Den Vorlagebeschluss des OLG Zweibrücken zur Einsicht in die gesamte Messreihe nimmt das AG Kaiserslautern hier zum Anlass, entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung der Verteidigung Einsicht in weiter Messdaten und Messunterlagen zu gewähren. Überzeugt ist es von einem so weitgehenden Einsichtsrecht aber offensichtlich nicht.
AG Kaiserslautern, Beschluss vom 28.05.2021 – 4 OWi 6070 Js 18624/20
Der ZBS des PP Rheinpfalz wird aufgegeben, dem Verteidiger des Betroffenen die digitalen Fallsätze der gesamten Messreihe nebst Case List, die Gerätebegleitkarte, die Konformitätsbescheinigung des Messgerätes sowie die Verwendungsanzeige gem. § 32 MessEG zur Verfügung zu stellen.
Gründe:
Auch wenn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.2020 – 2 BVR 1616/18 – explizit keine Ausführungen zu den Daten der kompletten Messreihe enthält, sieht das erkennende Gericht sich durch den Beschluss des Pfälzischen Oberlandesgerichts vom 04.05.2021 – 1 OWi SsRs 19/21 – veranlasst, seine Rechtsanwendung bezüglich des Anspruchs auf Überlassung der vollständigen Messreihe zumindest vorläufig zu ändern, obwohl weiterhin Bedenken bestehen: Dass die Auswertung der Messreihe Erkenntnisse für die konkrete Messung des Betroffenen liefern können soll, ist nicht belegt; die PTB hat sich eindeutig ablehnend positioniert (vgl.: Der Erkenntniswert von Statistikdatei, gesamter Messreihe und Annullationsrate in der amtlichen Geschwindigkeitsüberwachung, https://doi.org/10.7795/520.20200330; durchaus renommierte Sachverständige führen ebenfalls aus, dass die Messreihe ohne Rohmessdatenspeicherung für die Überprüfung einer konkreten Messung nicht benötigt werde. Daneben bestehen datenschutzrechtliche Bedenken.
Angesichts des weit ausgelegten Anspruchs auf Akteneinsicht und Information in der jüngeren insbesondere verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung sieht das erkennende Gericht zumindest bis zu einer Klärung der Frage des Anspruchs auf Einsicht in die vollständige Messreihe durch die höchstrichterliche oder verfassungsgerichtliche Rechtsprechung keine andere Möglichkeit, die entsprechenden Verfahren zu bearbeiten, ohne dass die Einsicht gewährt wird.
Mitgeteilt von Rechtsanwälte Zimmer-Gratz, Bous.
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