Gegen den Betroffenen wurde durch Bußgeldbescheid wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 67 km/h außerorts eine Geldbuße von 880 Euro festgesetzt und ein zweimonatiges Fahrverbot verhängt. Nach Einspruch verurteilte das AG ihn wegen vorsätzlicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 600 Euro und einem zweimonatigem Fahrverbot, nachdem der Betroffene in der Hauptverhandlung den Einspruch auf die Rechtsfolgenseite beschränkt hatte. Das OLG Köln hält die Einspruchsbeschränkung für wirksam: Eine Unwirksamkeit sei bei unvollständigen oder widersprüchlichen Feststellungen zur Schuldform im Bußgeldbescheid gegeben, wenn das Delikt vorsätzlich wie auch fahrlässig begangen werden kann. Der Bußgeldbescheid enthalte zwar keine ausdrückliche Feststellungen zur Begehungsweise. Dies sei zunächst bei Zugrundlegegung des Regelsatzes der BKatV für fahrlässiges Handeln durch die Bußgeldbehörde unschädlich, was hier allerdings nicht der Fall sei, da die Regelgeldbuße 440 Euro betrage. Aus dem Bußgeldbescheid gehe aber zusätzlich hervor, dass die Erhöhung bzw. Verdopplung ausschließlich mit bestehenden verkehrsrechtlichen Vorbelastungen begründet worden ist. Damit sei von einer Annahme fahrlässigen Handelns durch die Bußgeldstelle auszugehen und die teilweise Rücknahme des Einspruchs wirksam.

OLG Köln, Beschluss vom 17.07.2018 – 1 RBs 197/18

Die Rechtsbeschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Betroffene einer fahrlässigen Überschreitung der außerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit schuldig ist.

Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

I.

Den bisherigen Verfahrensgang hat die Generalstaatsanwaltschaft mit Vorlageverfügung vom 25. Juni 2018 zutreffend wie folgt dargestellt:

Die Bundesstadt Bonn – der Oberbürgermeister – hat mit Bescheid vom 12.04.2017 gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 67 km/h als Führer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XX, begangen am 28.12.2016 um 09:00 Uhr in Bonn, auf der BAB 565 bei km 12,630 Fahrtrichtung B, eine Geldbuße in Höhe von 880 ,- EUR festgesetzt sowie ein Fahrverbot für die Dauer von zwei Monaten gemäß §§ 41 Absatz 1 i. V. m. Anlage 2, 49 StVO, 24, 25 StVG, 11.3.9 BKat, § 4 Abs. 1 BKatV verhängt (Bl. 29 f. d. A.).

Gegen diesen Bescheid hat der Betroffene mit anwaltlichem Schreiben vom 19.04.2017 Einspruch eingelegt (Bl. 32R d. A.).

Das zur Entscheidung berufene Amtsgericht Bonn hat gegen den in der mündlichen Verhandlung anwesenden Betroffenen, der den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid in der Hauptverhandlung auf die Rechtsfolgenseite beschränkt hatte (Bl. 95 d. A.), mit Urteil vom 21.12.2017 – 823 OWi 196/17 – wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 600,- EUR und ein Fahrverbot für die Dauer von zwei Monaten verhängt (Bl. 100 ff. d. A.).

Gegen dieses Urteil hat der Betroffene mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27.12.2017, eingegangen beim Amtsgericht Bonn am selben Tag, Rechtsbeschwerde eingelegt und die Sach- sowie Verfahrensrüge erhoben (Bl. 99 d. A.) und diese – nach Zustellung des Urteils an ihn am 25.01.2018 (Bl. 109 d. A.) – mit weiterem, am 29.03.2018 eingegangenen anwaltlichem Schriftsatz vom selben Tag näher begründet (Bl. 113 ff. d. A.).

