Das AG Landstuhl befasste sich mit der Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren nach Einstellung eines Bußgeldverfahrens. Anzusetzen sei auch bei straßenverkehrsrechtlichen Verfahren grundsätzlich die Mittelgebühr. Hier habe der Verteidiger nicht nur Akteneinsicht genommen, sondern darüber hinaus mit dem verwendeten Messsystem befasst. Zu berücksichtigen sei auch, dass nach dem “neuen” Punktesystem bereits die Eintraung eines Punktes in das Fahreignungsregister zu vermeiden sei. Eine unterdurchschnittliche Bemessung der Tätigkeit könne bei Verwarnungsgeldern in Betracht kommen. Angedacht wurde vom Gericht schließlich, die Gebühren wegen eines missbräuchlichen Verteidigungsverhaltens (Schriftsatz mit Einwendungen gegen das Messverfahren, in welchem der nicht hervorgehobene Einspruch gegen den Bußgeldbescheid “versteckt” war) auf ein Minimum zu reduzieren oder zu versagen, was jedoch ebenfalls nicht in Betracht komme. Das anwaltliche Vorgehen sei von der Staatsanwaltschaft zu prüfen, welcher die Akte übersandt werde.

AG Landstuhl, Beschluss vom 08.04.2020 – 2 OWi 186/20

1. Auf den Antrag des Verteidigers des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenfestsetzungsbescheid der Bußgeldbehörde vom 18.3.2020 wird dieser mit der Maßgabe aufgehoben, dass dem Verteidiger die begehrte Vergütung in Höhe von 537,88 EUR zu zahlen ist:

Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG in Höhe von 100 EUR
Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG in Höhe von 160 EUR
Erledigungsgebühr Nr. 5115 VV RVG in Höhe von 160 EUR
Postpauschale Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20 EUR
Akteneinsicht 12 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 85,88 EUR

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.

Gründe:

Der Verteidiger begehrt aus eigenem Recht die Korrektur des Kostenfestsetzungsbescheides vom 18.3.2020. Der Antrag ist nach §§ 108, 62 OWiG zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, und begründet.

Zugrunde liegt ein straßenverkehrsrechtliches Bußgeldverfahren wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes außerorts, das mit 120 EUR zu ahnden wäre und bei Verurteilung einen Punkt im FAER als mittelbare Folge mit sich bringen würde. Die Betroffene war im FAER vorbelastet, sodass die Buße 140 EUR betrug.

Der Verteidiger hat sich zunächst bestellt und Akteneinsicht begehrt (Bl. 30 d.A.), später eine CD mit Daten übersandt bekommen (Bl. 46 d.A.) und dann in missbräuchlicher Weise versteckt Einspruch eingelegt (Bl. 52 ff. d.A.), indem er mitten in den zusammenhängenden Text mit Einwendungen gegen das Messverfahren den Einspruch ohne jede graphische Hervorhebung platziert hat (vgl. OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 04.12.2017 – 2 Ss (OWi) 152/17 zum versteckten Entbindungsantrag). Die Behörde hat dennoch die Einstellung des Verfahrens vorgenommen und den Bußgeldbescheid zurückgenommen (Bl. 67 d.A.).

Der Verteidiger hat einen Ausgleichsantrag für die angefallenen Anwaltsgebühren gestellt (Bl. 84 d.A.). Die Höhe entspricht der obigen Tenorierung. Mit Bescheid vom 18.3.2020 (Bl. 86 d.A.) hat die Bußgeldbehörde die Gebühren auf 445,06 EUR gekürzt: Grundgebühr 70 EUR, Verfahrensgebühr 112 EUR, Erledigungsgebühr 160 EUR, Pauschale 20 EUR, Akteneinsicht 12 EUR, Umsatzsteuer 71,06 EUR. Bei durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeiten sei nur eine herabgesetzte Mittelgebühr anzusetzen. Es handle sich um Massenverfahren, das Verfahren habe keine tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten aufgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Mittelgebühr sei jeweils gerechtfertigt, da er hier umfangreich vorgetragen habe.

Der Verteidiger hat einen Anspruch auf Erstattung der von ihm begehrten Gebühren nach RVG. Anzusetzen ist in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich die Mittelgebühr (AG München, Urt. v. 2.12.2019 – 213 C 16136/19; Gerold/Schmidt/Mayer, 24. Aufl. 2019, RVG § 14 Rn. 54-57; LG Kaiserslautern, Beschl. v.?4.2.2015 – 5 Qs 9/15, BeckRS 2015, 05688). Dies ist im vorliegenden Fall auch durch die konkrete Tätigkeit des Verteidigers zu vertreten. Dieser hat sich nicht nur bestellt und in die formale Akte Einsicht genommen, sondern sich darüber hinaus auch mit dem dem Verstoß zugrunde liegenden Messsystem befasst. Darüber hinaus ist nach dem reformierten Punktesystem seit dem 1.5.2014 schon die Vermeidung des ersten Punkts im FAER für jeden Betroffenen zu erstreben, sodass eine unterdurchschnittliche Bemessung der Tätigkeit allenfalls dann standardmäßig in Betracht kommt, wenn es in Massenverfahren „nur“ um eine Geldbuße, mithin ein Verwarnungsgeld geht. Dies ist hier nicht der Fall.

Die Erledigungsgebühr ist durch die Tätigkeit des Verteidigers erfolgte Einstellung angefallen und stets als Mittelgebühr zu bemessen (Krumm in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 7. Auflage 2018, RVG Nr.?5115 VV, Rn. 21).

Hier wäre allenfalls zu überlegen gewesen, die Gebühren insgesamt wegen des missbräuchlichen Verteidigungsverhaltens auf ein Minimum zu reduzieren oder zu versagen. Dies kann jedoch hier nicht erfolgen. Denn zum einen hat das Verteidigerverhalten zum gewünschten Erfolg der Betroffenen geführt. Dass die Bußgeldbehörde Fälle wie diesen rechtlich nicht richtig prüft und nicht auf der Bestandskraft des Bußgeldbescheids wegen des missbräuchlichen Verteidigerverhaltens beharrt, kann nicht zulasten der Betroffenen gehen. Zum anderen obliegt es dem Gericht in Verfahren nach § 62 OWiG nicht, über die Kostengrundentscheidung neu zu befinden, sondern nur über die Höhe.

Ungeachtet dessen wird die Akte aber der Staatsanwaltschaft zur ggf. berufsrechtlichen Prüfung des anwaltlichen Vorgehens übersandt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 62 Abs. 2 S. 2 OWiG, 473, 467 StPO.

Vielen Dank an das Amtsgericht Landstuhl für die Übersendung der Entscheidung.