Der Betroffene, ein selbständiger Handwerker, und die Verwaltungsbehörde stritten darüber, ob der Betroffene berechtigt war, sein Fahrzeug, in welchem ein Handwerkerparkausweis ausgelegt war, an der fraglichen Stelle abzustellen. Die Behörde war der Ansicht, dass das Firmenschild des Betorffenen nicht ausreichend am Pkw befestigt gewesen sei, damit dieser von dem Parkausweis hätte Gebrauch machen dürfen. Nach Erlass eines Bußgeldbescheids mit einer Geldbuße von 10 Euro beauftragte der Betroffene einen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung. Nach Einspruch und Abgabe der Sache stellte das AG das Verfahren gemäß § 47 Abs. 2 OWiG ein legte die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auf.
Das LG Aachen sieht in dieser Konstellation die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts als erstattungsfähig an; die Sonderregelung des § 109a Abs. 1 OWiG greife nicht. Außer im Falle einer schwierigen Sach- oder Rechtslage gehörten die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts auch dann zu den notwendigen Auslagen i.S.d. § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, wenn seine Beauftragung wegen der Bedeutung der Sache für den Betroffenen geboten war. Das komme auch bei Sonder- oder Dauerparkberechtigungen in Betracht. Hier sei im Verfahren problematisiert worden, ob es sich bei dem Firmenschild am Fahrzeug um ein Magnetschild, eine mit Tesafilm befestigte Aufschrift oder ein vollverklebtes Firmenschild gehandelt habe. Seine Einwendungen habe der Betroffene zunächst selbst geltend gemacht; der anschließende Erlass eines Bußgeldbescheids habe bei ihm jedoch den Eindruck erwecken müssen, ohne anwaltliche Hilfe mit seinem Vorbringen nicht mehr durchzudringen. Mögliche Auswirkungen auf die Art und Weise der Nutzbarkeit des Handwerkerausweises und damit gegebenenfalls auch auf die berufliche Tätigkeit des Betroffenen hätten sich für ihn gestaltend ausgewirkt. Trotz der geringen Bußgeldhöhe stelle es sich dann nicht als missbräuchlich dar, einen Rechtsanwalt zu beauftragen.
LG Aachen, Beschluss vom 19.12.2018 – 66 Qs 61/18
Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 02.10.2018 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Aachen vom 03.09.2018 aufgehoben.
Die zuständige Rechtspflegerin des Amtsgerichts Aachen wird angewiesen, von ihren bisherigen Bedenken gegenüber der Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen des Verteidigers des Betroffenen abzusehen sowie über den Kostenfestsetzungsantrag vom 24.05.2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer und über die Kosten des Beschwerdeverfahrens erneut zu entscheiden.
Sachverhalt:
Dem Betroffenen, einem selbständigen Handwerker, wurde ein Parkverstoß zur Last gelegt. In seinem Anhörungsschreiben berief sich darauf, dass ihm von der Stadt A ein sog. „Handwerkerparkausweis“ ausgestellt worden sei, welcher ihm zum Parken an der fraglichen Stelle berechtige.
Die Ordnungsbehörde war der Ansicht, das Firmenschild des Betroffenen sei in einer solchen Art an seinem Pkw befestigt gewesen, welche ihn trotz des vorhandenen Handwerkerparkausweises nicht zum Abparken an der fraglichen Stelle berechtige. Sie erließ gegen ihn ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße in Höhe von 10 Euro.
Nunmehr beauftragte der Betroffene einen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung, welcher gegen den Bußgeldbescheid fristgerecht Einspruch einlegte. Das AG stellte das Bußgeldverfahren nach § 47 II OWiG ein und legte die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auf.
Der Verteidiger machte daraufhin seine gesetzlichen Gebühren gegenüber dem AG geltend.
Die Rechtspflegerin lehnte die Kostenfestsetzung unter Bezugnahme auf § 109a OWiG ab.
Hiergegen wandte sich der Betroffene mit der Beschwerde, welche Erfolg hatte.
Gründe:
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, §§ 464b, 304 ff., 311 StPO, §§ 103 Abs. 2 Satz 1, 104 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO, §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 1 RPflG zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Das Amtsgericht hat zu Unrecht den Kostenfestsetzungsantrag vom 24.05.2018 unter Anwendung von § 109a OWiG zurückgewiesen. Die Gebühren und Auslagen des Verteidigers des Betroffenen sind im vorliegenden Verfahren als notwendige Auslagen anzusehen. Der Ausnahmetatbestand des § 109a Abs. 1 OWiG liegt nicht vor.
Nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO gehören die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts grundsätzlich zu den notwendigen Auslagen, unabhängig davon, ob dessen Hinzuziehung durch Umfang und Schwierigkeit der Sache geboten ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.10.1989 – 2 Ws 475/89; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. 2018 § 464a Rn. 9 m.w.N.). § 109a Abs. 1 OWiG schafft – was das Amtsgericht zunächst zutreffend ausgeführt hat – allerdings in einem extrem gelagerten Teilbereich Abhilfe, indem er bestimmt, dass bei einer Bußgeldzumessung in der Höhe bis zu 10 Euro die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts dagegen nicht zu den notwendigen Auslagen gehören. In solchen Fällen ist es dem Betroffenen zuzumuten, seine Einwendungen im Bußgeldverfahren selbst vorzubringen (LG Osnabrück, Beschluss vom 20. Mai 1994 – 26 Qs OWi 20/94).
