Das AG verurteilte den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 73 km/h, was dieser mit der Rechtsbeschwerde angriff. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte, das Verfahren gemäß § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen: Das Lasermessgerät Riegl FG 21-P speichere keine Beweisfotos oder Messdaten, so dass der gemessene Wert von einem Beamten von Hand notiert werden müsse. Wenn aber bereits eine Geschwindigkeitsmessung mit Fotodokumentation ohne die Speicherung von Rohmessdaten nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofs ein faires Verfahren ausschließe, wenn der Betroffene keine Plausibilisierung des Messwerts vornehmen könne, müsse dies erst recht gelten, wenn nicht einmal ein Messfoto vorhanden ist. Es sei daher zu erwarten, dass das angefochtene Urteil einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof des Saarlandes nicht standhalten werde. Das OLG folgte dem Antrag und sah im Hinblick auf die fragliche Verwertbarkeit des Messergebnisses keinen Anlass, von der Auferlegung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse abzusehen.

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 02.11.2021 – SsBs 100/2021 (68/21 OWi)

1. Das Verfahren wird gemäß 47 Abs. 2 Satz 1 OWiG eingestellt.

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Landeskasse.

Gründe:

Die Kosten- und Auslagenents heidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Im Hinblick auf die fragliche Verwertbarkeit des Messergebnisses bestand kein Anlass, von der Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse abzusehen (§ 46 Abs. 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG).

Stellungnahme der GenStA Saarbrücken vom 22.10.2021:

Mit einem Band Akten 66 Js 2318/20
und einem Beiheft für das Oberlandesgericht

dem Bußgeldsenat des
Saarländischen Oberlandesgerichts

Saarbrücken

vorgelegt mit dem Antrag, das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen

Gründe:

Grundlage des Verfahrens ist eine Geschwindigkeitsmessung mit einem Messgerät des Typs Riegl FG 21-P. Hierbei handelt es sich um ein Laser-Messverfahren, bei dem die Geschwindigkeit durch die Veränderung der Entfernung zwischen zwei Laserimpulsen ermittelt wird, die von dem Gerät ausgestrahlt werden. Treffen diese Impulse auf ein bewegtes Objekt (Fahrzeug) kann aus der Veränderung der Entfernungen von der Software des Gerätes die Geschwindigkeit des Objekts errechnet werden. Die Ergebnisse der Geschwindigkeitsmessung werden in sogenannte Kontrollblätter übertragen, in denen nähere Angaben zu dem gemessenen Fahrzeug (Kennzeichen, Marke, Typ, Farbe), der gemessene Geschwindigkeitswert, die vom Gerät ausgewiesene Distanz zwischen Messgerät und Fahrzeug, die errechnete Geschwindigkeitsüberschreitung, die Uhrzeit der Messung, der Name des Sachbearbeiters und etwaige weitere Bemerkungen wie “Überholer” oder “einziges Fahrzeug im Visiererfassungsbereich” eingetragen werden (Vgl. Bl. 44 RS ff). Darüber hinaus wird der eigentliche Messvorgang nicht dokumentiert. Es werden weder Beweisfotos gefertigt noch den Messungen zugrundeliegende Daten im Gerät gespeichert.

Der Verteidiger des Betroffenen hat im Wege einer den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechenden Verfahrensrüge eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren geltend gemacht, da das verwendete Messgerät weder Rohmessdaten noch eine Falldokumentation speichere, so dass eine Überprüfung der Messung unmöglich sei.

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 05.07.2019 (Az. Lv 7/17) fehlt es bereits dann an einem fairen rechtsstaatlichen Verfahren, wenn sich eine Verurteilung wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes nur auf das dokumentierte Messergebnis und das Lichtbild des aufgenommenen Kraftfahrzeuges und seines Fahrers stützen kann und der Betroffene sich mit der Begründung gegen das Messergebnis wendet, auf Grund der fehlenden Speicherung der sogenannten Rohmessdaten als Grundlagen der Messung sei ihm keine nachträgliche Plausibilisierung des Messergebnisses möglich (vgl. UA S. 17). Ausgehend von dieser Annahme muss dies erst recht für Messverfahren gelten, bei denen – wie bei dem Messverfahren Riegl FG 21-P – weder Messfoto noch Rohmessdaten vorhanden sind, die eine (technische) Überprüfung des Messergebnisses ermöglichen würden.

Da aus den genannten Gründen zu erwarten ist, dass das angefochtene Urteil einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof des Saarlandes nicht standhalten würde, erscheint eine Verfahrenseinstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG angezeigt.

Mitgeteilt von Rechtsanwälte Zimmer-Gratz, Bous.