Gegen den Betroffenen erging ein Bußgeldbescheid, welcher diesem förmlich zugestellt wurde. Eine Benachrichtigung des Verteidigers gemäß § 145 Abs. 3 Satz 2 StPO bzw. § 51 Abs. 3 Satz 3 OWiG erfolgte irrtümlich nicht. Nach Bemerken des Fehlers – noch innerhalb der Einspruchsfrist – wurde seitens der Behörde die Benachrichtigung des Verteidigers verfügt, vier Tage später ausgedruckt und versandt. Diese erreichte den Verteidiger nach Ablauf der Einspruchfrist, welcher noch am selben Tag Einspruch einlegte. Nach Abgabe der Sache an das Amtsgericht verwarf dieses den Einspruch als unzulässig.
Auf die Beschwerde hin gewährte das Landgericht Frankfurt von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zwar sei der Bußgeldbescheid wirksam zugestellt und in die Einspruchsfrist in Gang gesetzt worden. Die unterlassene rechtzeitige Benachrichtigung des Verteidigers führe aber dazu, dass die Frist schuldlos versäumt worden sei. Denn Zweck der Benachrichtung sei es, dem Verteidiger die Fristenkontrolle zu übertragen, worauf sich der Betroffene verlassen dürfe.
LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 31.10.2019 – 5/9 Qs OWi 70/19
1. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 02.10.2019 wird der Beschluss des Amtsgerichts Königstein im Taunus vom 25.09.2019 (Az. 70 OWi 117 Js 43918/19) aufgehoben.
2. Dem Betroffenen wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 26.06.2019 (Az. …) auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe:
Das Regierungspräsidium Kassel erließ am 26.06.2019 (Az. …) einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen, dem diesem ausweislich der Postzustellungsurkunde am 04.07.2019 förmlich zugesteht wurde. Aufgrund einer fehlerhaften Adressierung wurde der Verteidiger des Betroffenen nicht entsprechend § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO zugleich von der erfolgten Zustellung in Kenntnis gesetzt. Nach Bemerken dieses Fehlers, wurde die Benachrichtigung des Verteidigers mit Schreiben des Regierungspräsidiums Kassel vom 12.07.2019 nachgeholt. Der diesbezügliche Druckauftrag wurde ausweislich der der Akte vorgehefteten “Übersicht über den Verfahrenslauf” am 16.07.2019 ausgeführt. Mit Faxschreiben vom 22.07.2019 legte der Verteidiger des Betroffenen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein, unter Beifügung einer Kopie desselben und der Benachrichtigung. Diese tragen beide den Posteingangsstempel der Kanzlei vom 22.07.2019. Daraufhin erfolgte die Abgabe des Verfahrens an das zuständige Amtsgericht Königstein. Dieses verwarf nach Anhörung des Betroffenen am 21.08.2019 dessen Einspruch mit Beschluss vom 25.09.2019 als unzulässig, weil die 2wöchige Einspruchsfrist versäumt worden sei. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 02.10.2019. Dieser trägt über seinen Verteidiger im Wesentlichen vor, dass die Fristversäumnis auf die fehlerhafte Unterrichtung des Verteidigers durch das Regierungspräsidium Kassel beruhe. Der Verteidiger habe umgehend nach Erhalt der Benachrichtigung vom 12.07.2019 am 22.07.2019 Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht habe aufgrund der genannten Umstände auch ohne seinen ausdrücklichen Antrag Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewähren müssen.
Die zulässige sofortige Beschwerde des Betroffenen hat auch in der Sache Erfolg. Der den Einspruch des Betroffenen vom 22.07.2019 verwerfende Beschluss des Amtsgerichts Königstein vom 25.09.2019 war aufzuheben. Dem Betroffenen war von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Einspruchsfrist zu gewähren (§ 45 Abs. 2 Satz 3 StPO).
Zunächst ist auszuführen, dass das Amtsgericht Königstein für die getroffene Entscheidung nach §§ 69, 70 OWiG zuständig war. Die diesbezügliche Rüge des Betroffenen geht fehl. Das Amtsgericht prüft nach § 70 Abs. 1 OWiG die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs selbstständig und ist an eine Rechtsauffassung der Verwaltungsbehörde nicht gebunden (vgl. auch Göhler, OWiG, § 70 Rn. 1).
Der Betroffene war indes ohne eigenes Verschulden daran gehindert die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen- den Bußgeldbescheid einzuhalten (§§ 46 Abs. 1, OWiG 44 StPO). Zwar wurde dem Betroffenen auch ohne die gleichzeitige Benachrichtigung des Verteidigers der Bußgeldbescheid wirksam zugestellt. Denn bei der in § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO normierten Unterrichtungspflicht handelt es sich nach allgemeiner Meinung nur um eine Ordnungsvorschrift (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO § 145a Rn. 14; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.12.1981 – 3 Ws 820/81 – beck-online; KG, Beschluss vom 09.01.2014- 2 Ws 2/14- 141 AR 692/13 – beck-online BeckRS 2014, 1 0367), so dass der Lauf der Einspruchsfrist in Gang gesetzt wurde.
Der hier vorliegende Verstoß nach § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO begründet jedoch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid vom 26.06.2019. Diese Vorschrift dient dem gesetzlichen Zweck, dem bevollmächtigten Verteidiger die Fristenkontrolle zu übertragen, so dass sich der Betroffene darauf verlassen können soll, dass der Verteidiger Kenntnis von der Zustellung der Entscheidung erhält, nach der er sich ohne zusätzliche Rückfragen bei dem Betroffenen richten kann (vgl. KG, Beschluss vom 09.01.2014- 2 Ws 2/14- 141 AR 692/13 – beck-online BeckRS 2014, 10367 – m.w.N.; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11 .12.1981 – 3 Ws 820/81 – beck-online). Demgemäß begründet das Unterbleiben der Benachrichtigung des Verteidigers die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn die Fristversäumnis darauf beruht und nicht besondere Umstände vorliegen, die dem Betroffenen Anlass geben mussten, für die Einhaltung der Frist auch selbst Sorge zu tragen (KG, Beschluss vom 09.01.2014 – 2 Ws 2/14- 141 AR 692/13 – beck-online BeckRS 2014, 10367; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.12.1981 – 3 Ws 820/81 – beck-online; OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.07.2009 – 4 Ws 127/09 – beck-online BeckRS 2009, 20732; Karlsruher Kommentar – Willnow, StPO § 145a Rn. 6).
Vorliegend sind keine Umstände ersichtlich, wonach der Betroffene die Fristversäumnis selbst mitverschuldet haben könnte und für die Einhaltung der Frist selbst hätte Sorge tragen müssen. Denn aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass die Versäumung der Einspruchsfrist ausschließlich auf der fehlerhaften Unterrichtung des Verteidigers beruht und diesem die nachgeholte Benachrichtigung vom 12.07.2019 – gedruckt am 16.07.2019 – ausweislich des Kanzleieingangsstempels erst am 22.07.2019 zugegangen ist. Die Unterrichtung des Verteidigers erfolgte damit – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts – erst nach Ablauf der Einspruchsfrist, die am 18.07.2019 endete, so dass nach § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO auch ohne vorherigen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen zu gewähren war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 7, 467 Abs. 1 analog StPO.
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