Der Kläger wurde in seiner Eigenschaft als Leiter einer Freiwilligen Feuerwehr zu einem Verkehrsunfall auf der BAB 3 gerufen. Er stellte sein Dienstfahrzeug hinter mehreren bereits eingetroffenen Rettungsfahrzeugen ab und stieg aus. Der vom Beklagten zu 1 gesteuerte Sattelschlepper mit Auflieger fuhr kurz darauf nahezu ungebremst auf die Fahrzeugkolonne auf und schob diese zusammen. Der Kläger konnte sich durch einen Sprung zur Seite retten. Er behauptet, bei dem Unfall Todesängste und in der Folge eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten zu haben.

Das LG Darmstadt führt zunächst aus, dass sog. Schockschäden nur eingeschränkt Schadensersatzansprüche begründen können. So gelte das Miterleben eines schweren Unfalls durch einen Zuschauer als allgemeines Lebensrisiko und begründe keine Ansprüche gegen den Unfallverursacher. Der Kläger sei hier allerdings durch das Beklagtenfahrzeug selbst an Leib und Leben bedroht gewesen. Wer deshalb psychische Schäden erleide, weil er vom Schädiger in die Rolle eines Unfallbeteiligten gezwungen werde, stehe unter dem Schutzbereich der Haftungsvorschriften des § 823 Abs. 1 BGB und der §§ 7, 18 StVG. Die Ersatzpflicht umfasse dann regelmäßig auch psychisch bedingte Schadensfolgen.

Es könne nicht argumentiert werden, dass der Kläger als Berufshelfer sich bewusst Gefahren ausgesetzt habe. Als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr sei der Kläger schon nicht Berufshelfer in diesem Sinne, zudem habe sich auch kein typisches Einsatzrisiko der Feuerwehr realisiert, sondern ein solches aus dem allgemeinen Straßenverkehr realisiert. Psychische Erkrankungen dürften nicht als Zeichen mangelnder Selbstbeherrschung gewertet werden; der Ersatzpflichtige müsse den Geschädigten auch in psychischer Hinsicht so hinnehmen, wie er beschaffen ist.

LG Duisburg, Zwischenurteil vom 15.03.2019 – 8 O 132/18

Es wird dem Grunde nach festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, welches von der vollen Haftung der Beklagten für den Verkehrsunfall vom 01.08.2015 gegen 04:00 Uhr auf der BAB A 3 zwischen […] und […] ausgeht.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen Schäden zu ersetzen, die diesem aus dem Verkehrsunfall vom 01.08.2015 gegen 04:00 Uhr auf der BAB A 3, zwischen […] und […] entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht bereits auf Dritte übergegangen sind.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Tatbestand

Die Parteien streiten um immateriellen und materiellen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, wobei die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach nicht im Streit steht, sondern allein die rechtliche Reichweite der Schadensersatzpflicht sowie der Schadensumfang.

Der Kläger ist neben seiner beruflichen Tätigkeit Leiter der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt […]. In dieser Eigenschaft wurde er am 01.08.2015 gegen 03:40 Uhr zu einem Verkehrsunfall auf der BAB 3 alarmiert. Die Freiwillige Feuerwehr begab sich mit mehreren Fahrzeugen an die Unfallstelle, bei der sich bereits ein Rettungsdienstfahrzeug befand. Der Kläger stellte sein Dienstfahrzeug hinter dem Rettungswagen ab und stieg aus, um seine Ausrüstung anzulegen. Er stand noch neben seinem Fahrzeug, als ein von dem Beklagten zu 1.) gesteuerter, von der Beklagten zu 2.) gehaltener und bei der Beklagten zu 3.) haftpflichtversicherter Sattelschlepper mit Auflieger nahezu ungebremst auf die Fahrzeugkolonne auffuhr und dabei die Fahrzeuge zusammenschob bzw. wegschleuderte. Der Kläger konnte den Fahrzeugen durch einen Sprung zur Seite entkommen und wurde nicht unmittelbar körperlich verletzt. Anschließend rief er in sein Funkgerät: “Hier sind alle tot!”

Ob der Kläger bei diesem Unfall bzw. aufgrund dieses Unfalls psychische Beeinträchtigungen erlitt, ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig wurden weitere Rettungskräfte körperlich verletzt, zum Teil schwer.

Der Kläger verblieb am Unfallort und leitete unter Zuhilfenahme der Freiwilligen Feuerwehr […] den Einsatz weiter bis zum Ende der Aufräumarbeiten.