Darauf nimmt der Senat mit der Ergänzung Bezug, dass der Betroffene mit der Begründungsschrift vom 29. März 2018 zugleich auch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde im Hinblick auf eine anzubringende Verfahrensrüge – der Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht gemäß §§ 71 Abs. 1 OWiG, 265 StPO – mit der Begründung angetragen hat, seinem Verteidiger sei verspätet das Hauptverhandlungsprotokoll übersandt und Akteneinsicht gewährt worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat Urteilsaufhebung beantragt.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Sie führt auf die erhobene Sachrüge zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und ist im Übrigen unbegründet.

1.

Die Annahme des Tatgerichts, der Betroffene habe die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsübertretung vorsätzlich begangen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ihr steht die erklärte Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen entgegen.

a)

Gemäß § 67 Abs. 2 OWiG kann ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Damit ist auch eine Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen möglich (KG VRS 102, 296 = NZV 2002, 466; OLG Rostock VRS 101, 380 [382 f.] = NZV 2002, 137 [138]; KG VRS 130, 244). Eine solche ist vorliegend erklärt.

b)

Ihr kann auch die Wirksamkeit nicht versagt werden. Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch setzt tatsächliche Feststellungen voraus, die geeignet sind, eine hinreichend sichere Grundlage für die Bemessung der Rechtsfolgen darzustellen. Sind hingegen die Feststellungen so knapp, unvollständig oder widersprüchlich, dass sie diese Funktion nicht zu erfüllen vermögen, ist die erklärte Beschränkung unwirksam (vgl. allgemein BGH NJW 2017, 2482 [2483]). So kann es sich namentlich verhalten, wenn bei Delikten, die bei vorsätzlicher ebenso wie bei fahrlässiger Begehung sanktioniert sind, Unklarheit über die zugrunde gelegte Schuldform herrscht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, § 318 Rz. 17 m. N.). Diese Grundsätze gelten auch für das Bußgeldverfahren (vgl. KK-OWiG-Ellbogen, 5. Auflage 2017, § 67 Rz. 57).

aa)

Hiervon ausgehend ist für den Streitfall zunächst zu konstatieren, dass der Bußgeldbescheid vom 12. April 2017 ausdrückliche Feststellungen zur Schuldform nicht enthält.

bb)

In Rechtsprechung und Literatur anerkannt ist, dass es einer ausdrücklichen Angabe der Schuldform nicht bedarf, vielmehr von fahrlässigem Handeln auszugehen ist, wenn die Bußgeldbehörde ihrer Sanktionsbemessung einen Regelsatz der BKatV zugrunde legt, da die Regelsätze von fahrlässigem Handeln ausgehen (Brandenburgisches OLG B. v. 20.02.2017 – (1) 53 Ss-OWi 56/17 (34/17) – bei Juris; OLG Oldenburg VRS 130, 65 = DAR 2016, 472; KG VRS 114, 47; OLG Naumburg NStZ-RR 2005, 243; KG VRS 102, 296 = NZV 2002, 466; OLG Rostock VRS 101, 380 = NZV 2002, 137; Göhler-Seitz/Bauer, OWiG, 17. Auflage 2017, § 67 Rz. 34e; KK-Ellbogen a.a.O.). So verhält es sich hier indessen nicht; vielmehr hat die Bußgeldbehörde den Regelsatz von 440,- EUR und 880,- EUR verdoppelt.

cc)

Auch dies hindert allerdings nicht unter allen Umständen die Annahme, aus dem Bußgeldbescheid selbst ergebe sich die Zugrundelegung nur fahrlässigen Verhaltens durch die Behörde. Vielmehr erscheint es möglich, im Einzelfall trotz Erhöhung des Regelsatzes verlässlich auf die angenommene Schuldform zurückzuschließen und diese so dem Bußgeldbescheid selbst zu entnehmen. Dies haben das OLG Hamm (B. v. 19.08.2008 – 5 Ss OWi 439/08 – bei Juris Tz. 27) und das OLG Jena (VRS 112, 359 – bei Juris Tz. 11) erwogen, es im konkreten Fall aber mangels ausreichender diesbezüglicher Anhaltspunkte abgelehnt. In beiden Fällen blieb nämlich offen, ob die Erhöhung des Bußgeldes wegen Vorsatzes oder wegen der Vorbelastungen erfolgt war. Hier ergibt sich indessen aus dem Bußgeldbescheid, dass die Bußgeldbehörde die Regelsanktion (ausschließlich) mit Blick auf die einschlägige verkehrsrechtliche Vorbelastung des Betroffenen verdoppelt und dessen mögliches vorsätzliches Verhalten nicht in den Blick genommen hat.

