Quelle: fdecomite, Wikimedia Commons

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In Riga (Lettland) ereignete sich ein Verkehrsunfall, als ein (minderjähriger) Fahrgast die Tür eines Taxis öffnete und ein Oberleitungsbus mit dieser kollidierte. Die Busgesellschaft beantragte bei der Polizei nach Durchführung eines Ordnungswidrigkeitenverfahren u. a. Auskunft über die Person des Betroffenen sowie Kopien der im Verfahren von verschiedenen Personen getätigten (Zeugen-)Aussagen. Der Gesellschaft wurden jedoch nur Vor- und Nachname des Fahrgasts, nicht aber dessen persönliche Identifikationsnummer oder Wohnsitz mitgeteilt. Nach Anfechtung dieser Entscheidung gab ein Verwaltungsgericht der Nationalpolizei auf, auch die Identifikationsnummer sowie den Wohnsitz des Minderjährigen mitzuteilen. Das gegen diese Entscheidung von der Polizei angerufene zweitinstanzliche Gericht hat die Sache dem EuGH vorgelegt. Dieser hat entschieden, dass die europäische Datenschutzrichtlinie (95/46/EG) nicht dazu verpflichte, einem Dritten die genannten personenbezogenen Daten zu übermitteln. Art. 7 lit. f der Richtlinie führe nicht zu einer Verpflichtung, sondern könne dem Verantwortlichen lediglich eine solche Übermittlung erlauben. Die Voraussetzungen der Erlaubnisnorm lägen hier vor, so dass das europäische Recht der Übermittlung jedenfalls nicht entgegenstehe. Dies gelte auch bei einem minderjährigen Unfallgegner (EuGH, Urteil vom 04.05.2017 – C-13/16).

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31).

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Valsts policijas R?gas re?iona p?rvaldes K?rt?bas policijas p?rvalde (Amt für Verkehrsordnungswidrigkeiten der Abteilung Ordnungspolizei der Nationalpolizei des Bezirks Riga, Lettland) und der R?gas pašvald?bas SIA „R?gas satiksme“ (im Folgenden: R?gas satiksme), der Betreiberin der Oberleitungsbusse der Stadt Riga, über einen Antrag auf Übermittlung von Daten zur Identifizierung des Verursachers eines Unfalls.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Art. 1 („Gegenstand der Richtlinie“) der Richtlinie 95/46 lautet:

„(1)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten nach den Bestimmungen dieser Richtlinie den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.

(2)   Die Mitgliedstaaten beschränken oder untersagen nicht den freien Verkehr personenbezogener Daten zwischen Mitgliedstaaten aus Gründen des gemäß Absatz 1 gewährleisteten Schutzes.“

Art. 2 der Richtlinie 95/46 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)

‚personenbezogene Daten‘ alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person (‚betroffene Person‘); als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind;

b)

‚Verarbeitung personenbezogener Daten‘ (‚Verarbeitung‘) jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Speichern, die Organisation, die Aufbewahrung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Benutzung, die Weitergabe durch Übermittlung, Verbreitung oder jede andere Form der Bereitstellung, die Kombination oder die Verknüpfung sowie das Sperren, Löschen oder Vernichten;

d)

‚für die Verarbeitung Verantwortlicher‘ die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder jede andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Sind die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten in einzelstaatlichen oder gemeinschaftlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegt, so können der für die Verarbeitung Verantwortliche bzw. die spezifischen Kriterien für seine Benennung durch einzelstaatliche oder gemeinschaftliche Rechtsvorschriften bestimmt werden;

…“

Art. 5 der Richtlinie 95/46 lautet:

„Die Mitgliedstaaten bestimmen nach Maßgabe dieses Kapitels die Voraussetzungen näher, unter denen die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist.“

In Kapitel II Abschnitt II der Richtlinie 95/46 bestimmt Art. 7 („Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung von Daten“):

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten lediglich erfolgen darf, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

a)

