Das Fahrzeug des Betroffenen wurde durch ein nachfahrendes ProViDa-Fahrzeug per Synchronmessung im manuellen Messmodus gemessen. Der (Privat-)Sachverständige konnte nachweisen, dass das Messfahrzeug während der Messstrecke den Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug geringfügig verringert hatte, so dass eine höhere Geschwindigkeit gemessen wurde, als sie tatsächlich von dem Betroffenen gefahren wurde. Nachdem das Gericht zunächst erwog, dass die Abstandsverringerung bereits durch den Toleranzabzug berücksichtigt sei, ging es in seiner Entscheidung letztlich von dem vom Gutachter bestimmten Geschwindigkeitswert aus und zog hiervon die Toleranz (5 %) ab. Zudem wandte die Verteidigung ein, dass der Betroffene viermal hintereinander gemessen und erst nach der letzten Messung mit dem höchsten Überschreitungswert angehalten worden sei. Hier folgte das Gericht den Angaben des Messbeamten, wonach ein früheres Anhalten des Fahrzeugs auf Grund der hohen Geschwindigkeit nicht möglich gewesen sei und die Nutzung des Blaulichts eventuell nicht wahrgenommen worden wäre.

AG St. Ingbert, Beschluss vom 24.08.2021 – 23 OWi 68 Js 2297/20 (62/21)

Gegen den Betroffenen wird wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer geschlossenen Ortschaft von 100 km/h um 58 km/h eine Geldbuße in Höhe von 900 Euro festgesetzt.

Dem Betroffenen wird gestattet, die Geldbuße in monatlichen Raten zu je 150 Euro zu zahlen, fällig am 3. jeden Monats. Kommt der Betroffenen mit der Zahlung einer Rate in Verzug, wird der Gesamtbetrag sofort fällig.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

(…)

II.

Der Betroffene befuhr am 21.09.2020 um … Uhr in 66740 Saarlouis die Bundesautobahn 620, Fahrtrichtung Merzig, in Höhe Saarlouis, als Führer des Personenkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen …. Hierbei überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 100 km/h um 58 km/h. Die festgestellte Geschwindigkeit betrug nach Toleranzabzug 158 km/h. Die Zulassungsbescheinigung Teil I führte er bei der Fahrt nicht mit.

Die Messung erfolgte mit der Nachfahr-Geschwindigkeitsmessanlage des Typs ProVida 2000 Modular des Herstellers ternica Systems GmbH, Archivnummer 0/132T/0W01/0073.

Hätte der Betroffene die aufgestellte Beschilderung beachtet und seine gefahrene Geschwindigkeit auf dem Tachometer überprüft, so hätte er erkennen und vermeiden können, dass er die zulässige Geschwindigkeit überschreitet.

III.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen ergeben sich aus dem Bußgeldbescheid vom 07.10.2020 (BI. 1 d.A.), aus den Angaben des Betroffenen in der Hauptverhandlung, aus der Arbeitgeberbescheinigung (BI. 66, 68 d. A.), aus den Gehaltsnachweisen (BI. 69-71 d.A.) sowie aus der Verlesung der Auskunft aus dem Fahreignungsregister vom 09.04.2021 (BI. 43-44 d.A.).

Die Feststellungen zur Sache beruhen auf den in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismitteln, hier dem in Augenschein genommenen Video sowie den in Augenschein genommenen Dateieinblendungen, dem Messprotokoll (BI. 1 d.A.), dem Eichschein (BI. 32 d.A.), der Geräteakte (BI. 75 d.A.), dem von der Partei eingereichten Gutachten der GFU Verkehrsmesstechnik Unfallanalytik Akademie für Bildung und Beratung GmbH vom 18.06.2021 (BI. 52-60 d.A.) sowie der Einlassung des Betroffenen.

Der Betroffene hat die Fahrereigenschaft eingeräumt in der Verhandlung.

