Quelle: pixabay.com

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Die Klägerin ist Herstellerin des Geschwindigkeitsmessgeräts ES 3.0. Die Daten, die das Gerät erzeugt, u. a. Fotos der erfassten Fahrzeuge, die vom jeweiligen Fahrzeug gefahrene Geschwindigkeit sowie Rohdaten, aus denen das Gerät diese Geschwindigkeit errechnet hat, werden verschlüsselt bzw. codiert in Dateien gespeichert. Die Klägerin bietet weiterhin eine Software zum Kauf an (eso Digitales II Viewer), die den Zugriff auf das Foto sowie die Messdaten erlaubt. Eine Analyse der Rohdaten ist durch diese Software nicht möglich und wurde zunächst nur durch die Messgeräteherstellerin selbst als Dienstleistung angeboten.

Dem beklagten Sachverständigen für Verkehrsmesstechnik ist es gelungen, die Inhalte der vom Gerät erzeugten Messdateien – einschließlich der Rohdaten – selbst und ohne Mitwirkung der Klägerin zu entschlüsseln und auszuwerten. Eine gegen dieses Vorgehen gerichtete Unterlassungsklage hat das Landgericht Halle mit Urteil vom 05.12.2013, Az. 5 O 110/13 abgewiesen.

Die Klägerin argumentierte, eine Auswertung der Rohdaten und damit Überprüfung und Kenntnis der internen Funktion des Geräts sei für Sachverständige und Bußgeldrichter nicht notwendig, da dieses bereits von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) geprüft und zugelassen sei. Ähnlich argumentieren diverse Amts- und Oberlandesgerichte in Bußgeldverfahren (mit dem Begriff des standardisierten Messverfahrens) und halten die mangelnden Überprüfungsmöglichkeiten bei modernen Messgeräten oft für unbedenklich, wenn die Verteidiger diese rügen. Dazu führt das Landgericht aus:

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Überprüfung der Messergebnisse anhand der gespeicherten Rohdaten nicht bereits deshalb jedem Dritten oder den Gerichten verwehrt, weil das Messgerät das Zulassungsverfahren der PTB Braunschweig durchlaufen hat. Aus der auszugsweise dargestellten Mitteilung der PTB ergibt sich, dass es dabei um die Frage der Geeignetheit des Gerätes geht, überhaupt als Geschwindigkeitsmessgerät zum Einsatz zu kommen. Die Mitteilung enthält aber kein (ggf. unwirksames) Verbot der Überprüfung der gespeicherten Rohdaten und verhält sich nicht zur Frage der Überprüfung des konkret gewonnen Messwertes. Der zitierten Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 29.1.2013, III-1 RBs 2/13, zit. nach juris) lässt sich die behauptete generelle Nicht-Überprüfung ebenfalls nicht entnehmen. Die Überprüfung der Messung scheiterte lediglich daran, dass keine konkreten Einwendungen gegen das Messergebnis erhoben worden waren.

Daher ist es weder den Gerichten noch den durch den von einer Geschwindigkeitsmessung Betroffenen verwehrt, das Zustandekommen und damit die Richtigkeit des Messergebnisses zu überprüfen.

Ein Unterlassungsanspruch könnte sich bei einem Verstoß gegen §§ 202a, 202c StGB oder § 17 UWG aus §§ 1004, 823 II BGB ergeben. Ein solcher Verstoß sei jedoch nicht gegeben, da die Messgeräteherstellerin nicht über die Rohdaten verfügungsbefugt sei:

(Dies führt dazu), dass Berechtige die Behörde ist, die die Geschwindigkeitsmessung beauftragt hat. Diese Behörde – und nicht die Klägerin bestimmt, ob, wo, wie und für welche Zeitdauer Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt werden. Diese Behörde will die Fahrzeugfahrer ermitteln, die die Geschwindigkeit überschreiten, um die Geschwindigkeitsüberschreitung mit den Mitteln des Ordnungswidrigkeitenrechts zu ahnden. Die Herstellung des Geschwindigkeitsmessgerätes ist kein Selbstzweck. Das Gerät ist für die Behörde ein Hilfsmittel, die Geschwindigkeit zu messen. Diese Hilfeleistung führt aber nicht dazu, dass die Klägerin bestimmen darf, wer Zugang zu den Daten erhält. Diese Rohdaten entstehen überhaupt erst, weil die Behörde die Messung veranlasst und durchführt.

Daran ändere auch die von der Herstellerin eingesetzte Verschlüsselung nichts:

Soweit die Klägerin meint, allein deshalb, weil sie im Messgerät eine Software installiert hat, die die Speicherung der Rohdaten unter deren Verschlüsselung vornimmt, Verfügungsbefugte der Rohdaten zu sein, kann dem nicht gefolgt werden. Denn das Verschlüsseln fremder Daten verändert nicht das Herrschaftsverhältnis an den gespeicherten Daten. Schließlich ist es nicht so, dass die Klägerin sich damit wirksam die Nutzung der Daten vorbehalten hat, denn auch insoweit fehlt ihr mangels Berechtigung die Befugnis für einen solchen Vorbehalt.

Erhält ein Sachverständiger wie der Beklagte zu 3 auf seine Anfrage hin von der Behörde, die die Messung veranlasst und durchgeführt hat, die Datei, steht dem Auslesen oder gar Entschlüsseln der Rohdaten daher nichts entgegen.

Unterstellt, es handelt sich um eine Verschlüsselung, stellt das Überwinden der Verschlüsselung nichts Verbotenes und keine Verletzung eines Betriebsgeheimnisses i.S.v. § 17 UWG dar, denn die Klägerin ist nicht “Herrin der Daten”, wie oben dargestellt. Folglich fehlt ihr, wie ausgeführt, die Befugnis, die Verschlüsselung fremder Daten überhaupt vornehmen zu dürfen.

Das Urteil im Volltext kann im GFU Blog nachgelesen werden.