, dass die angefochtenen Entscheidungen auf einer Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten beruhten. In erster Linie macht sie eine „Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 101 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) durch das Amtsgericht wegen verweigerter Einsichtnahme in Messdaten und Nichtaussetzung des Verfahrens“ geltend. Aus Art. 101 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV lasse sich die Garantie eines fairen gerichtlichen Verfahrens entnehmen, welche die gleichen Gewährleistungen enthalte wie das entsprechende vom Grundgesetz verbürgte Recht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK. Dieses Recht ziele auf die Ermittlung der Wahrheit und ein gerechtes Urteil. Als ein unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens und daran anknüpfender Verfahren gewährleiste es einem Beschuldigten, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können. Dies gelte auch bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. In jedem Fall folge daraus ein Anspruch auf materielle Beweisteilhabe, also auf Zugang zu den Quellen der Sachverhaltsfeststellung. Es müsse eine Wissensparität und Waffengleichheit hergestellt werden. Der fair-trial-Grundsatz begründe auch ein Recht auf Akteneinsicht.

Die Rechtsfigur des standardisierten Messverfahrens bringe es mit sich, dass der Betroffene eines Bußgeldverfahrens konkrete Anhaltspunkte für Messfehler aufzeigen müsse, um eine technische Überprüfung der Messung durch das Gericht zu erreichen. Anhaltspunkte für möglicherweise aufgetretene Messfehler könnten den Messdaten entnommen werden, weshalb in einem rechtsstaatlichen Verfahren ein Betroffener das Recht haben müsse, diese einzusehen, auch wenn sie nicht Aktenbestandteil seien. Höchstrichterliche oder verfassungsgerichtliche Rechtsprechung stehe dem so verstandenen Einsichtsrecht nicht entgegen. Da vorliegend die beantragte Einsicht in die Messdaten bis zur Hauptverhandlung nicht ermöglicht worden sei, hätte das Verfahren vom Amtsgericht ausgesetzt werden müssen und vor ermöglichter Prüfung der Messdaten kein Urteil gesprochen werden dürfen. Die das betroffene Einsichtsrecht grundsätzlich verneinende Auffassung des Oberlandesgerichts Bamberg, die auch von der Generalstaatsanwaltschaft mehrfach zitiert worden sei, stehe in verschiedener Hinsicht in Widerspruch zur zutreffenden Auffassung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes, mehrerer anderer Oberlandesgerichte sowie zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Sie vermöge nicht zu überzeugen.

Das Amtsgericht habe aufgrund fehlerhafter Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur weiteren Überprüfung der Messung auf Fehlerhaftigkeit außerdem den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) verletzt. Die Nichtberücksichtigung eines Beweisantrags verstoße gegen die Garantie rechtlichen Gehörs, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze finde. Vorliegend habe das Amtsgericht die Ablehnung des Beweisantrags damit begründet, die Beweiserhebungen seien als zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich anzusehen und insoweit auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG verwiesen. Nach dieser Norm könne ein Gericht bei Verwendung eines Messverfahrens wie vorliegend zwar einen Beweisantrag wie den gestellten ablehnen, wenn keine Anhaltspunkte für Messfehler ersichtlich oder vorgetragen seien. Hier habe indes die Besonderheit bestanden, dass mangels ermöglichter Einsicht in die Messdaten solche Anhaltspunkte weder der Beschwerdeführerin noch der Verteidigung bekannt gewesen seien und daher denknotwendig nicht hätten vorgebracht werden können, worauf in der Begründung des Beweisantrags auch hingewiesen worden sei. In diesem Fall sei die Anwendung des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG gesperrt; das Amtsgericht habe sich nicht auf diesen Ablehnungsgrund stützen können, ohne die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör zu verletzen.

