Der Angeklagte B ist Ordnungspolizeibeamter; der Angeklagte A betreibt ein Privatunternehmen, welches Kommunen die Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen anbietet. Im Rahmen einer solchen Zusammenarbeit führte der Angeklagte A Geschwindigkeitsmessungen sowie deren (Vor-)Auswertung durch. Zur Verschleierung stellte der Angeklagte B dem Angeklagten A von ihm unterzeichnete Kopien von Blankomessprotokollen aus, in denen der Angeklagte B als Messbeamter aufgeführt war. Das LG Kassel verurteilte die Angeklagten im Jahr 2018 wegen Falschbeurkundung im Amt bzw. Beihilfe hierzu. Das OLG Frankfurt bestätigte nun das Urteil. Protokolle von Geschwindigkeitsmessungen seien als öffentliche Urkunden im Sinne des § 348 StGB anzusehen.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.01.2020 – 2 Ss 40/19

Die Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet verworfen, weil die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf das Revisionsvorbringen und die Gegenerklärungen beider Angeklagten hin keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.

Die Angeklagten tragen die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich ihrer notwendigen Auslagen.

Gründe

Ergänzend merkt der Senat an:

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht das im Rahmen der Überwachung des fließenden Verkehrs anlässlich von Geschwindigkeitskontrollen zu erstellende Messprotokoll als öffentliche Urkunde im Sinne von § 348 StGB bewertet.

Das von einem Ordnungspolizeibeamten oder Polizeibeamten im Rahmen der hoheitlichen Verkehrsüberwachung erstellte Messprotokoll dient dazu, Beweiskraft für und gegen jedermann zu erbringen. Es hat nicht bloß innerdienstliche Bedeutung, sondern belegt neben der Verkehrssituation am konkreten Messstandort den ordnungsgemäßen Aufbau und den ordnungsgemäßen Betrieb des Messgeräts und dessen Verwendung gemäß seiner PTB-Zulassung (vgl. zur Bejahung öffentlicher Urkunden: OLG Karlsruhe, BeckRS 2017, 100739 – ärztliche Bescheinigung über eine zweite Leichenschau; OLG Bamberg, BeckRS 2015, 13077 – Bayrisches Abiturzeugnis und BGH, BeckRS 2015, 00632 – Zulassungsbescheinigung Teil II: nicht hinsichtlich der darin enthaltenen Angaben zur Person)

Die Verkehrsüberwachung und die Sanktionierung bei Verstößen ist hoheitliche Kernaufgabe. Die Messung ist beim Einsatz von Messtechnik systematisch nur bedingt rekonstruierbar. Um den Nachweis führen zu können, ist daher ein ordnungsgemäß von einem Hoheitsträger im Rahmen seiner Zuständigkeit errichtetes, inhaltlich zutreffendes Messprotokoll – in Verbindung mit dem Eichschein und der Falldatei – eine maßgebliche Voraussetzung, gerade bei Massenverfahren. Mit Blick auf seine zentrale Bedeutung als Beweismittel für die Voraussetzungen und für die Annahme eines standardisierten Messverfahrens kommt ihm mithin eine besondere Beweiskraft im Sinne eines öffentlichen Glaubens zu.

Entgegen der Auffassung der Verteidigung sind an das Messprotokoll keine spezifischen Formvorgaben zu stellen. Die vorgeschriebene Form ist dann eingehalten, wenn das Messprotokoll inhaltlich den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Vorliegend genügen die verfahrensgegenständlichen Messprotokolle die inhaltlichen Vorgaben gemäß Ziffern 2.2 und 4.2. des zur Tatzeit gültigen Erlasses des Hessischen Ministeriums für Inneres uns Sport über die „Verkehrsüberwachung durch örtliche Ordnungsbehörden und Polizeibehörden“, da diese die oben genannten Tatsachen, auf die sich die Beweiskraft erstreckt, benennen (seit 2016 durch das Mess- und Eichgesetz verrechtlicht).

Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte A als „privater Dienstleister“ gesetzeswidrig Verkehrsmessungen vorgenommen, (vor-)ausgewertet und Messprotokolle erstellt, die in einer Vielzahl von Bußgeld- und Verwarngeldverfahren als Beweismittel Verwendung gefunden haben. Dies erfolgte im bewusstem, kollusiven Zusammenwirken mit dem Angeklagten B als zuständigem Ordnungspolizeibeamten, der zur Verschleierung dem Angeklagten A eine von ihm unterzeichnete Kopie eines Blankomessprotokolls zur Verfügung gestellt hat. Da in den vom Angeklagten A erstellten und digitalisierte Messprotokollen der Angeklagte B als Messbeamter aufgeführt war, sollte auf diese Weise suggeriert werden, dass die Messungen von dem Hoheitsträger durchgeführt wurden. Auf diese Weise wurde im Rahmen der gesamten elektronischen Aktenführung – was beide Angeklagte wussten – unter Täuschen der Zentralen Bußgeld- und Verwarnstelle in eine Vielzahl von Fällen Buß- und Verwarngelder erlassen, die so nicht hätten ergehen dürfen.

Vor diesem Hintergrund sind die gegen den Angeklagten B verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten und die Gegen den Angeklagten A verhängte Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen nicht zu beanstanden.