Mit Schreiben vom 04.07.2017 forderte der Klägervertreter vergebens die außergerichtliche Vertretung der Beklagten zu 3.) auf, dem Kläger bis zum 18.07.2017 vorläufig 4.000,- € auf Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderungen zu zahlen.

Das Psychotraumatische Zentrum für Diagnostik und Therapie erstellte am 18.01.2018 unter streitigen Begleitumständen einen psychotherapeutischen Verlaufsbericht über die Behandlung des Klägers, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf die entsprechende Anlage zur Klageschrift verwiesen wird.

Der Kläger behauptet, dass er bei dem streitgegenständlichen Unfall Todesängste erlitten habe, die er zunächst verdrängt habe. Das Erlebte habe zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung geführt. Er habe sich Wochen nach dem streitgegenständlichen Unfall am Sprunggelenk verletzt. Da diese Verletzung nicht ausgeheilt sei, habe sein Orthopäde eine psychische Ursache vermutet. Dies habe dazu geführt, dass der Kläger das Psychotraumatologische Zentrum aufgesucht habe. Dort seien eine schwere Belastungsstörung und eine mittelschwere depressive Episode festgestellt worden, die beide auf das Geschehen vom 01.08.2015 zurückzuführen seien. Auch das Nichtheilen der Sprunggelenksverletzung sei darauf zurückzuführen. Der Kläger sei stark thematisch auf den Unfall sowie die damit verbundenen Folgen eingeengt. Er sei seit dem 13.01.2017 in ambulanter psychologischer Behandlung.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, welches in das Ermessen des angerufenen Gerichtes gestellt wird, jedoch 5.000,00 € nicht unterschreiten sollte.

Das Schmerzensgeld ist zu verzinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB seit Rechtshängigkeit der Klage.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen Schäden zu ersetzen, die diesem aus dem Verkehrsunfall vom 01.08.2015 gegen 04:00 Uhr auf der BAB A 3, zwischen […] und […] entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht bereits auf Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten vollumfänglich die von dem Kläger behaupteten Verletzungen und psychischen Beeinträchtigungen sowie eine Ursächlichkeit des streitgegenständlichen Unfallereignisses für solche Verletzungen und Beeinträchtigungen. Zu dem behaupteten psychischen Zustand des Klägers hätten gegebenenfalls (jedenfalls auch) private Faktoren beigetragen, insbesondere wohl die Trennung des Klägers von seiner Lebensgefährtin. Die Beklagten behaupten weiter, dass die – bestrittenen – Beeinträchtigungen des Klägers nicht auf eine unmittelbare Unfallbeteiligung des Klägers zurückzuführen seien. Die Beklagten sind der Auffassung, dass dem Kläger als allenfalls mittelbar Geschädigtem hier unter Anwendung der gefestigten Rechtsprechung zu “Schockschäden” keine Ansprüche gegen die Beklagten zustünden. Zudem seien die Gefahren des Klägers, denen dieser möglicherweise in seiner Eigenschaft als Rettungskraft ausgesetzt gewesen sei, seinem eigenen Risikobereich zuzurechnen und nicht von den Beklagten zu vertreten. Die Beklagten rügen die Zuständigkeit des Landgerichts Darmstadt. Zudem habe der Kläger kein Feststellungsinteresse in Bezug auf den Klageantrag zu 2.) dargelegt. Hierauf erwidert der Kläger, dass er unverändert und unabsehbar lange in Therapie sei, was ein Feststellungsinteresse begründe. Auch gehöre es nicht zu den Gefahren, mit denen ein Feuerwehrmann bei seinem Einsatz rechnen müsse, von einem auffahrenden Fahrzeug erfasst zu werden. Zudem sei eine Haftungsreduzierung jedenfalls gegenüber freiwilligen Feuerwehrkräften nicht gerechtfertigt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrags beider Seiten einschließlich der vertretenen Rechtsauffassungen wird auf die zu den Akten gelangten Schriftsätze Bezug genommen. Der Kläger persönlich wurde im Rahmen der Güteverhandlung informatorisch angehört.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere bestehen keine Bedenken hinsichtlich der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts Darmstadt. Auch ist ein Feststellungsinteresse des Klägers gegeben.In der Sache ist die Klage dem Grunde nach begründet.

Hinsichtlich des Feststellungsantrags im Klageantrag zu 2.) war der Rechtsstreit aufgrund des unstreitigen Unfallgeschehens ohne Beweisaufnahme entscheidungsreif und wird insoweit mit diesem Urteil (bis auf die Kostenlast) für diese Instanz abgeschlossen.