Schließlich habe das Bayerische Oberste Landesgericht wegen der unterbliebenen Übertragung der Sache auf den mit drei Richtern besetzten Senat und Vorlage an den Bundesgerichtshof das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) verletzt. Eine Verletzung dieses Rechts liege vor, wenn sich die Entscheidung des Gerichts bei der Auslegung und Anwendung einer Zuständigkeitsnorm so weit von dem sie beherrschenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entferne, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen, offensichtlich unhaltbar oder gar ohne Bezug auf die maßgebliche Norm sei. Sei ein Gericht bei divergierender Rechtsprechung dazu verpflichtet, die Sache oder eine bestimmte Rechtsfrage einem anderen Gericht zur Entscheidung vorzulegen, so sei das für die Entscheidung über die Vorlage zuständige Gericht ebenfalls gesetzlicher Richter. Bei einer unterlassenen Vorlage bestünde gegebenenfalls auch bei letztinstanzlichen Entscheidungen eine Begründungspflicht insoweit. Dies gelte auch hinsichtlich der Vorlagepflicht nach § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG, § 9 Satz 1 EGGVG, die gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG entsprechend für die Rechtsbeschwerde anwendbar sei. Vorliegend sei es nicht vertretbar gewesen, die Übertragung der Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG ohne weitere Begründung zu unterlassen. Dadurch habe sich das Bayerische Oberste Landesgericht zugleich die Möglichkeit genommen, die aufgrund der Abweichung von anderer obergerichtlicher Rechtsprechung gebotene Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof vorzunehmen, da eine solche durch den Einzelrichter nicht in Betracht komme. Angesichts der unter den Oberlandesgerichten, dem Verfassungsgerichtshof des Saarlandes und in der Literatur außerordentlich umstrittenen Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob der Betroffene eines Bußgeldverfahrens Anspruch auf Einsicht in nicht bei der Akte befindliche Messunterlagen habe, habe ohne Willkür weder ein Bedarf an der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch an einer Fortbildung des Rechts verneint werden dürfen; zumindest hätte hierzu in der Begründung näher Stellung genommen werden müssen.

2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde abgesehen.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 101 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) geltend gemacht wird.

1. Für die behaupteten Grundrechtsverletzungen kommt es insgesamt maßgeblich auf den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 30. April 2019 an und nicht auf das vorangegangene Urteil des Amtsgerichts vom 26. November 2018. Wegen des Gebots der Rechtswegerschöpfung (Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG) ist Beschwerdegegenstand grundsätzlich immer die letztinstanzliche Entscheidung, auch wenn die Entscheidungen der vorausgegangenen Instanzen in die Verfassungsbeschwerde mit einbezogen werden können (VerfGH vom 7.2.2017 – Vf. 84-VI-15 – juris Rn. 21; vom 8.2.2019 – Vf. 67-VI-17 – juris Rn. 18; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 120 Rn. 22; Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 120 Rn. 22). Eine im Instanzenzug vorhergehende Entscheidung ist für die verfassungsgerichtliche Prüfung nur dann unmittelbar maßgeblich, wenn sich ein Beschwerdeführer gegen das inhaltliche Ergebnis des fachgerichtlichen Ausgangsverfahrens wendet und – wie im Fall der Nichtzulassung eines der Zulassung bedürfenden Rechtsmittels – das letztinstanzliche Gericht keine umfassende materielle Prüfung vornimmt (vgl. dazu VerfGH vom 9.2.2015 VerfGHE 68, 10 Rn. 55; vom 8.2.2019 – Vf. 67-VI-17 – juris Rn. 20; vom 2.5.2019 – Vf. 92-VI-14 – juris Rn. 24, jeweils m. w. N.). Im hiesigen Ausgangsverfahren war die Rechtsbeschwerde ohne Weiteres zulässig (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) und ermöglichte der Beschwerdeführerin trotz der grundsätzlich auf Rechtsfehler begrenzten Prüfungsmöglichkeiten im Rechtsbeschwerdeverfahren (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V. m. § 337 Abs. 1, 2 StPO) auch eine Überprüfung auf die vorliegend behaupteten Verstöße gegen grundlegende Verfahrensgrundsätze.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 101 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV rügt.

