Nach einer Leivtec XV3-Messung hat das AG Landstuhl einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt: Die Verwendung eines zu langen Kabels bei diesem Messgerät sei nach einer Stellungnahme der PTB und anders als vom AG Zeitz angenommen unproblematisch. Es liege also weiterhin ein standardisiertes Messverfahren vor. Ohnehin könnte nach einem Sachverständigengutachten, das – wie der Verteidiger meint – auf eine Geschwindigkeit von 73 km/h statt, wie vom Messgerät angezeigt, 74 km/h gekommen wäre, kein Toleranzabzug von 3 % mehr erfolgen. Denn die Kombination eines konkret festgestellten Abzugs vom Messergebnis mit dem allgemeinen Toleranzabzug sei – wie schon vom OLG Hamm entschieden – nicht möglich (AG Landstuhl, Urteil vom 13.03.2017 – 2 OWi 4286 Js 777/17).
1. Die Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 80 EUR verurteilt.
2. Die Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften:
§§ 24 StVG, 3 Abs. 3, 49 StVO, 11.3.4 BKat
Gründe:
I.
Die verkehrsrechtlich bislang nicht vorbelastete Betroffene ist verheiratet, hat zwei Kinder, ist angestellt bei einem Monatsnettoeinkommen von ca. 700 EUR.
II.
Nach Durchführung der Hauptverhandlung hat das Gericht feststellen können, dass die Betroffene als Fahrerin des PKW Mazda, Kz …, am 11.08.2016 in …, …, Fahrtrichtung Ortsmitte die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts um 21 km/h überschritten hat. Gemessen wurde ein Geschwindigkeitswert von 74 km/h mit dem Messgerät Leivtec XV3. Abgezogen wurden 3 km/h Toleranz. Messbeamter war der am Messgerät geschulte Zeuge …. Das Messgerät war zum Messzeitpunkt geeicht und wurde ordnungsgemäß bedient.
III.
1. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der durchgeführten Beweisaufnahme. Die Betroffene hat sich lediglich zur Person eingelassen.
2. Die Betroffene ist ausweislich des in Augenschein genommenen Messbildes Bl. 10 d.A. Nr. 3, auf welches gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen wird, die Fahrerin des Fahrzeugs gewesen. Das zur Identifikation herangezogene Bild Bl. 10 d.A. Nr. 3 ist von genügender Qualität, um die Wiedererkennung durch das Gericht zu ermöglichen. Nach Inaugenscheinnahme der Betroffenen in der Hauptverhandlung bleiben beim Gericht keine Zweifel daran, dass die Betroffene am Tattag Fahrerin gewesen ist.
3. Zur Verifizierung der Messung hat das Gericht das Messbild Bl. 10 d.A. Nr. 1 in Augenschein genommen und verlesen. Der Messwert ergab sich aus der verlesenen Datenleiste mit 74 km/h. Der Messrahmen befindet sich an der dafür vorgesehenen Stelle und das Kennzeichen des Fahrzeugs ist voll erfasst. Bei dem hier verwendeten Messgerätetyp, der als standardisiertes Messverfahren anerkannt ist (OLG Celle, Beschl. v. 28.10.2013 – 322 SsRs 280/13 – zfs 2014, 350), wird bei Geschwindigkeiten unter 100 km/h ein Toleranzwert von 3 km/h abgezogen.
4. Die Messung war auch im Übrigen ordnungsgemäß. Ausweislich des verlesenen Messprotokolls, Bl. 9 d.A., wurden u.a. die Eichmarken überprüft, die Beschilderung geprüft, die Bedienungsanleitung eingehalten und der Messbeamte war geschult. Der Schulungsnachweis des Zeugen … wurde verlesen, Bl. 12 d.A. Der Eichschein Bl. 13 und 13Rs. d.A. wurde verlesen. Die Erklärung der PTB Bl. 58-59 d.A. wurde auf Anregung des Verteidigers auszugsweise verlesen. Ebenso wurde auf Antrag des Verteidigers die Stellungnahme der Verbandsgemeinde Bl. 56 d.A. verlesen. Der FAER-Auszug wurde verlesen. Die Konformitätserklärung zum verwendeten Messgerät Bl. 23 d.A. wurde verlesen. Der Zeuge … wurde mit Zustimmung des Verteidigers anschließend unvernommen entlassen.