Die betroffene Person hat ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben;

b)

die Verarbeitung ist erforderlich für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder für die Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen, die auf Antrag der betroffenen Person erfolgen;

c)

die Verarbeitung ist für die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der für die Verarbeitung Verantwortliche unterliegt;

d)

die Verarbeitung ist erforderlich für die Wahrung lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person;

e)

die Verarbeitung ist erforderlich für die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt und dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder dem Dritten, dem die Daten übermittelt werden, übertragen wurde;

f)

die Verarbeitung ist erforderlich zur Verwirklichung des berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die gemäß Artikel 1 Absatz 1 geschützt sind, überwie[g]en.“

Nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 95/46 gilt das Verbot der Verarbeitung bestimmter Arten personenbezogener Daten, etwa solcher, aus denen die rassische Herkunft oder politische Meinungen hervorgehen, nicht, wenn sich die Verarbeitung auf Daten bezieht, die die betroffene Person offenkundig öffentlich gemacht hat, oder zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche vor Gericht erforderlich ist.

Lettisches Recht

Art. 6 der Fizisko personu datu aizsardz?bas likums (Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten) vom 23. März 2000 (Latvijas V?stnesis, 2000, Nr. 123/124) lautet:

„Jede natürliche Person hat Anspruch auf Schutz der personenbezogenen Daten, die sie betreffen.“

Nach Art. 7 dieses Gesetzes, der der Umsetzung von Art. 7 der Richtlinie 95/46 dient, ist die Verarbeitung personenbezogener Daten, soweit in dem Gesetz nichts anderes vorgesehen ist, nur zulässig, wenn mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

„1.

[D]ie Einwilligung der betroffenen Person liegt vor;

2.

die Verarbeitung der Daten beruht auf vertraglichen Verpflichtungen der betroffenen Person oder ist in Anbetracht eines Antrags der betroffenen Person für den Abschluss des betreffenden Vertrags erforderlich;

3.

die Verarbeitung der Daten ist zur Erfüllung einer rechtlichen Pflicht erforderlich, der der für die Verarbeitung Verantwortliche unterliegt;

4.

die Verarbeitung der Daten ist erforderlich für den Schutz vitaler Interessen der betroffenen Person, einschließlich ihres Lebens und ihrer Gesundheit;

5.

die Verarbeitung der Daten ist für die Wahrung des öffentlichen Interesses oder für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben erforderlich, zu deren Wahrnehmung die personenbezogenen Daten an den für die Verarbeitung Verantwortlichen oder an einen Dritten übermittelt wurden;

6.

die Verarbeitung der Daten ist erforderlich, um unter Wahrung der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person ein berechtigtes Interesse des für die Verarbeitung Verantwortlichen oder eines Dritten, dem die personenbezogenen Daten übermittelt werden, wahrzunehmen.“

Nach Art. 12 des Gesetzes dürfen personenbezogene Daten, die Straftaten, straf- und verwaltungsrechtliche Verurteilungen, gerichtliche Entscheidungen und gerichtliche Akten betreffen, nur von den in dem Gesetz genannten Personen und nur in den in dem Gesetz genannten Fällen verarbeitet werden.

Dem durch eine Ordnungswidrigkeit Geschädigten kann im Ordnungswidrigkeitsverfahren nach Art. 261 des Latvijas Administrat?vo p?rk?pumu kodekss (lettisches Ordnungswidrigkeitengesetzbuch) von der Stelle oder dem Amtsträger, die bzw. der für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit zuständig ist, auf Antrag der Status als Verletzter zuerkannt werden. In dieser Vorschrift sind auch die Rechte des Verletzten geregelt, u. a. das Recht auf Akteneinsicht und die Verfahrensrechte zur Erlangung einer Entschädigung.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Im Dezember 2012 ereignete sich in Riga ein Verkehrsunfall. Ein Taxifahrer hatte sein Fahrzeug am Straßenrand angehalten. In dem Moment, als ein Oberleitungsbus der R?gas satiksme an dem Taxi vorbeifuhr, öffnete der Fahrgast im Fond des Taxis die Tür, die an den Oberleitungsbus stieß und diesen beschädigte. Es wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet und eine Ordnungswidrigkeit festgestellt.