a) Ob sich das Recht auf ein faires Verfahren, wie es in Art. 6 EMRK positivrechtlich normiert ist und wie es das Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG herleitet (BVerfG vom 26.5.1981 BVerfGE 57, 250/274 f.; vom 12.11.2020 NJW 2021, 451 Rn. 31 ff.), als ein verfassungsbeschwerdefähiger Grundrechtsanspruch auch aus Art. 101 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV ergibt, hat der Verfassungsgerichtshof bisher offengelassen (vgl. VerfGH vom 25.6.2010 VerfGHE 63, 83/105; vom 17.11.2014 VerfGHE 67, 291 Rn. 51; vom 13.3.2018 – Vf. 31-VI-16 – juris Rn. 36, jeweils m. w. N.). Die Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Selbst wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin das Bestehen eines solchen über die speziellen Verfahrensgrundrechte der Bayerischen Verfassung hinausgehenden rügefähigen allgemeinen Prozessgrundrechts unterstellt, ist die vorliegende Rüge einer Verletzung dieses Rechts durch die verweigerte Einsichtnahme in die begehrten Messdaten und durch die Nichtaussetzung des Verfahrens unzulässig. Denn die Verfassungsbeschwerde genügt insoweit nicht dem verfassungsprozessualen Gebot der materiellen Subsidiarität.

b) Die Verfassungsbeschwerde ist ein letzter außerordentlicher Rechtsbehelf mit subsidiärem Charakter. Über die formelle Erschöpfung des Rechtswegs hinaus verlangt deshalb der in Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG zum Ausdruck kommende Grundsatz der materiellen Subsidiarität, dass ein Beschwerdeführer bereits in dem nach der einschlägigen Prozessordnung offenstehenden Rechtsmittelverfahren formgerecht und substanziiert diejenigen Beanstandungen vorgetragen hat, die er nunmehr im Verfassungsbeschwerdeverfahren geltend machen will; hat er dies versäumt, ist es ihm verwehrt, sie nachträglich im Weg der Verfassungsbeschwerde zu erheben (vgl. VerfGH vom 24.10.2017 – Vf. 9-VI-17 – juris Rn. 42 m. w. N.). Dieser Grundsatz erfordert weiter, dass ein Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde jede tatsächliche und prozessuale Möglichkeit ausschöpft, um eine Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte abzuwenden. Er muss das ihm Mögliche tun, damit eine Grundrechtsverletzung im fachgerichtlichen Instanzenzug unterbleibt oder beseitigt wird, und alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden und zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. VerfGH vom 2.2.2017 – Vf. 36-VI-14 – juris Rn. 23; vom 28.1.2020 – Vf. 56-VI-18 – juris Rn. 16, jeweils m. w. N.; vgl. auch BVerfG vom 10.3.2016 – 2 BvR 408/16 – juris Rn. 3; vom 22.5.2017 NJW 2017, 3141 Rn. 3, jeweils m. w. N.).

In einem Ordnungswidrigkeitenverfahren wie im hiesigen Ausgangsverfahren bedeutet dies, dass der Betroffene zur Wahrung des verfassungsprozessualen Grundsatzes materieller Subsidiarität seinen Anspruch auf Herausgabe bzw. Zugänglichmachung der von ihm zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens für erforderlich gehaltenen Daten (insbesondere Rohmessdaten) grundsätzlich bereits gegenüber der Verwaltungsbehörde geltend gemacht und bei dessen Ablehnung einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG gestellt haben muss (ebenso VerfGH RhPf vom 25.5.2020 – VGH B 17/20 – BA S. 4; vom 20.7.2020 – VGH B 46/20 u. a. – BA S. 6; vom 18.8.2020 – VGH B 49/20 – BA S. 6, jeweils nicht veröffentlicht; vom 21.6.2021 – VGH A 39/21 – juris Rn. 27).

