Hier hält das AG Landstuhl an seiner Rechtsprechung fest und gewährt der Verteidigung Einsicht in die Messreihe, Reparaturnachweise seit der letzten Eichung, Beschilderungsplan und verkehrsrechtliche Anordnung. Der Verwaltungsbehörde schlägt es vor, unter Beachtung der obergerichtlichen Rechtsprechung auch ohne gerichtlichen Beschluss auf Antrag vollständige Akteneinsicht zu gewähren, um Zeit und Kosten zu sparen.

AG Landstuhl, Beschluss vom 06.11.2019 – 2 OWi 122/19

1. Die Zentrale Bußgeldstelle Speyer wird gemäß § 62 OWiG angewiesen, dem Betroffenen folgende Daten und Unterlagen zur verfahrensgegenständlichen Messung in Form eines Datenträgers oder als Kopien binnen 2 Wochen zur Verfügung zu stellen:

– Die digitalen Falldatensätze der gesamten Messreihe,
– den Public Key des Messgeräts,
– Nachweise für seit der letzten Eichung vorgenommene Reparaturen und Wartungen an dem eingesetzten Messgerät, § 31 Abs. 2 Nr. MessEG sowie
– Beschilderungsplan bzw. verkehrsrechtliche Anordnung mit Angabe der Größen nach VwV zu §§ 39 StVO.

2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

3. Soweit der Antrag des Betroffenen erfolgreich war trägt die Landeskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen (90%), im Übrigen trägt der Betroffene die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen (10%).

Gründe:

Gegen den Betroffenen wird der Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften erhoben. Er hat gegenüber der Verwaltungsbehörde Akteneinsicht begehrt. u.a. mit Schriftsatz vom 22.8.2019 und die im Tenor benannten Daten und Unterlagen begehrt sowie die Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweise des Messgeräts seit der ersten Inbetriebnahme.

Die Zentrale Bußgeldstelle Speyer hat diesem Begehren nur teilweise entsprochen und mit Schreiben vom 18.9.2019 die Herausgabe der gesamten Messreihe ebenso verweigert wie der Nachweise für die Eichbehörde oder den Beschilderungsplan. Vorwiegendes Argument war dabei, dass diese Daten und Unterlagen nicht Gegenstand der Akte seien bzw. datenschutzrechtliche Bedenken entgegenstünden.

Hiergegen begehrt der Betroffene die gerichtliche Entscheidung.

Der Antrag ist zulässig und überwiegend begründet. Es besteht ein Akteneinsichtsrecht hinsichtlich der begehrten Daten und Unterlagen wie tenoriert. Der Betroffene zitiert zutreffend die einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung (u.a. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.7.2019 – 1 Rb 10 Ss 291/19; OLG Karlsruhe, zfs 2018, 471; KG, zfs 2018, 472), dass das Recht auf ein faires Verfahren es gebietet, dem Betroffenen Zugang zu allen schuldrelevanten Daten und Unterlagen zu gewähren, die seiner Verteidigung dienlich sein können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Teil der formalen Akte sind oder nur außerhalb der Akte existieren, aber für den Tatvorwurf entscheidend sind. Das OLG Köln (OLG Köln, Beschl. v. 27.2.2015 – III-1 RBs 56/15 = BeckRS 2015, 06568) formuliert dies trefflich: Was für das Verfahren geschaffen worden ist, darf der Akteneinsicht nicht entzogen werden. Datenschutzrechtliche u.a. Bedenken sind weder nach der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 52, 58) noch nach der Rechtsprechung des für den Bezirk der Zentralen Bußgeldstelle Speyer zuständigen OLG Zweibrücken (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.1.2017 – 1 Ws 348/16 = BeckRS 2017, 100784) ein Hinderungsgrund (zum Ganzen auch Krenberger NZV 2018, 84; NZV 2018, 282).

Einzig hinsichtlich der Einsicht in Wartungs- und Reparaturunterlagen ist der Anspruch des Betroffenen auf den Zeitraum beschränkt, in welchem die Behörde selbst für das Eichamt entsprechende Unterlagen vorhalten muss, § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG.

Es wäre für dieses und zukünftige weitere Bußgeldverfahren förderlich, wenn die Zentrale Bußgeldstelle Speyer im Hinblick auf die Akteneinsichtsrechte eines Betroffenen gerade unter dem Gesichtspunkt des Art. 20 Abs. 3 GG die den Betroffenen nach der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung zustehenden Daten und Unterlagen ohne die bisher betriebenen unnötigen Umwege über § 62 OWiG und spätere gerichtliche Beschlüsse stets und vollständig zur Verfügung stellen würde. Dies würde allen Verfahrensbeteiligten erhebliche Zeitressourcen verschaffen und würde zudem einiges an Verfahrenskosten und Anwaltsgebühren einsparen, die in Fällen wie dem vorliegenden die Staatskasse überwiegend zu tragen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG i.V.m. 464 Abs. 1, 465 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO. Nur zu einem geringen Anteil war der Antrag zurückzuweisen.

Vielen Dank an Frau Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Bous, für die Zusendung der Entscheidung.