Da R?gas satiksme zunächst davon ausging, dass der Taxifahrer den Unfall verschuldet habe, forderte sie von der Versicherungsgesellschaft, bei der der Eigentümer bzw. berechtigte Fahrer des Taxis haftpflichtversichert war, Schadensersatz. Diese teilte jedoch mit, dass sie keinerlei Schadensersatz leisten werde. Der Unfall sei nicht durch den Taxifahrer, sondern durch den Fahrgast verschuldet worden. R?gas satiksme könne ihre Ansprüche gegen den Fahrgast auf dem Zivilrechtsweg verfolgen.

R?gas satiksme wandte sich an die Nationalpolizei. Sie verlangte Auskunft über die Person, gegen die wegen des Unfalls eine Verwaltungssanktion verhängt worden war, ferner Kopien der Aussagen des Taxifahrers und des Fahrgasts zum Hergang des Unfalls sowie Auskunft über den Namen, den Vornamen, die persönliche Identifikationsnummer und den Wohnsitz des Fahrgasts des Taxis. Sie versicherte, dass die Informationen ausschließlich für die Erhebung einer Zivilklage verwendet würden.

Die Nationalpolizei gab dem Antrag von R?gas satiksme nur teilweise statt. Sie teilte den Namen und den Vornamen des Fahrgasts des Taxis mit, lehnte es aber ab, die persönliche Identifikationsnummer und den Wohnsitz dieser Person mitzuteilen. Sie übersandte auch keine Kopien der Aussagen der Unfallbeteiligten.

Die Nationalpolizei begründete ihre Entscheidung damit, dass Informationen zu einem Ordnungswidrigkeitsverfahren ausschließlich den Verfahrensbeteiligten erteilt werden dürften. R?gas satiksme sei hier aber nicht Verfahrensbeteiligte. Nach dem lettischen Ordnungswidrigkeitengesetzbuch werde im Ordnungswidrigkeitsverfahren von der Stelle oder dem Amtsträger, die bzw. der für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit zuständig sei, auf Antrag der Status als Verletzter zuerkannt. R?gas satiksme habe von diesem Recht im vorliegenden Ordnungswidrigkeitsverfahren aber keinen Gebrauch gemacht.

R?gas satiksme focht die Entscheidung der Nationalpolizei vor dem Administrat?v? rajona tiesa (Verwaltungsgericht des ersten Rechtszugs, Lettland) insoweit an, als mit ihr die Bekanntgabe der persönlichen Identifikationsnummer und des Wohnsitzes des am Unfall beteiligten Fahrgasts abgelehnt wurde. Mit Urteil vom 16. Mai 2014 gab das Verwaltungsgericht der Klage von R?gas satiksme statt. Es verurteilte die Nationalpolizei, die Informationen über die persönliche Identifikationsnummer und die Wohnsitzanschrift des Fahrgasts des Taxis zu erteilen.

Die Nationalpolizei hat beim vorlegenden Gericht Kassationsbeschwerde eingelegt. Auf Ersuchen des vorlegenden Gerichts hat sich die Datu valsts inspekcija (nationale Datenschutzbehörde, Lettland) mit Schreiben vom 13. Oktober 2015 dahin geäußert, dass Art. 7 Nr. 6 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten im vorliegenden Fall nicht als Rechtsgrundlage für die Bekanntgabe der Daten herangezogen werden könne, da im Ordnungswidrigkeitengesetzbuch festgelegt sei, an wen die Nationalpolizei Informationen über ein Verfahren bekannt geben dürfe. Daher sei die Bekanntgabe personenbezogener Daten aus dem Ordnungswidrigkeitsverfahren nur nach Art. 7 Nrn. 3 und 5 bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen möglich. Außerdem verpflichte Art. 7 dieses Gesetzes den für die Verarbeitung Verantwortlichen, hier die Nationalpolizei, nicht zur Bekanntgabe der Daten, sondern ermächtige ihn lediglich hierzu.

Die nationale Datenschutzbehörde hat darauf hingewiesen, dass R?gas satiksme zwei Möglichkeiten zur Verfügung stünden, um die Informationen zu erlangen. Zum einen könne sie beim Einwohnermelderegister einen mit Gründen versehenen Antrag stellen. Zum anderen könne sie bei Gericht einen Antrag auf Beweissicherung gemäß den Art. 98, 99 und 100 des Zivilprozessgesetzes einreichen und beantragen, bei der Nationalpolizei die personenbezogenen Daten anzufordern, die sie benötige, um gerichtlich gegen den Betreffenden vorzugehen.