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 12. November 2020 (NJW 2021, 455) und nachfolgenden Entscheidungen (z. B. BVerfG vom 28.4.2021 – 2 BvR 1451/18 – juris; vom 4.5.2021 – 2 BvR 277/19 – juris) nicht beanstandet, dass die Fachgerichte bei Geschwindigkeitsverstößen im Fall eines standardisierten Messverfahrens von einer reduzierten Sachverhaltsaufklärungs- und Darlegungspflicht ausgehen und grundsätzlich – ohne konkrete Anhaltspunkte für eventuelle Messfehler – zum Nachweis eines Geschwindigkeitsverstoßes die Mitteilung des eingesetzten standardisierten Messverfahrens, der ermittelten Geschwindigkeit nach Abzug der Toleranz und des berücksichtigten Toleranzwerts genügen lassen. Dabei bleibe der Anspruch des Betroffenen, nur aufgrund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten verurteilt zu werden, gewahrt, wenn ihm die Möglichkeit eröffnet sei, das Tatgericht im Rahmen seiner Einlassung auf Zweifel aufmerksam zu machen und einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. Aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG), das durch das Verlangen nach verfahrensrechtlicher „Waffengleichheit“ von Ankläger und Beschuldigtem gekennzeichnet sei, könne grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang des Betroffenen zu nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen folgen. Allerdings sei gerade im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten eine sachgerechte Eingrenzung des Informationszugangs geboten und könnten der Gewährung eines solchen Zugangs gewichtige verfassungsrechtlich verbürgte Interessen wie beispielsweise die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege widerstreiten. Der vom Zugangsrecht unabhängigen Rechtsprechungspraxis zu standardisierten Messverfahren werde durch den in Rede stehenden Informationszugang der Verteidigung auch nicht die Grundlage entzogen. Solange sich aus der Überprüfung der Informationen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses ergäben, blieben die Aufklärungs- und Feststellungspflichten der Fachgerichte nach den Grundsätzen des standardisierten Messverfahrens reduziert. Nur bei Ermittlung konkreter Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses durch den Betroffenen müsse das Fachgericht entsprechend seiner Amtsaufklärungspflicht die Korrektheit des Messergebnisses dann individuell – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen – überprüfen und seine Überzeugung im Urteil darlegen; im Übrigen blieben die Ablehnungsmöglichkeiten aus § 77 Abs. 2 OWiG unberührt. Insofern seien die Möglichkeiten der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses unter Berufung auf die erlangten und ausgewerteten Informationen in zeitlicher Hinsicht begrenzt. Zwar stehe dem Betroffenen ein Zugangsrecht vom Beginn bis zum Abschluss des Verfahrens zu. Er könne sich mit den Erkenntnissen aus dem Zugang zu weiteren Informationen aber nur erfolgreich verteidigen, wenn er diesen rechtzeitig im Bußgeldverfahren begehre. Dies sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

Diese in zeitlicher Hinsicht beschränkten Möglichkeiten der erfolgreichen Verteidigung mit einer etwaigen Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses sind auch für die Beurteilung, ob ein Beschwerdeführer den verfassungsprozessualen Grundsatz der materiellen Subsidiarität gewahrt hat, von Bedeutung. Da Sinn und Zweck des Informationszugangs die Ermittlung konkreter Anhaltspunkte für eventuelle Messfehler ist, um das Tatgericht im Rahmen der Einlassung auf Zweifel aufmerksam zu machen und gegebenenfalls einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen, obliegt es dem Betroffenen zur Wahrung des verfassungsprozessualen Grundsatzes der materiellen Subsidiarität, einen solchen Anspruch im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich rechtzeitig vor der Hauptverhandlung sowie regelmäßig auch schon zuvor im Verfahren gegenüber der Verwaltungsbehörde (hier: Bayerisches Polizeiverwaltungsamt – Zentrale Bußgeldstelle) geltend zu machen. Der Betroffene muss in aller Regel schon bei der Verwaltungsbehörde eine Herausgabe der von ihm für eine Überprüfung des Messergebnisses und zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens erforderlich gehaltenen Daten beantragen und im Fall einer Ablehnung auch insoweit den Rechtsweg erschöpfen, d. h. eine gerichtliche Entscheidung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG herbeiführen (vgl. zur Eigenständigkeit der Entscheidungen der Amtsgerichte über die behördliche Versagung der Einsichtnahme im Bußgeldverfahren gemäß § 62 OWiG gegenüber dem Hauptsacheverfahren etwa BVerfG vom 28.4.2021 – 2 BvR 1451/18 – juris Rn. 8).

c) Dass die Beschwerdeführerin diesen Anforderungen Genüge getan hätte, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