Bei Messungen mit dem hier zum Einsatz gekommenen Messgerät handelt es sich nach der obergerichtlichen Rechtsprechung um ein standardisiertes Messverfahren (vgl. Saarländisches OLG, Beschl. v. 02.06.2016 – Az. Ss (8s) 8/16 (7/16 OWi), juris Rn. 9 m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.03.2013 -Az. 2 Ss OWi 1003/12, juris Rn. 8 ff.).

Ausweislich des verlesenen Eichscheins des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz vom 03.04.2020 wurde das Gerät am 01.04.2020 bis 31.12.2021 gültig geeicht. Laut Eichschein wurde die Bauart des Geschwindigkeitsmessgerätes unter dem Zulassungszeichen Z 18.03/04.01 von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt zur innerstaatlichen Eichung zugelassen.

Der Messbeamte … ist mit dem angewendeten Messverfahren vertraut und für die Bedienung des Geräts nach der Schulungsbescheinigung, die er in der Hauptverhandlung vorzeigte, geschult.

Die Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit ergab sich für das Gericht aus dem Video, das in Augenschein genommen wurde und auf das gemäß § 71 1 OWiG, § 267 1 3 StPO wegen der Einzelheiten verwiesen wird und den darin enthaltenen Dateieinblendungen sowie aus der aus dem Gutachten errechneten Geschwindigkeit.

Der Verteidiger trägt vorliegend vor, dass nach dem eingeholten Gutachten der Abstand zwischen dem Messfahrzug und dem Fahrzeug des Betroffenen sich verringert. Dem wurde Rechnung getragen und die von dem Gutachter gemessene mittlere Geschwindigkeit zugrunde gelegt. Die mittlere Geschwindigkeit betrug nach dem Gutachten aufgrund des geringer werdenden Abstandes 167,74 km/h, abzüglich der Toleranz von 3 % bei Geschwindigkeiten über 100 km/h ergab dies die unter II. festgestellte Geschwindigkeit und die entsprechende Überschreitung der außerorts an dieser Stelle aufgrund der Beschränkung durch das Verkehrszeichen 274 gemäß § 41 I i.V.m. Anlage 2 StVO zulässigen Geschwindigkeit. Aus dem Video ist ersichtlich, dass die Geschwindigkeit zunächst auf 120 km/h begrenzt war und dann im Zeitpunkt der Messung auf 100 km/h.

Der Verteidiger widerspricht der Verwertung des Messergebnisses, da der Betroffene erst nach der vierten Messung angehalte wurde. Die Messung ist verwertbar. Vorliegend hat der Messbeamte nachvollziehbar erläutert, warum ein Anhalten nicht bereits nach der ersten Messung erfolgte. Von den insgesamt vier Messungen wurde vorliegend die letzte genommen. Der Betroffene wurde nach Angabe des Messbeamten … nicht bereits nach der ersten Messung angehalten, da er nach dieser schneller wurde und dann auf der linken Fahrspur fuhr. Blaulicht wurde nicht eingesetzt, dies ist nach der Erfahrung des Messbeamten im Dunkeln ohne akustische Signale oft schlecht wahrnehmbar.

Der Hinzuziehung eines Beschilderungsplanes bzw. der verkehrsrechtlichen Anordnung bedarf es nicht (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05.05.2020 – Az. 1 OWi SsBs 94/19, juris Rn. 19). Die Messörtlichkeit einschließlich der Beschilderung ist durch das Messprotokoll in der Akte ausreichend dokumentiert, so dass es der Überlassung der verkehrsrechtlichen Anordnung nicht bedarf (OLG Koblenz, Beseht. v. 17.11.2020 – Az. 1 OWi 6 SsRs 271/20, juris Rn. 56). Verkehrszeichen stellen Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen dar, vgl. § 35 VwVfG (BVerwG, Urt. v. 11.12.1996 -Az. 11 C 15/95, NJW 1997, 1021, 1022). Sie sind nach §§ 43 III, 44 VwVfG nur unwirksam, wenn sie nichtig sind, ansonsten ist ein Verwaltungsakt zu befolgen, auch wenn er fehlerhaft ist (OLG Koblenz, Beschl. v. 17.11.2020 – Az. 1 OWi 6 SsRs 271/20, juris Rn. 57). Ein Verwaltungsakt ist nach § 44 I VwVfG nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist, darüber hinaus nur unter den Voraussetzungen des§ 44 II VwVfG (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.11.1990 – Az. 5 Ss (OWi) 384/9, NVZ 1994, 204). Hierzu wird von der Verteidigung nicht vorgetragen.