Dem vorlegenden Gericht erscheinen diese Wege nicht unbedingt Erfolg versprechend. Bei einer Anfrage beim Einwohnermelderegister unter Angabe lediglich des Namens des Fahrgasts des Taxis sei nicht auszuschließen, dass sich dieser ohne persönliche Identifikationsnummer nicht individualisieren lasse. Es sei durchaus denkbar, dass mehrere Personen mit demselben Namen und demselben Vornamen existierten. Außerdem müsse dem Kläger nach den nationalen Vorschriften über die Beweissicherung zumindest der Wohnsitz des Beklagten bekannt sein, wenn er eine Zivilklage erheben wolle.

Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass insoweit Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „Erforderlichkeit“ in Art. 7 Buchst. f der Richtlinie bestehen.

Die Augst?k?s tiesas Administrat?vo lietu departaments (Oberster Gerichtshof, Abteilung für Verwaltungsstreitsachen, Lettland) hat das Verfahren deshalb ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Ist der Ausdruck „die Verarbeitung ist erforderlich zur Verwirklichung des berechtigten Interesses, das … von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden“, in Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen, dass die Nationalpolizei gegenüber R?gas satiksme die von dieser verlangten, für die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage erforderlichen personenbezogenen Daten offenlegen muss?

2.

Hat der Umstand, dass – wie sich aus den Akten ergibt – der Taxifahrgast, dessen Daten R?gas satiksme begehrt, zum Zeitpunkt des Unfalls minderjährig war, Einfluss auf die Beantwortung dieser Frage?

Zu den Vorlagefragen

Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass er dazu verpflichtet, einem Dritten personenbezogene Daten zu übermitteln, damit er vor einem Zivilgericht Klage auf Ersatz eines durch die betreffende Person verursachten Schadens erheben kann, und ob deren Minderjährigkeit für die Auslegung der Vorschrift von Bedeutung ist.

Im Ausgangsverfahren ist unstreitig, dass die Identifikationsnummer und die Anschrift des Fahrgasts des Taxis, deren Übermittlung R?gas satiksme begehrt, Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person und damit „personenbezogene Daten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 darstellen. Unstreitig ist auch, dass die Nationalpolizei, bei der der Antrag eingereicht worden ist, der für die Verarbeitung dieser Daten, insbesondere ihre Übermittlung, Verantwortliche im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie ist.

Nach Art. 5 der Richtlinie 95/46 haben die Mitgliedstaaten nach Maßgabe der Vorschriften der Richtlinie die Voraussetzungen näher zu bestimmen, unter denen die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist. Insoweit bestimmt Art. 7 der Richtlinie, der die Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung solcher Daten festlegt, dass „[d]ie Mitgliedstaaten vor[sehen], dass die Verarbeitung personenbezogener Daten lediglich erfolgen darf“, wenn eine der in dieser Vorschrift abschließend aufgeführten Voraussetzungen erfüllt ist. Nach Art. 7 Buchst. f der Richtlinie darf die Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgen, wenn sie zur Verwirklichung des berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, erforderlich ist, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 geschützt sind, überwiegen.

Mithin ergibt sich aus der Systematik der Richtlinie 95/46 und dem Wortlaut ihres Art. 7, dass ihr Art. 7 Buchst. f für sich genommen nicht zu einer Verarbeitung von Daten wie der Übermittlung an einen Dritten von Daten, die zur Verwirklichung von dessen berechtigtem Interesse erforderlich sind, verpflichtet, sondern eine solche Verarbeitung von Daten lediglich erlaubt. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 43 bis 46 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sprechen auch andere Unionsrechtsakte zu personenbezogenen Daten für eine solche Auslegung (vgl. in diesem Sinne zur Verarbeitung personenbezogener Daten im Bereich der elektronischen Kommunikation Urteil vom 29. Januar 2008, Promusicae, C?275/06, EU:C:2008:54, Rn. 54 und 55).

Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 steht der Übermittlung solcher Daten gemäß dem nationalen Recht, sofern die in ihm genannten Voraussetzungen erfüllt sind, aber nicht entgegen.

Nach Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 ist die Verarbeitung personenbezogener Daten unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig: berechtigtes Interesse, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden (1), Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses (2) und kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person (3).

Zur Voraussetzung der Wahrnehmung eines berechtigten Interesses ist festzustellen, dass, wie der Generalanwalt in den Nrn. 65, 79 und 80 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kein Zweifel daran besteht, dass das Interesse eines Dritten, eine persönliche Information über eine Person zu erlangen, die sein Eigentum verletzt hat, um gegen sie eine Schadensersatzklage zu erheben, berechtigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Januar 2008, Promusicae, C?275/06, EU:C:2008:54, Rn. 53). Bestätigt wird dies durch Art. 8 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 95/46, nach dem das Verbot der Verarbeitung bestimmter Arten personenbezogener Daten, etwa derer, aus denen die rassische Herkunft oder politische Meinungen hervorgehen, u. a. dann nicht gilt, wenn die Verarbeitung der Daten zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche vor Gericht erforderlich ist.

Zur Voraussetzung der Erforderlichkeit der Verarbeitung der Daten ist festzustellen, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen (Urteile vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, C?92/09 und C?93/09, EU:C:2010:662, Rn. 86, vom 7. November 2013, IPI, C?473/12, EU:C:2013:715, Rn. 39, und vom 11. Dezember 2014, Ryneš, C?212/13, EU:C:2014:2428, Rn. 28). Im vorliegenden Fall lässt sich der Verursacher des Schadens nach den Angaben des vorlegenden Gerichts allein anhand des Namens und des Vornamens nicht hinreichend identifizieren, um eine Klage gegen ihn erheben zu können. Hierzu ist nach der Vorlageentscheidung ferner die Anschrift und/oder die Identifikationsnummer dieser Person erforderlich.

Zur Voraussetzung der Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen ist festzustellen, dass sie grundsätzlich von den konkreten Umständen des betreffenden Einzelfalls abhängt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. November 2011, Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito, C?468/10 und C?469/10, EU:C:2011:777, Rn. 40, und vom 19. Oktober 2016, Breyer, C?582/14, EU:C:2016:779, Rn. 62).

Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass berücksichtigt werden kann, dass die Grundrechte der betroffenen Person durch die Datenverarbeitung unterschiedlich stark beeinträchtigt sein können, je nachdem, ob die in Rede stehenden Daten öffentlich zugänglich sind oder nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. November 2011, Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito, C?468/10 und C?469/10, EU:C:2011:777, Rn. 44).

Zum zweiten Teil der Vorlagefrage, wie sie oben in Rn. 23 umformuliert worden ist, ist festzustellen, dass das Alter der betreffenden Person einen der Gesichtspunkte darstellen kann, die im Rahmen der Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen zu berücksichtigen sind. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 82, 83 und 84 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, erscheint es – unter dem Vorbehalt der insoweit von dem nationalen Gericht durchzuführenden Überprüfungen – unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht gerechtfertigt, es nur deshalb abzulehnen, dem Geschädigten personenbezogene Daten, die für die Erhebung einer Schadensersatzklage gegen den Verursacher des Schadens oder gegebenenfalls Personen, die die elterliche Sorge ausüben, erforderlich sind, zu übermitteln, weil der Verursacher des Schadens minderjährig ist.

Somit ist Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen, dass er nicht dazu verpflichtet, einem Dritten personenbezogene Daten zu übermitteln, damit er vor einem Zivilgericht Klage auf Ersatz eines durch die betreffende Person verursachten Schadens erheben kann. Jedoch steht er der Übermittlung solcher Daten auf der Grundlage des nationalen Rechts nicht entgegen.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass er nicht dazu verpflichtet, einem Dritten personenbezogene Daten zu übermitteln, damit er vor einem Zivilgericht Klage auf Ersatz eines durch die betreffende Person verursachten Schadens erheben kann. Jedoch steht er der Übermittlung solcher Daten auf der Grundlage des nationalen Rechts nicht entgegen.