Während das Ordnungswidrigkeitenverfahren noch beim Bayerischen Polizeiverwaltungsamt anhängig war, hat die Beschwerdeführerin weder Akteneinsicht noch Einsicht in andere Unterlagen beantragt, sondern gegen den Bußgeldbescheid vom 9. Januar 2018 lediglich durch ihren vormaligen Verteidiger mit Schreiben vom 15. Januar 2018 Einspruch einlegen lassen, der nicht begründet wurde. Akteneinsicht beantragte ihr vormaliger Verteidiger erstmals nach Vorlage der Akten an das Amtsgericht Würzburg und gerichtlichem Hinweis vom 14. Februar 2018, dass der Einspruch nach derzeitiger Aktenlage voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. Erst da teilte er auf Nachfrage des Gerichts, ob der Einspruch zurückgenommen werde bzw. welchem Ziel er diene, auch mit, dass dieser auf die Überprüfung der Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung am 15. Oktober 2017 abziele. Nachdem seinem Begehren auf Einsicht bzw. Übermittlung weiterer Unterlagen und Informationen nur teilweise stattgegeben, insbesondere die erbetene Übersendung der Messdaten abgelehnt worden war, verfolgte er diesen Anspruch jedoch nicht weiter. Er ließ dieses Ansinnen vielmehr erkennbar fallen und bat nun nur mehr um Verlegung des zunächst auf den 19. April 2018 anberaumten Hauptverhandlungstermins möglichst auf die zweite Augusthälfte, damit die Beschwerdeführerin das Fahrverbot erst zu einem für sie günstigen Zeitpunkt verbüßen müsse; für diesen Fall kündigte er ausdrücklich an, den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid spätestens in der Hauptverhandlung zurückzunehmen. Nachdem der Termin diesem Wunsch entsprechend auf den 30. August 2018 verlegt worden war, erklärte er (nochmals), dass Zeugen nicht erforderlich seien und er in der anberaumten Hauptverhandlung persönlich erscheinen und den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurücknehmen werde (vgl. im Einzelnen oben unter I.2.a)).

Erst wenige Tage vor der neu anberaumten Hauptverhandlung wechselte die Beschwerdeführerin zu ihrer jetzigen Bevollmächtigten als Verteidigerin und änderte diametral ihre Verteidigungsstrategie. Die neue Verteidigerin teilte nach einer weiteren, auf ihren Antrag erfolgten Terminsverlegung auf den 24. September 2018 und nach Akteneinsicht mit, nunmehr zur Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung ein technisches Gutachten in Auftrag geben zu wollen. Mit ausführlicher Begründung und unter Bezugnahme auf zahlreiche Rechtsprechungsnachweise beantragte sie konkret, ihr dafür verschiedene Daten bzw. Unterlagen zur Verfügung zu stellen: „digitaler Falldatensatz der Betroffenen inklusive Rohmessdaten, restliche Falldatensätze der gesamten Messreihe, Token-Datei und Passwort, Statistikdatei mit Case-List sowie Gerätestammkarte zum Messgerät sowie Ausbildungsnachweise des Mess- und Auswertepersonals“. Parallel forderte sie – im Wissen, dass das Verfahren dort nicht mehr anhängig war – auch vom Bayerischen Polizeiverwaltungsamt die Übersendung von Kopien entsprechender Informationen und Dateien an. Das Amtsgericht wies die Verwaltungsbehörde daraufhin zwar an, der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Verteidigerin die „Lebensakte des verwendeten Messgeräts“ und den „Schulungsnachweis des Messbeamten“ zur Verfügung zu stellen, lehnte den Antrag im Übrigen aber unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg, nach der ein Recht auf Übersendung der Messdaten nicht bestehe, ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde und nachfolgende Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin beim Landgericht Würzburg blieben ohne Erfolg (vgl. im Einzelnen oben unter I.2.b)).

Die Beschwerdeführerin verfolgte durch ihre neue Verteidigerin ihren Antrag auf Einsichtnahme in die im Vorfeld nicht zur Verfügung gestellten Messdaten und -unterlagen von nun an auch im Übrigen – unter Berufung auf den Grundsatz eines fairen gerichtlichen Verfahrens – konsequent weiter. So stellte sie in der schließlich am 26. November 2018 stattgefundenen Hauptverhandlung Beweisanträge, Anträge auf Aussetzung des Verfahrens und auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und erhob im Rechtsmittelverfahren entsprechende Rügen (vgl. im Einzelnen oben unter I.2.c) und 3.a) bis c)).

