Gelegentlich macht sich eine Besonderheit des Beschlussverfahrens (§ 72 OWiG) bemerkbar: Das Rechtsbeschwerdegericht ist hier bei Erhebung der Sachrüge nicht – wie üblich – auf die Überprüfung der Urteilsgründe beschränkt; vielmehr steht ihm der gesamte Akteninhalt offen (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 05.01.2016 – 4 RBs 320/15). Ausgewirkt hat sich das in diesem Fall nicht: Zwar sei das Amtsgericht in den Beschlussgründen nicht auf eine Stellungnahme einer Steuerberatungsgesellschaft zur Auswirkung eines Fahrverbotes auf den Betroffenen eingegangen. Aus der Stellungnahme ergebe sich jedoch eine Existenzgefährdung bei dem Betroffenen im Falle der Festsetzung eines Fahrverbotes nicht ausreichend deutlich.

OLG Bamberg, Beschluss vom 22.02.2018 – 2 Ss OWi 111/18

I. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 28.11.2017 wird als unbegründet verworfen.

II. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Die Nachprüfung des Beschlusses aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

Zur Begründung wird auf die – auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung der Verteidigung vom 12.02.2018 – im Ergebnis zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg in ihrer Antragsschrift vom 22.01.2018 Bezug genommen.
Ergänzend bemerkt der Senat:

Anders als im Urteilsverfahren wird dem Rechtsbeschwerdegericht im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG durch die hier erhobene Sachrüge auch der Zugang zu den Prozessakten eröffnet, so dass dem Senat als Prüfungsgrundlage nicht nur die Beschlussurkunde, sondern der gesamte Akteninhalt zur Verfügung steht (KK-Senge OWiG 5. Aufl. § 72 Rn. 58 und 76, jeweils m.w.N.). Der Senat hat demgemäß auch das Vorbringen hinsichtlich einer Existenzgefährdung des Betroffenen durch Wegfall seines Arbeitsplatzes in den Schriftsätzen der Verteidigung vom 20.10.2017 und 30.10.2017 mit anliegender Stellungnahme der C. Steuerberatungsgesellschaft mbH vom 27.10.2017 zu berücksichtigen.

Auf der Grundlage des dortigen Vortrages bestand für den Tatrichter indes kein Anlass, sich mit einer Gefahr für den Fortbestand der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen auseinanderzusetzen. Unter dem Aspekt der Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG kann die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit nämlich allenfalls dann überschritten sein, wenn aufgrund des verhängten einmonatigen Fahrverbotes ernstliche Gefahr für den Fortbestand der wirtschaftlichen Existenz des Unternehmens sowie des Betroffenen auch für den Fall bestünde, dass der Betroffene alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Folgen des Fahrverbots gering zu halten (vgl. BVerfG NJW 1995, 1541).

Hiervon muss der Tatrichter erst dann auszugehen, wenn der Betroffene verifizierbare Tatsachen substantiiert vorträgt, die die Annahme einer konkreten Existenzgefahr greifbar erscheinen lassen (BVerfG aaO). Erst wenn der Betroffene dieser Darlegungslast genügt, hat der Tatrichter nicht nur seiner diesbezüglichen Prüfungspflicht nachzukommen, sondern auch deren Ergebnis in den Entscheidungsgründen so detailliert darzulegen, dass das Rechtsbeschwerdegericht in die Lage versetzt wird, zu prüfen, ob die letztlich für die Rechtsfolgenentscheidung bestimmenden Erwägungen von Rechtsfehlern frei sind (§ 72 Abs. 4 S. 5 OWiG, § 267 Abs. 3 S. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG). Der nicht näher ausgeführte Vortrag des Betroffenen, wonach „ein Fahrverbot das Vertragsverhältnis mit dem einzigen Auftraggeber“ des Unternehmens „gefährden könnte“, weil „die Beschaffung eines Aushilfsfahrers für befristet auf einen Monat nahezu unmöglich erscheint“ (Stellungnahme der C. Steuerberatungsgesellschaft mbH vom 27.10.2017 – Bl. 95 d.A.), genügt diesen Anforderungen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.