5. Soweit der Verteidiger im Rahmen der Beweisaufnahme beantragt hatte, ein Sachverständigengutachten zum Nachweis der Tatsache einzuholen, dass die gemessene Geschwindigkeit nicht 74 km/h, sondern 73 km/h betrug, und dass bei Verwendung eines Verbindungskabels von bis zu 10m höhere Störeinflüsse möglich sind als bei der Verwendung eines Verbindungskabels bis zu 3m, hat das Gericht diese Beweisanträge nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG durch Beschluss zurückgewiesen.
a) Es bestand für das Gericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme keine Veranlassung, den mündlich gestellten Beweisanträgen nachzugehen. Der oben festgestellte Messwert wurde ordnungsgemäß erzielt. Weiterer Beweisbedarf bestand demnach für das Gericht nicht, da ein so genanntes standardisiertes Messverfahren vorlag, dazu noch weiter unten.
b) Darüber hinaus entbehrte der Beweisantrag bezüglich der konkret behaupteten anderen Geschwindigkeit jeglicher Begründung, die das Gericht zu einer Annahme der aufgestellten Tatsachenbehauptung hätte veranlassen können. Denn der Verteidiger hat zwar vorgerichtlich ein für das Gericht nicht maßgebliches Privatgutachten vorgelegt. Dieses hat er aber in der Hauptverhandlung nicht ordnungsgemäß eingeführt. Eine genauere (schriftliche) Begründung des Beweisantrags ist ebenso wenig erfolgt. Bezüglich der hier offenbar angestrebten Kombination von konkretem und abstraktem Abzug von Werten hat sich das OLG Hamm, dessen Entscheidung sich das hier entscheidende Gericht anschließt, eindeutig ablehnend geäußert (OLG Hamm, Beschl. v. 24.01.2017 – 4 RBs 11/17 – juris): eine Akkumulation von konkreten Abzügen und Toleranzpauschale ist unzulässig. Werden konkrete Messfehler vorgetragen, besteht kein Bedarf für den allgemeinen Toleranzabzug. Werden konkrete Messfehler behauptet, die innerhalb der pauschalen Toleranzgrenze liegen, bedarf es ebenfalls keiner weiteren Beweisaufnahme. So läge der Fall auch hier, wenn es auf den Beweisantrag angekommen wäre.
c) Soweit der Verteidiger in der Hauptverhandlung des Weiteren unter Beweis gestellt hat, die Messung sei wegen des zu langen Verbindungskabels störanfälliger oder sie sei, wie der Verteidiger gemutmaßt hat, darüber hinaus sogar per se unverwertbar, da aufgrund des zu langen Verbindungskabels ein Verstoß gegen die Bauartzulassung vorliege, verfängt dies nicht. Hierzu hat die PTB bereits öffentlich einsehbar am 29.04.2016 Stellung genommen, sodass es sich um eine allgemeinkundige Quelle handelt (OLG Hamm, Beschl. v. 22.6.2016 – 1 RBs 131/15 – BeckRS 2016, 20767), und die in Textform vorliegende Stellungnahme wurde zudem verlesen.
Es bestehen laut der PTB keinerlei Einwirkungen auf das Messergebnis, die von der Kabellänge ausgehen könnten. Infolgedessen kann das Gericht auch nicht von einem relevanten Verstoß gegen die Bauartzulassung oder gegen die Konformitätserklärung ausgehen, sodass der Annahme, es liege kein standardisiertes Messverfahren mehr vor, nicht gefolgt werden kann (so aber noch AG Zeitz, Urt. v. 30.11.2015 – 13 OWi 721 Js 205989/15 – juris, das vor der Stellungnahme der PTB entschieden hatte). Denn die Annahme des so genannten standardisierten Messverfahrens beruht auf mehreren Komponenten, die aber allesamt zu dem Ergebnis führen müssen, dass ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren vorliegt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Wenn – wie hier und auch bei dem seit kurzem in der Diskussion stehenden Messverfahren PoliScan Speed – jedoch aus laut der PTB technisch zu vernachlässigenden Abweichungen zur Bauartzulassung / Konformitätserklärung wie dem zu langen Verbindungskabel zwischen Rechnereinheit und Bedieneinheit keine Auswirkungen auf das Messergebnis zu erwarten sind, kann rein rechtlich die Einordnung als standardisiertes Messverfahren nicht in Zweifel stehen (so auch OLG Zweibrücken, Beschl. v. 27.01.2017 – 1 OWi 1 SsBs 53/16 – zfs 2017, 172, zu PoliScanSpeed).
Ein Nachgehen der Beweisbehauptung der höheren Störanfälligkeit war ebenso wenig geboten. Zum einen ist die Beweiserhebung nicht mehr erforderlich, da das Messergebnis ordnungsgemäß festgestellt wurde. Zum anderen hat der gestellte Beweisantrag keinerlei Konnex zu der konkreten Messung und die Betroffene wäre für solche Fragen an das Eichamt zu verweisen, das ein Befundprüfungsverfahren kostenpflichtig einleiten könnte.
IV.
Die Betroffene hat sich deshalb wegen eines fahrlässig begangenen innerörtlichen Geschwindigkeitsverstoßes zu verantworten, §§ 3 Abs. 3, 49 StVO, 24 StVG. Anzeichen für ein vorsätzliches Verhalten lagen nicht vor, auch nicht indiziell.
V.
Das Gericht ist von der im BKat vorgesehenen Regelfolge ausgegangen, die eine Geldbuße von 80 EUR vorsieht. Besondere Umstände, die im Rahmen der Ermessensprüfung ein Abweichen nach oben oder unten gebieten würden, lagen nicht vor.
VI.
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