Hinsichtlich des Betroffenen bestanden bereits mehrere Voreintragungen; eine dieser Bußgeldentscheidungen wegen Überschreitung um 26 km/h wurde am 04.03.2020 rechtskräftig. Am 29.07.2020 wurde er Betroffene erneut mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h gemessen. Das Gericht hielt das nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV indizierte Fahrverbot für unangemessen hart. Die Vorahndung betreffe eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die mit 26 km/h am untersten Rand der in § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV genannten Grenze liege. Diese Überschreitung sei auf einer Autobahn bei geltender Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h erfolgt, wobei auf einer Autobahn mit solch niedrigen Höchstgeschwindigkeiten grundsätzlich nicht zu rechnen sei. Auch der vorliegende Verstoß liege am untersten Rand der genannten Grenze und sei in den Abendstunden erfolgt, in denen der Verkehr an der Messstelle sehr gering sei. Dass nach der Tat noch ein Bußgeldbescheid wegen einer sehr massiven Überschreitung rechtskräftig geworden sei, sei für die Ahndung des gegenständlichen Verstoßes außer Betracht zu lassen.

AG Verden (Aller), Urteil vom 21.05.2021 – 9b OWi 219 Js 670/21 (13/21)

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h zu einer Geldbuße von 115.- € verurteilt.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: § 24 StVG, § 49 Abs. 3 Nr. 4, § 41 Abs. 1, Zeichen 274 StVO, § 1, § 3 Abs. 1 BKatV, Nummer 11.3.5 BKat.

Gründe:

I.

Der Betroffene ist beruflich im Versicherungsvertrieb tätig.

Im Fahreignungsregister sind folgende Eintragungen vorhanden:

Am ….2018 wurde durch Entscheidung des Amtsgerichts … gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 55 km/h (nach Toleranzabzug; Tat vom ….2017) eine Geldbuße von 280,00 € und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Die Entscheidung ist seit dem 21.08.2018 rechtskräftig.

Dem Betroffenen wurde von der Fahrerlaubnisbehörde der Stadt … am 22.04.2018 mit sofortiger Vollziehbarkeit die Fahrerlaubnis entzogen.

Am … .2019 verurteilte das Amtsgericht Augsburg den Betroffenen wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis (Tat vom ….2018). Die Entscheidung ist seit dem ….2019 rechtskräftig.

Am ….2019 verurteilte das Amtsgericht Dresden den Betroffenen wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis (Tat vom ….2018). Die Entscheidung ist seit dem ….2019 rechtskräftig.

Am ….2019 wurde dem Betroffenen die Fahrerlaubnis wieder erteilt.

Am ….2019 erging gegen den Betroffenen durch den Kreis Steinfurt ein Bußgeldbescheid wegen Unterschreitung des Mindestabstands zum vorausfahrenden Fahrzeug um weniger als 5/10 des halben Tachowerts (Tat vom ….2019). Es wurde eine Geldbuße von 110,00 € verhängt. Die Entscheidung ist seit dem ….2019 rechtskräftig.

Am 13.02.2020 erging gegen den Betroffenen durch die Bußgeldbehörde … ein Bußgeldbescheid wegen Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 26 km/h (nach Toleranzabzug; Tat vom 24.11.2019). Es wurde eine Geldbuße von 120,00 € verhängt. Die Entscheidung ist seit dem 04.03.2020 rechtskräftig.

Am 27.02.2020 erging gegen den Betroffenen durch die Bußgeldbehörde in … ein Bußgeldbescheid wegen Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 22 km/h (nach Toleranzabzug; Tat vom 09.01.2020). Es wurde eine Geldbuße von 140,00 € verhängt. Die Entscheidung ist seit dem 29.07.2020 rechtskräftig.

Am 04.07.2020 erging gegen den Betroffenen durch die Bußgeldbehörde in …  ein Bußgeldbescheid wegen Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 46 km/h (nach Toleranzabzug; Tat vom 03.03.2020). Es wurde eine Geldbuße von 230,00 € sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Die Entscheidung ist seit dem 15.10.2020 rechtskräftig.

Am 06.10.2020 wurde durch Entscheidung des Amtsgerichts … gegen den Betroffenen wegen Nutzung eines elektronischen Geräts i. S. v. § 23 Abs. 1 a StVO beim Führen eines Kraftfahrzeugs (Tat vom 20.04.2020) eine Geldbuße von 300,00 € verhängt. Die Entscheidung ist seit dem 17.10.2020 rechtskräftig.

II.

Am ….07.2020, … Uhr befuhr der Betroffene mit seinem Pkw Mercedes, amtliches Kennzeichen …, die Bundesstraße 215 in der Gemarkung Heidkrug in Richtung Verden.