Die Beschwerdeführerin hat nach alledem ihren Anspruch auf Einsicht in die begehrten Messdaten im Verfahren der Verwaltungsbehörde überhaupt nicht geltend gemacht, geschweige denn insoweit den Rechtsweg erschöpft. Hinzu kommt, dass sie ihn auch im gerichtlichen Verfahren erst ab einem Zeitpunkt nachdrücklich verfolgt hat, als das Amtsgericht aufgrund ihrer bisherigen Einlassungen davon ausgehen konnte, dass keine Beweisaufnahme durchzuführen wäre, sondern der Einspruch in der Hauptverhandlung zurückgenommen werden würde. Mit dieser Vorgehensweise hat sie nicht wie erforderlich jede tatsächliche und prozessuale Möglichkeit ausgeschöpft, um eine Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte abzuwenden, mithin nicht das ihr Mögliche getan, damit eine Grundrechtsverletzung im fachgerichtlichen Instanzenzug unterbleibt oder beseitigt wird.

d) Die Beschwerdeführerin legt auch nicht nachvollziehbar dar, dass eine konsequente Geltendmachung ihrer behaupteten Informationsansprüche bereits im Verfahren der Verwaltungsbehörde sowie frühzeitig im gerichtlichen Verfahren unzumutbar gewesen wäre. Die Ausführungen in der Verfassungsbeschwerde selbst zur Erschöpfung des Rechtswegs und zur Subsidiarität (vgl. oben unter II.1.a)) befassen sich nicht mit der insoweit maßgeblichen Problematik. Soweit man zugunsten der Beschwerdeführerin die Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung vom 30. Januar 2019 (vgl. oben unter I.3.a)) heranzieht, folgt daraus keine Unzumutbarkeit. Ob ihr persönlich während des behördlichen Verfahrens die Existenz von Messdaten und die Möglichkeit zur Überprüfung der Richtigkeit der Messung bekannt waren, ist unerheblich. Sie war anwaltlich vertreten und muss sich das Verhalten ihres vormaligen Verteidigers zurechnen lassen. Ihre Erwägungen zu angeblich fehlenden Erfolgsaussichten eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG beim Amtsgericht Würzburg bleiben im Hinblick auf eine nur pauschal behauptete angebliche ständige Rechtsprechung „dieses Amtsgerichts“ und auf die richterliche Unabhängigkeit spekulativ und greifen nicht durch. Ebenso wie es der Beschwerdeführerin im Hauptsacheverfahren oblag zu versuchen, ihre von der bisherigen Rechtsauffassung des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts Bamberg abweichende, aber von der Rechtsprechung anderer (Ober-)Gerichte gestützte Auffassung über einen bestehenden Informationsanspruch durchzusetzen, war ihr dies auch im verwaltungsbehördlichen Verfahren und einem sich daran gegebenenfalls anschließenden gerichtlichen Verfahren gemäß § 62 OWiG zumutbar.

3. Die Verfassungsbeschwerde ist ebenfalls unzulässig, soweit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 91 Abs. 1 BV gerügt wird.

Insoweit kann dahinstehen, ob durch die Ablehnung eines Beweisantrags nach der Rechtsprechungspraxis zum standardisierten Messverfahren bei zuvor erfolgter Verweigerung einer beantragten Einsichtnahme in nicht bei der Bußgeldakte befindliche (Roh-)Messdaten neben einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren auch ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör in Betracht kommt. Die Rüge steht jedenfalls in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rüge einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren und baut darauf auf (vgl. im Einzelnen oben unter II.1.b)). Daher gelten insoweit die eben dargelegten Erwägungen entsprechend; die Verfassungsbeschwerde genügt nicht dem verfassungsprozessualen Gebot der materiellen Subsidiarität.

IV.

Im Übrigen – soweit die Beschwerdeführerin das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV durch das Bayerische Oberste Landesgericht verletzt sieht – ist die Verfassungsbeschwerde zulässig, aber unbegründet. Die Beschwerdeführerin moniert insoweit die Verletzung eines rügefähigen Verfahrensgrundrechts der Bayerischen Verfassung und legt auch hinreichend dar, weshalb sie die vom Einzelrichter unterlassene Übertragung der Sache auf den mit drei Richtern besetzten Senat und die unterbliebene Vorlage an den Bundesgerichtshof als nicht nur rechtsfehlerhaft, sondern willkürlich ansieht. Die Rüge greift aber in der Sache nicht durch.