Das Gericht hat entsprechend der Ankündigung in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des Klageantrags zu 1.), Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, durch Zwischenurteil über den Grund gemäß § 304 ZPO entschieden, da es der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens dienen dürfte, zunächst eine rechtskräftige Entscheidung über die streitigen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Haftung dem Grunde nach herbeizuführen, ohne in die Beweisaufnahme über die tatsächlichen Unfallfolgen einzutreten. Die im Zusammenhang mit den Unfallfolgen noch offenen Fragen sind rechtlich und wirtschaftlich erkennbar nachgeordnet im Verhältnis zur Frage der grundsätzlichen Beurteilung der Haftung. Es ist daher zu hoffen, dass die Parteien vor dem Hintergrund der Ausführungen in diesem Urteil hinsichtlich der Höhe des immateriellen Schadens eine einvernehmliche Lösung finden, ohne dass es einer zeit- und kostenintensiven Durchführung einer Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten bedarf.

Die Beklagten haften dem Kläger aufgrund des unstreitigen Unfallgeschehens dem Grunde nach als Gesamtschuldner für seine auf dem Verkehrsunfall beruhenden Schäden gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 823 BGB. Ein Fall der höheren Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG liegt für die Beklagten nicht vor. Es trifft den Kläger auch offenkundig kein Mitverschulden gemäß § 9 StVG.

Es wird nicht verkannt, dass nach gefestigter Rechtsprechung sogenannte Schockschäden, also psychisch vermittelte Gesundheitsverletzungen, die ein an sich Unbeteiligter durch das Miterleben eines schweren Unfalls als Zuschauer oder als Reaktion auf die Nachricht vom Tod oder der schweren Verletzung eines Angehörigen erleidet, nur eingeschränkt Schadensersatzansprüche begründen können. Insbesondere das Miterleben eines schweren Unfalls, bei dem der Betroffene nur als Zuschauer beteiligt ist, unterfällt nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung dem allgemeinen Lebensrisiko und begründet regelmäßig keine Schadensersatzansprüche gegen den Unfallverursacher (vgl. zu alledem die Darstellungen in Quaisser: Die Zukunft des “Schockschadens”, NZV 2015, 465 m. w. N.). Der Kläger ist hier jedoch gerade nicht als unbeteiligter Zuschauer im Sinne dieser Rechtsprechung anzusehen. Vielmehr war er unstreitig selbst durch das in die Unfallstelle einfahrende Beklagtenfahrzeug an Leib und Leben bedroht und konnte sich nur durch einen Sprung zur Seite vor schwersten körperlichen Verletzungen retten. Der Kläger war damit selbst unmittelbar dem Unfallgeschehen ausgesetzt. Wer deshalb psychische Schäden erleidet, weil er vom Schädiger in die Rolle eines Unfallbeteiligten gezwungen wird, steht nach gefestigter Rechtsprechung unter dem Schutzbereich der Haftungsvorschrift des § 823 Abs. 1 BGB bzw. der §§ 7, 18 StVG, weil seine körperliche Integrität in gleicher Weise wie bei einer nur “äußeren” Einwirkung beeinträchtigt wird. Er ist nicht nur mittelbar geschädigter Dritter; vielmehr ist unmittelbar in sein eigenes absolutes Recht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit eingegriffen worden. In einer solchen Situation umfasst die Ersatzpflicht des Schädigers regelmäßig auch die auf den psychischen Beeinträchtigungen beruhenden Schadensfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 12.11.1985, Az. VI ZR 103/84; abgedruckt u.a. MDR 1986, 487 f.; Urteil vom 16.03.1993, Az. VI ZR 101/92; abgedruckt u.a. MDR 1993, 1066; beide wie sämtliche weiteren zitierten Urteile im Langtext zit. nach juris). Es ist dabei nicht erforderlich, dass diese psychischen Unfallauswirkungen eine organische Ursache haben (vgl. BGH, Urteil vom 09.04.1991, Az. VI ZR 106/90; abgedruckt u.a. MDR 1992, 32). Selbst eine – hier derzeit ohnehin nicht erkennbare – psychische Anfälligkeit des Klägers oder eine neurotische Fehlverarbeitung des Erlebten würde die grundsätzliche Haftung der Beklagten nicht entfallen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.1996, Az. VI ZR 55/95; abgedruckt u.a. MDR 1996, 886 ff.). Auch entfällt eine Haftung nicht schon deshalb, weil sich die für den unmittelbar betroffenen Kläger bestehende Gefahr körperlicher Verletzungen letztlich nicht realisiert hat (vgl. MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rdnr. 154).