Um wiederum in Sonderfällen den Betroffenen auch unterhalb der 10 Euro-Grenze nicht schutzlos zu stellen, sieht Abs. 1 die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts aber dann als notwendige Auslagen an, wenn wegen der schwierigen Sach- oder Rechtslage oder der Bedeutung der Sache für den Betroffenen die Beauftragung eines Rechtsanwalts geboten war. Die erste Alternative kommt in Betracht, wenn es um die Klärung einer schwierigen Rechtsfrage geht, sei es, dass die Frage neu auftaucht, sei es, dass in der bisherigen Beurteilung Differenzen bestehen. Auch ein verwickelter und schwer aufklärbarer Sachverhalt kann die Zuziehung eines Verteidigers nötig machen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. Februar 1994 – 2 BvR 1883/93), wofür aber (vgl. LG Freiburg, Beschluss vom 17.01.1990 – IV Qs 165/89) beispielsweise sich inhaltlich gegenseitig ausschließende Sachverhaltsschilderungen von Zeugen allein nicht ausreichen. Die zweite Alternative (Bedeutung der Sache für den Betroffenen) kann dann gegeben sein, wenn der Ausgang des Bußgeldverfahrens die außergerichtliche oder prozessuale Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen beeinflussen kann oder wenn die Entscheidung sonst gestaltend auf die Position des Betroffenen einwirkt, von ihr z.B. eine Sonder- oder Dauerparkberechtigung abhängt (Hadamitzky in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, OWiG § 109a Rn. 5 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen lagen jedoch vor. Der vorliegende Sachverhalt unterschied sich von üblichen Fällen der Missachtung einer Parkbeschränkung. Der Betroffene machte geltend, über einen sog. Handwerkerparkausweis zu verfügen. Verfahrensgegenständlich war nach der Einlassung des Betroffenen sodann die Frage, ob es sich bei dem Firmenschild am Fahrzeug des Betroffenen um ein Magnetschild, um eine laminierte mit Tesafilm befestigte Aufschrift oder um ein vollverklebtes Firmenschild handelt. Der Betroffene hatte Einwendungen zunächst selbst gegenüber der Verwaltungsbehörde geltend gemacht. Welche Qualität die Befestigung des Schildes aufweist, kann der Verfahrensakte nicht sicher entnommen werden. Die zuständige Verwaltungsbehörde erließ sodann den verfahrensgegenständlichen Bußgeldbescheid. Schon dadurch musste bei dem Betroffenen der Eindruck erweckt werden, ohne anwaltliche Hilfe werde es ihm nicht möglich sein, mit seinem berechtigten Vorbringen durchzudringen (BVerfG, Beschluss v. 11.02.1994, 2 BvR 1883/93). Nach Auffassung der Kammer hatte eine Entscheidung im vorliegenden Verfahren für den Betroffenen auch besondere Bedeutung. Eine etwaige, einen Parkverstoß bejahende Entscheidung hätte jedenfalls Auswirkung auf die Art und Weise der Nutzbarkeit eines Handwerkerausweises im Stadtgebiet im Hinblick auf das betroffene Fahrzeug und damit gegebenenfalls auch auf die berufliche Tätigkeit des Betroffenen gehabt. Der Betroffene ist bereits ausweislich des verfahrensgegenständlichen Firmenschildes offensichtlich gewerblich tätig. Jedenfalls mittelbar hing von der Entscheidung im vorliegenden Verfahren – wie die Verteidigung zutreffend ausführt – mithin auch eine etwaige Sonder- oder Dauerparkberechtigung des Betroffenen ab bzw. hätte sich eine etwaige Entscheidung hierauf gestaltend auswirken können.
Aufgabe der Vorschrift des § 109 a Abs. 1 OWiG ist es, Missbräuchen Einhalt zu gebieten, die sich bei der Einschaltung von Rechtsanwälten in Bagatellverfahren gezeigt haben. Dabei hatte der Gesetzgeber vor Augen, dass es möglich sei, einen einfachen Parkverstoß auch ohne Anwalt vor Gericht klären zu lassen (zitiert nach BVerfG, Beschluss v. 11.02.1994, 2 BvR 1883/93). Aus den oben dargelegten Gründen stellt es sich auch vor dem Hintergrund der niedrigen Bußgeldhöhe im vorliegenden Verfahren aber eben nicht als missbräuchlich dar, dass der Betroffene anwaltliche Hilfe in Anspruch nahm.
Obwohl die im Verfahren geltend gemachten Gebühren und Auslagen des Verteidigers danach dem Grunde nach erstattungsfähig sind, hat sich das Amtsgericht – nach den dortigen Gründen folgerichtig – noch nicht mit der geltend gemachten Höhe auseinandergesetzt. Würde die Kammer diese Kostenfestsetzung jetzt von sich aus in einer vom Antrag abweichenden Weise vornehmen, ginge dem Betroffenen damit eine Überprüfungsmöglichkeit verloren. In entsprechender Anwendung der für das zivilprozessuale Beschwerdeverfahren geltenden Befugnis in § 572 Abs. 3 ZPO weist die Kammer die zuständige Rechtspflegerin des Amtsgerichts daher an, den Betroffenen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer erneut der Höhe nach zu bescheiden (vgl. dazu OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.01.2011, 2 Ws 20/11; LG Paderborn Beschluss vom 12.01.2015, 1 Qs 143/14).
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