Er passierte dabei die in Höhe Kilometer 7,8 in Fahrtrichtung Verden aufgestellte geeichte stationäre Geschwindigkeitsmessanlage Traffipax Traffiphot S. In Höhe Kilometer 8,0, also 200 Meter vor der Messanlage befindet sich beidseitig aufgestellt ein Verkehrszeichen Nummer 274, welches eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 km/h ausweist. Die Messung dient an dieser Stelle, an der sich Wohnbebauung befindet und Ortsverbindungsstraßen auf die Bundesstraße einmünden, der Verkehrssicherheit.

Der Betroffene passierte die Messstelle mit seinem Pkw mit einer Fahrgeschwindigkeit von – nach Toleranzabzug von 3 km/h – 97 km/h. Damit überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung hätte der Betroffene bei gebotener Sorgfalt erkennen und durch Änderung seines Fahrverhaltens vermeiden können.

III.

In der Hauptverhandlung hat der Betroffene keine Angaben zur Sache gemacht.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur sicheren Überzeugung des Gerichts fest, dass der Betroffene zum Vorfallszeitpunkt das Fahrzeug geführt hat und den ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsverstoß begangen hat.

Die Fahreridentität ist erwiesen durch die In-Augenscheinnahme des Betroffenen in der Hauptverhandlung im Vergleich zu dem auf dem Lichtbild Bl. 10 oben abgebildeten Fahrer. Auf dieses Bild wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen gern. § 71 OWiG i. V. m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO. Danach war der Betroffene spontan und eindeutig für das Gericht als der auf dem Foto dargestellte Fahrer wiederzuerkennen.

Das Gericht hat sich in der Hauptverhandlung auch von der Ordnungsgemäßheit der Messung im standardisierten Messverfahren mit der stationären Geschwindigkeitsmessanlage Traffipax Traffiphot S überzeugt.

IV.

Der Betroffene hat somit eine Ordnungswidrigkeit gem. § 24 StVG, § 49 Abs. 3 Nr. 4, § 41 Abs. 1, Zeichen 274 StVO begangen. Er hat die durch Verkehrszeichen festgesetzte Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h überschritten.

Bei der Bemessung der Geldbuße hat sich das Gericht am Bußgeldkatalog orientiert. Gem. § 1 BKatV, Nummer 11.3.5 BKat ist bei fahrlässiger Begehungsweise bei Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h ein Regelsatz von 80,00 € vorgesehen. In diesem Regelsatz sind etwaige Eintragungen des Betroffenen im Fahreignungsregister nicht berücksichtigt (§ 3 Abs. 1 BKatV). Hier lagen zum Zeitpunkt der Begehung der Ordnungswidrigkeit am 29.07.2020 zwei rechtskräftige Bußgeldbescheide wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen, zwei rechtskräftige Verurteilungen wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid wegen einer weiteren Verkehrsordnungswidrigkeit (Abstandsunterschreitung) vor. Vor diesem Hintergrund ist die Erhöhung der Regelgeldbuße – wie im Bußgeldbescheid geschehen – um knapp die Hälfte des Regelsatzes auf 115,00 € angemessen und zur Einwirkung auf den Betroffenen auch erforderlich.

Auf ein Fahrverbot hat das Gericht nicht erkannt. Gem. § 25 Abs. 1 StVG kann das Gericht auf ein Fahrverbot bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit erkennen, die unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV bestimmt, dass ein Fahrverbot in der Regel in Betracht komme, wenn gegen den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht. Dies ist hier grundsätzlich der Fall. Das Gericht übt sein ihm zustehendes Ermessen allerdings dahingehend aus, dass es ein Fahrverbot hier vorliegend für unangemessen hart hält. Die zuvor durch Bußgeldbescheid vom 13.02.2020 geahndete Geschwindigkeitsüberschreitung vom 24.11.2019 lag mit 26 km/h am untersten Rand der in § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV genannten Grenze. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung erfolgte auf einer Autobahn, auf der die Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h festgesetzt worden war. Mit einer derart niedrigen Höchstgeschwindigkeit ist auf einer Autobahn nicht zu rechnen. Vorliegend lag die Geschwindigkeitsüberschreitung mit 27 km/h wiederum am untersten Rand des in § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV genannten Grenze. Der Verstoß erfolgte in den Abendstunden, in denen der Verkehr an der Messstelle gerichtsbekannt sehr gering ist. Dass anschließend noch ein Bußgeldbescheid wegen einer sehr massiven Geschwindigkeitsüberschreitung rechtskräftig geworden ist (wegen der auch ein Fahrverbot verhängt wurde), musste für die Ahndung des hier zur Verurteilung gelangten Verstoßes vom 29.07.2020 außer Betracht bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.