Soweit die Beklagten auf das Urteil des LG Duisburg vom 28.09.2015 (Az. 8 O 361/14) verweisen, wonach Gefahren, mit denen der Geschädigte aufgrund seines Berufs typischerweise konfrontiert werde, vom Schutzzweck der Norm nicht erfasst seien, denn gerade für Rettungskräfte gehöre es zu Ausbildung und Beruf, im Rahmen von Einsätzen mit dramatischen Ereignissen konfrontiert zu werden, sodass sich bei einer darauf zurückzuführenden posttraumatischen Belastungsstörung nach einem Einsatz gerade eine Gefahr aus ihrem beruflichen Risikobereich verwirklicht habe, die nicht demjenigen zuzurechnen sei, der den Einsatz überhaupt erst ausgelöst habe, ist nach Auffassung des entscheidenden Richters diese Argumentation aus mehreren Gründen auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Zum einen ergibt sich bereits aus der Entscheidung des LG Duisburg selbst, dass der dort problematisierte “Schutzzweck der Norm” sich in erster Linie auf den hier überhaupt nicht einschlägigen § 839 Abs. 1 BGB bezieht (vgl. dazu Zimmerling in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 839 BGB Rdnr. 295 Fußnote 1756). Vor allem aber ging es bei der Entscheidung des LG Duisburg um einen Geschädigten, der – anders als der Kläger im vorliegenden Fall – gerade nicht selbst unmittelbar unfallgeschädigt war und auch das eigentliche Unfallereignis (die “Love Parade”-Katastrophe) selbst nicht miterlebt hatte, sondern seine psychische Gesundheitsbeeinträchtigung allein auf das Miterleben dramatischer Unfallfolgen bei anderen zurückgeführt hatte. Dabei fällt auf, dass das OLG Düsseldorf, welches das Urteil des LG Duisburg mit Beschluss vom 07.06.2016 (Az. I-18 U 1/16) im Ergebnis bestätigt hat, sich mit dem Aspekt des beruflichen Risikobereichs überhaupt nicht befasst und eine Haftung der Schädiger dort allein wegen der fehlenden unmittelbaren Beteiligung der Rettungskraft am Unfallgeschehen verneint hat, während hier eine solche Unmittelbarkeit ja gerade gegeben ist, wie oben ausgeführt.Es wird nicht verkannt, dass auch in der Literatur teilweise dafür plädiert wird, bei Rettungskräften oder sonst hauptberuflich im Rettungswesen Tätigen wie Polizisten, Feuerwehrleuten oder Notärzten die psychische Fehlverarbeitung von Erlebnissen bei Einsätzen generell als allgemeines Lebensrisiko einzuordnen. Solche “Berufshelfer” hätten sich mit ihrer Berufswahl bewusst einem beruflichen Umfeld ausgesetzt, das bestimmte, psychisch mitunter schwer zu verarbeitende Erfahrungen mit sich bringe. Es gehöre für sie daher zu Ausbildung und Beruf, solche Einsätze nicht nur zu bewältigen, sondern auch zu verarbeiten. Es sei in erster Linie Aufgabe der Dienststellen, die “Berufshelfer” auf solche Aufgaben vorzubereiten und für die notwendige Betreuung nach dem Einsatz zu sorgen (vgl. zu alledem: Stöhr: Psychische Gesundheitsschäden und Regress, NZV 2009, 161 ff.; vgl. ferner: Luckey: Kausalität eines tätlichen Angriffs für eine posttraumatische Belastungsstörung bei Polizeibeamten, VersR 2011, 938, 941 m. w. N.). Diese Argumentation ist jedenfalls im vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht überzeugend. Zum einen ist der Kläger als Mitglied einer freiwilligen Feuerwehr gerade nicht mit einem “Berufshelfer” im Sinne der oben stehenden Argumentation zu vergleichen. Bei allem Respekt für die Ausbildung und die Einsatzbereitschaft freiwilliger Feuerwehrleute kann von diesen nicht erwartet werden, sich auf mögliche Gefahren und Belastungen im Zusammenhang mit ihren Einsätzen ähnlich intensiv vorzubereiten bzw. ggf. im Nachgang auseinanderzusetzen, wie dies hauptberuflichen Feuerwehrleuten möglich und zumutbar sein mag. Hinzu kommt, dass erhebliche Zweifel bestehen, ob sich im vorliegenden Fall überhaupt ein spezifisches Einsatzrisiko realisiert hat. Dass ein Lkw ungebremst auf ein Stauende, eine Unfallstelle oder ein ähnliches plötzlich auftauchendes Hindernis auffährt, dürfte wohl nicht zu den Risiken zu zählen sein, die Feuerwehrleute im Rahmen ihrer Einsätze bewusst bereit sind, zum Löschen, Helfen, zur Rettung oder Bergung auf sich zu nehmen. Vielmehr besteht ein solches Risiko für alle, die am allgemeinen Straßenverkehr (insbesondere auf Autobahnen) teilnehmen. Zudem sollte nicht übersehen werden, dass eine Einschränkung der Haftung bei einer Realisierung des “Berufswahlrisikos” zumindest teilweise nur für die Fallgruppe der psychischen Gesundheitsschäden nicht unmittelbar am Unfall Beteiligter gefordert wird, gerade nicht aber für die hier einschlägige Fallgruppe der direkt am Unfall Beteiligten (vgl. Stöhr a. a. O.)