Lässt demnach der Bußgeldbescheid die Annahme fahrlässigen Verhaltens hinreichend erkennen, erweist sich die erklärte Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen als wirksam; das Tatgericht – das sich zutreffend an die Feststellungen im Bußgeldbescheid gebunden gesehen hat – durfte hiervon nicht abweichen.

2.

Dieser Rechtsfehler führt freilich nur zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung der Schuldform. Im Übrigen verbleibt es bei der amtsgerichtlichen Entscheidung. Der Senat kann insoweit die erforderliche Bestimmu8ng der Rechtsfolgen auf der Grundlage der vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen selbst vornehmen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

a)

Das betrifft zunächst die Bemessung der Geldbuße. Die maßvolle Erhöhung der für fahrlässiges Verhalten vorgesehenen Regelsanktion von 440,- EUR auf 600,- EUR ist vor dem Hintergrund der Massivität des Verkehrsverstoßes und der hohen Rückfallgeschwindigkeit des Betroffenen, der nur ein gutes halbes Jahr zuvor (nämlich am 13. Dezember 2016 mit Ahndungsdatum 7. September 2016) an nahezu gleicher Stelle die höchstzulässige Geschwindigkeit um 29 km/h überschritten hatte, jedenfalls gerechtfertigt.

b)

Es hat aber auch bei dem verhängten zweimonatigen Fahrverbot (mit Gestaltungsmöglichkeit gemäß § 25 Abs. 2a StVG) zu verbleiben. Hierbei handelt es sich um die von Ziff. 11.3.9. BKatV vorgesehene Regelsanktion auch bei fahrlässiger Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit um 61 km/h oder mehr. Von dieser abzuweichen besteht keine Veranlassung. Mit den Einwendungen des Betroffenen gegen die Verhängung des Regelfahrverbots hat sich der Tatrichter unter Zugrundelegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe auf rechtsfehlerfreier Beweisgrundlage eingehend auseinandergesetzt. Die dortigen Erwägungen teilt der Senat.

3.

Einer Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch bedurfte es nicht. Insoweit bestehen bereits Bedenken an der Einhaltung der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO, hat der Verteidiger doch das – für eine § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechende Erhebung der Rüge des § 265 StPO neben Bußgeldbescheid und Urteil genügende – Hauptverhandlungsprotokoll am 7. März 2018 und die begehrte Akteneinsicht am 19. März 2018 erhalten, die Schrift, mit welcher die Verfahrensrüge ausgeführt worden ist, ist aber erst am 29. März 2018 bei Gericht eingegangen.

Doch mögen diese Überlegungen auf sich beruhen: Da aufgrund der eingetretenen horizontalen Teilrechtskraft des Bußgeldbescheids ohnedies von fahrlässigem Verhalten des Betroffenen auszugehen war, hätte ein Hinweis auf eine beabsichtigte Verurteilung wegen Vorsatzes nicht erfolgen dürfen. Das mit der Verfahrensbeschwerde – unter Berücksichtigung der zugleich rechtzeitig erhobenen Sachrüge sowie der Regelung in § 79 Abs. 6 OWiG – allenfalls erreichbare Ziel des Rechtsmittels war vor diesem Hintergrund bereits mit der sachlich-rechtlichen Beanstandung zu verwirklichen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 OWiG.