Der Betroffene hätte die Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen. Anhaltspunkte dafür, dass dies dem Betroffenen nicht möglich war, bestanden nicht.

IV.

In rechtlicher Hinsicht hat sich der Betroffene einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 58 km/h in Tateinheit mit fahrlässigen Nichtmitführens des vorgeschriebenen Führerscheins und der Zulassungsbescheinigung Teil I nach §§ 41 1 i.V.m. Anlage 2, 49 III Nr. 4 StVO, §§ 4 II, 75 Nr. 4 FeV, §§ II VI, 48 Nr. 6 FZV, §§ 24, 25 I, IIa StVG, § 19 OWiG schuldig gemacht.

V.

Die Geschwindigkeitsüberschreitung wird gemäß § 4 I BKatV, Nr. 11.3.8 BKat im Regelfall mit einer Geldbuße von 240 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat geahndet. Das Nichtmitführen des Führerscheins wird nach § 4 1 BKatV, Nr. 174 BKat im Regelfall mit einer Geldbuße von 10 Euro geahndet.

Nach § 19 OWiG wird die Geldbuße bei der Verletzung mehrerer Gesetze nach dem Gesetz bestimmt, das die höchste Geldbuße androht. Die höchste Geldbuße in Höhe von 240 Euro wurde vorliegend gemäß § 17 III 1 OWiG aufgrund der unter 1. festgestellten Eintragungen im Fahreignungsregister angemessen erhöht auf 300 Euro und aufgrund des Wegfalls des Fahrverbotes verdreifacht auf 900 Euro. Dem Betroffenen wurde gemäß § 18 OWiG eine Zahlungserleichterung gewährt.

Ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat ist neben der Geldbuße zur Einwirkung auf den Betroffenen grundsätzlich geboten, stellt aber in diesem Fall für den Betroffenen eine erhebliche Härte dar. Nach § 25 1 1 StVG kann einem Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, die er unter grober Verletzung der Pflichten als Kraftfahrzeugführer begangen hat und wegen der eine Geldbuße festgesetzt worden ist, für die Dauer von einem bis drei Monaten verboten werden, Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art im Straßenverkehr zu führen. Nach § 4 l 1 Nr. 1 BKatV liegt eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel vor, wenn ein Tatbestand der Nummer 11.3 in Verbindung mit Tabelle 1 des Anhangs zum Bußgeldkatalog verwirklicht wird. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 1 1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes bedarf (siehe hierzu BGH, Beschl. v. 28.11.1991 – Az. 4 StR 366/19, II. 4. dd), wobei, wenn es zum ersten Mal angeordnet wird, in der Regel die im Bußgeldkatalog bestimmte Dauer festzusetzen ist gemäß § 4 II 2 BKatV.

Von der Verhängung des Fahrverbotes kann abgesehen werden, wenn entweder Tatumstände äußerer oder innerer Art oder eine erhebliche Härte eine Ausnahme von der Anordnung eines Fahrverbotes rechtfertigen. Besondere Umstände, die geeignet erscheinen, die indizielle Annahme einer groben Pflichtverletzung zu kompensieren, sind vorliegend von dem Betroffenen vorgetragen worden unter 1. Er ist beruflich auf den Führerschein angewiesen.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 l StPO i.V.m. § 46 I OWiG.

Mitgeteilt von Rechtsanwälte Zimmer-Gratz, Bous.