Zum anderen wirkt diese Betrachtungsweise zumindest unterschwellig zu sehr von der Fehlvorstellung geprägt, dass psychische Erkrankungen ein Zeichen mangelnder “Selbstbeherrschung” seien und daher in der Regel dem Betroffenen selbst zugerechnet werden müssten; dieser dürfe sich eben nicht so gehen lassen (vgl. dazu Luckey a. a. O.: Es dränge sich die Frage auf, ob sich “ein Polizist wirklich beschweren darf, wenn er in seinem Berufsalltag auch mit Straftätern zu tun hat”.). Für die Haftungsbegründung nach §§ 823 Abs. 1 BGB, 7, 18 StVG kommt es aber allein auf den Krankheitswert der Beeinträchtigung an. Daher erkennt die Rechtsprechung heute zutreffend eine psychische Erkrankung im Allgemeinen auch ohne einen Zusammenhang mit organischen Verletzungen durchaus als Gesundheitsverletzung an (vgl. BGH, Urteil vom 09.04.1991, Az. VI ZR 106/90; abgedruckt u.a. MDR 1992, 32; Urteil vom 02.10.1990, Az. VI ZR 353/89; abgedruckt u.a. MDR 1991, 325). Innerhalb der psychischen Gesundheitsverletzungen nach der Art der Verursachung zu differenzieren, ist hingegen in keiner Weise gesetzlich vorgesehen. Im Gegenteil besteht die Gefahr, durch laienhafte “Alltagstheorien” medizinisch unhaltbare Konstrukte zur Grundlage rechtlicher Entscheidungen zu erheben. Der allgemeine Grundsatz, dass der Ersatzpflichtige den Geschädigten so hinnehmen muss, wie er nun einmal beschaffen ist, gilt für psychische Schäden genauso wie für körperliche (vgl. zu alledem: Staudinger/Schiemann (2017) BGB § 249 Rdnr. 46 m. w. N.; vgl. ferner MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, BGB § 823 Rdnr. 187).

Es ist daher nicht ersichtlich, mit welcher Begründung die Beklagten hier aus ihrer straßenverkehrsrechtlichen Gefährdungshaftung für die vom Beklagtenfahrzeug verursachten Schäden entlassen werden sollten. Selbst wenn man der Beklagtenseite insoweit folgen sollte, dass sich hier (auch) ein “Berufswahlrisiko” des Klägers verwirklicht habe, schließt dies gerade nicht von vorne herein jede Zurechnung aus. Auch Personen, die gefahrgeneigte Berufe ausüben, stehen jedenfalls bei unmittelbaren Verletzungen und Beeinträchtigungen unter dem Schutze des Gesetzes (vgl. dazu: OLG Koblenz, Urteil vom 08.03.2010, Az. 1 U 1137/06; abgedruckt VersR 2011, 938 ff.; vgl. ferner OLG Celle, Urteil vom 28.04.2005, Az. 9 U 242/04; abgedruckt VersR 2006, 1376 f.).

Sonstige Bedenken hinsichtlich einer Haftung der Beklagten dem Grunde nach bestehen nicht.

Da es diesem Urteil an einem vollstreckungsfähigen Inhalt fehlt, ist keine vorläufige Vollstreckbarkeit anzuordnen. Auch eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.