1. Der Verfassungsgerichtshof überprüft Entscheidungen, die in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren wie hier ergangen sind, im Rahmen seiner insoweit beschränkten Prüfungskompetenz auch darauf hin, ob ein Verfahrensgrundrecht der Bayerischen Verfassung verletzt wurde, das – wie das Recht auf den gesetzlichen Richter – mit gleichem Inhalt im Grundgesetz gewährleistet ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 7.2.2019 – Vf. 60-VI-17 – juris Rn. 27 m. w. N.). Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV untersagt jede willkürliche Verschiebung von richterlichen Zuständigkeiten innerhalb der Justiz (VerfGH vom 14.7.2014 VerfGHE 67, 175 Rn. 18; vom 15.11.2018 – Vf. 10-VI-17 – juris Rn. 18). Das Recht auf den gesetzlichen Richter kann insbesondere dadurch berührt sein, dass das Gericht im Ausgangsverfahren ein Rechtsmittel nicht zulässt und dadurch die Entscheidung in der (weiteren) Rechtsmittelinstanz verhindert. Eine Grundrechtsverletzung kommt insoweit jedoch nur in Betracht, wenn einer Partei der gesetzliche Richter durch eine willkürliche, offensichtlich unhaltbare Entscheidung entzogen wird (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 29.9.1989 VerfGHE 42, 122/129 f.; vom 13.7.2010 VerfGHE 63, 119/126; vom 15.11.2018 – Vf. 10-VI-17 – juris Rn. 22; vom 7.2.2019 – Vf. 60-VI-17 – juris Rn. 42).

Entsprechend kommt hier ein Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV dadurch in Betracht, dass der Einzelrichter am Bayerischen Obersten Landesgericht die Sache nicht gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG auf den mit drei Richtern besetzten Senat übertragen hat, der dann in eigener Verantwortung über eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 GVG i. V. m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG hätte entscheiden müssen (vgl. Bär in Graf, BeckOK OWiG, § 80 a Rn. 11; Hadamitzky in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage 2018, § 80 a Rn. 10). Zu einer eigenständigen Vorlage der Rechtsbeschwerde gemäß § 121 Abs. 2 GVG wäre der Einzelrichter nicht befugt gewesen (BGH vom 28.7.1998 BGHSt 44, 144).

2. Vorliegend ist aber nicht davon auszugehen, dass der Richter, der den angegriffenen Beschluss erlassen hat, in willkürlicher, offensichtlich unhaltbarer Weise die Voraussetzungen des § 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG verneint hat.

a) Nach dieser Vorschrift hat eine Übertragung auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu erfolgen, wenn es geboten ist, das Urteil oder den Beschluss nach § 72 OWiG zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachzuprüfen. Der Einzelrichter hatte über die Frage, ob diese Voraussetzungen für eine Ausnahme von seiner Regelzuständigkeit gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG gegeben waren, auf Grundlage der Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung der Beschwerdeführerin vom 30. Januar 2019 und ihrer Gegenerklärung vom 10. April 2019 zu befinden. Dort wurde zwar eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V. m. § 121 Abs. 2 GVG bzw. (in der Gegenerklärung) eine Übertragung der Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG beantragt, dies aber mit lediglich kurzer Begründung, über welche die späteren Ausführungen in der Verfassungsbeschwerde weit hinausgehen.

b) Auf dieser Grundlage war eine Übertragung auf den Senat in Dreierbesetzung bei objektiver Betrachtung jedenfalls nicht zwingend geboten – und damit die unterbliebene Übertragung nicht offensichtlich unhaltbar.

Die Beschwerdeführerin hat in der Rechtsbeschwerdebegründung auf aus ihrer Sicht divergierende Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte hinsichtlich nicht herausgegebener Messdaten bzw. der Ablehnung damit in Zusammenhang stehender Beweisanträge hingewiesen. Sie hat dort aber bereits selbst zugleich einen Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 5. September 2016 Az. 3 Ss OWi 1050/16 angesprochen (und aus ihrer Sicht für nicht überzeugend gehalten), in dem eine Verpflichtung zur Divergenzvorlage mit ausführlicher Begründung gerade verneint wurde, da die eigene Rechtsprechung in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs stehe. Auch wenn diese Auffassung des Oberlandesgerichts Bamberg bereits damals in der Literatur auf Bedenken stieß (in der Rechtsbeschwerdebegründung wurde insoweit auf König in DAR 2018, 361/369 hingewiesen) und die maßgebliche Erwägung, dass es in derartigen Fällen (allein) um eine Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht gehe, jedenfalls unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unzutreffend erscheint, liegt in dem erkennbaren inzidenten Anschluss des hier entscheidenden Einzelrichters an die damalige Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Bamberg zwar eine fehlerhafte Rechtsanwendung (vgl. BVerfG vom 28.4.2021 – 2 BvR 1451/18 – juris Rn. 5: „Fehlannahme“), er begründet aber nicht den Vorwurf objektiver Willkür. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass sich das Oberlandesgericht Bamberg zum maßgeblichen Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung bereits mehrfach mit der Problematik beschäftigt und sowohl einen Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesehen als auch die Verortung der Frage bei der gerichtlichen Aufklärungspflicht betont und auf seine „gefestigte Rechtsprechung“ verwiesen hatte – so beispielsweise in der in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 25. März 2019 in Bezug genommenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 4. Juni 2016 (Az. 3 Ss OWi 1444/15 – juris Rn. 22) oder in der bereits im Beschluss des Amtsgerichts vom 6. September 2018 und der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 24. September 2018 zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 13. Juni 2018 (Az. 3 Ss OWi 626/18 – juris Rn. 4).

c) Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb angezeigt, weil der Einzelrichter im angegriffenen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 30. April 2019 keine ausdrückliche Begründung dazu nachgetragen hat, warum er von einer Übertragung der Sache auf den Senat gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG abgesehen hatte. Er hat in dieser Entscheidung ausdrücklich auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 25. März 2019 im Rechtsbeschwerdeverfahren Bezug genommen, in der wiederum auf die (ständige) Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg und dessen Interpretation der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum standardisierten Messverfahren verwiesen worden war. Daraus ist in Zusammenschau mit dem dargestellten sonstigen Ablauf des Ordnungswidrigkeiten- und Rechtsbeschwerdeverfahrens hinreichend klar erkennbar, dass sich der Einzelrichter jedenfalls inzident der damaligen Beurteilung des Oberlandesgerichts Bamberg angeschlossen hat, dass und warum in derartigen Fällen keine Verpflichtung zur Divergenzvorlage – und entsprechend im Vorfeld keine Pflicht zur Übertragung der Sache auf den mit drei Richtern besetzten Senat gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG – besteht. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallkonstellation von der, die dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 2012 (NJW 2012, 1715 Rn. 19; vgl. auch VerfGH RhPf vom 15.1.2020 – VGH B 19/19 – juris; VerfGH BW vom 14.12.2020 – 1 VB 64/17 – juris) zugrunde lag, bei der die angegriffene Entscheidung nicht klar erkennen ließ, aus welchen Gründen die Revision nicht zugelassen wurde, und bei der es im Übrigen um die unmittelbare Entscheidung über die Nichtzulassung einer Revision (in einem Zivilverfahren) ging. Es kann daher offenbleiben, inwieweit die dortige Annahme einer verfassungsrechtlichen Begründungsobliegenheit für eine an sich nicht begründungspflichtige Entscheidung eines Fachgerichts über die Nichtzulassung eines Rechtsmittels grundsätzlich auch für die Verfassungsbeschwerde nach bayerischem Verfassungsrecht Geltung beanspruchen kann und wie naheliegend die Zulassung des Rechtsmittels gegebenenfalls sein müsste. Im vorliegenden Fall sind jedenfalls auch ohne ausdrückliche Begründung hinreichend nachvollziehbare Gründe erkennbar, warum der Einzelrichter von einer Übertragung der Sache auf den mit drei Richtern besetzten Senat abgesehen hat. Es ist im Rahmen der vorliegenden verfahrensrechtlichen Rüge nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, im Einzelnen nachzuprüfen, ob das Fachgericht die einfachrechtliche Vorschrift des § 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG letztlich zutreffend angewandt hat. Für die Annahme, dass die unterlassene Übertragung der Sache auf den Senat bei verständiger Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen würde und offensichtlich unhaltbar wäre, genügen die konkreten Fallumstände nicht.

V.

Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).

Mitgeteilt von Rechtsanwälte Zimmer-Gratz, Bous.