Gegen die Betroffene erging ein Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen § 24a StVG; auf den Einspruch hin kam es zur Hauptverhandlung. Ihr Verteidiger beantragte, die Polizeibeamten zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass es bei der Weitergabe der Blutprobe der Betroffenen zu einer Verwechslung gekommen sei, was das AG Tiergarten ablehnte. Das KG geht von einem wirksamen Beweisantrag aus, auch wenn nicht der Name, sondern lediglich eine Nummer für den Zeugen, welchen die Behörde namhaft machen sollte, angegeben worden sei. Auch dass geeignetere Beweismittel existieren, hier die Untersuchung der asservierten Blutprobe, ändere nichts an der Eigenschaft als Beweisantrag.

Die Begründung der Ablehnung des Antrags, „weder die Aktenlage noch der Verlauf der durchgeführten Beweisaufnahme ließen eine Verwechslung der Blutprobe der Betroffenen als naheliegend oder auch nur möglich erscheinen“, sei im Übrigen rechtsfehlerhaft. Gleiches gelte für die Bewertung durch das Gericht, dass eine Verwechslung der Blutproben unmöglich sei. Es sei festgestellt worden, dass der Bereitschaftsarzt die Kanülen mit Blut nicht mit Klebezetteln versehen hat und nicht aufgeklärt wurde, was in der Folge mit den Kanülen geschehen ist.

KG, Beschluss vom 06.07.2018 – 3 Ws (B) 186/18

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. März 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen.

Gründe

Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen die Betroffene mit Bußgeldbescheid vom 6. Dezember 2017 wegen einer nach §§ 24a Abs. 1, 24 StVG begangenen Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße von 500 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt. Auf ihren Einspruch hat das Amtsgericht die Betroffene entsprechend verurteilt. Zur Überzeugung des Gerichts hatte die Betroffene am Tattag mit einer Blutalkoholkonzentration von zumindest 0,81 Promille am Steuer eines Kraftfahrzeugs öffentliches Straßenland befahren. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen. Sie beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts und macht Verfahrensfehler geltend.

Das Rechtsmittel hat mit der Rüge, das Amtsgericht habe einen Beweisantrag unter Verstoß gegen § 77 Abs. 2 OWiG abgelehnt, Erfolg.

1. Die Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe den Beweisantrag der Betroffenen, die befassten Polizeibediensteten zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass es bei der Weitergabe der Blutprobe zu einer Verwechslung gekommen sei, unter Verstoß gegen § 77 Abs. 2 OWiG behandelt, ist zulässig erhoben. Die Verfahrensrüge zitiert den Wortlaut des gestellten Antrags – mit der Beweistatsache und den Beweismitteln – und auch des ablehnenden Gerichtsbeschlusses. Die diesen wesentlich tragenden Gründe ergeben sich aus dem Urteil, auf das der Senat bereits über die zulässig erhobene Sachrüge Zugriff hat.

2. Dass das Ersuchen für eine Beweisperson nur eine Nummer bezeichnet und im Übrigen deren Namhaftmachung erstrebt, nimmt ihm nicht die Eigenschaft als förmlich gestellter und als solcher zu bescheidender Beweisantrag. Denn bei der Benennung eines Zeugen genügt der Vortrag derjenigen Tatsachen, die es dem Gericht ermöglichen, ihn zu ermitteln oder zu identifizieren, so z. B. wenn der Zeuge – wie hier – unter Berücksichtigung des Beweisthemas über seine Tätigkeit insbesondere in einer Behörde zu individualisieren ist (vgl. Senat VRS 128, 295 mit Anm. Krenberger in jurisPR-VerkR 8/2016; BGHSt 40, 3; StraFo 2010, 342).

3. Auch dass das Ersuchen ein Beweismittel bezeichnet, dessen Geeignetheit, das erhoffte Beweisergebnis zu erbringen, hinter einem anderen Beweismittel – der nachträglichen Untersuchung der asservierten Blutprobe darauf, ob sie von der Betroffenen stammt – signifikant zurückbleibt, beeinträchtigt seine Eigenschaft als förmlicher und im Grundsatz zulässiger Beweisantrag nicht.

4. Die Begründung, mit der das Amtsgericht den Beweisantrag abgelehnt hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Es kann dahinstehen, ob zu besorgen ist, dass das Gericht die Reichweite des Schweigerechts der Betroffenen verkannt hat, als es im Zusammenhang mit der Versagung der Beweiserhebung ausführte, auch die Betroffene habe nicht „behauptet, bei ihrer Fahrt nicht alkoholisiert gewesen zu sein“ (UA S. 5). Dies ist problematisch, weil sich die Betroffene nicht zur Sache eingelassen und lediglich bei der Befragung eines Zeugen in einem völlig untergeordneten Punkt – der Ermittlung ihres Körpergewichts – Angaben zu den Abläufen in der Gefangenensammelstelle gemacht hatte.

b) Als fehlerhaft muss jedenfalls die Begründung gelten, „weder die Aktenlage noch der Verlauf der durchgeführten Beweisaufnahme ließen eine Verwechslung der Blutprobe der Betroffenen als naheliegend oder auch nur möglich erscheinen“ (UA S. 5). Weder erfordert ein begründetes Beweisersuchen, dass die Beweisbehauptung „naheliegend“ ist noch erfordert seine Zurückweisung, dass sie unmöglich ist. Ob das Tatgericht dem Ersuchen nachzukommen hat, bemisst sich vielmehr danach, ob es den Sachverhalt für geklärt hält. Ist dies der Fall, so hat es weiter abzuwägen, ob die beantragte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit (noch) erforderlich ist. Dabei sind das Gewicht und die Verlässlichkeit entscheidend, die den Ergebnissen der bisherigen Beweisaufnahme im Verhältnis zu dem zusätzlich beantragten Beweis nach der gesamten Beweislage zukommen (vgl. OLG Köln VRS 74, 372; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999, 183; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 17. Aufl., § 77 Rn. 11).

Auch wenn die Überlegung des Amtsgerichts, die (schweigende) Betroffene habe nicht einmal selbst behauptet, alkoholnüchtern gewesen zu sein, den ablehnenden Beschluss durch eine Missachtung des Schweigerechts nicht vollständig „infiziert“ haben sollte, wird der verbleibende Begründungsteil – die Identität des nicht beweissicher festgestellten Atemalkoholwertes mit dem Alkoholwert in der der Betroffenen zugeordneten Blutprobe – diesen Anforderungen nicht gerecht. Erst recht trägt er nicht die Bewertung des Amtsgerichts, eine Verwechslung der Blutproben sei unmöglich. Denn das Amtsgericht hat festgestellt, dass der als Zeuge vernommene Bereitschaftsarzt die Kanülen nicht mit den Klebezetteln versehen hat, die eine personenbezogene Zuordnung ermöglichen. Was in der Folge mit den Kanülen geschehen ist, ist nicht aufgeklärt worden. Auch weist die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift zutreffend darauf hin, dass das Urteil keine weiteren Feststellungen enthält, die gegen eine Verwechslung sprechen könnten, zum Beispiel, dass die Betroffene die einzige Person war, der in dieser Nacht in den Räumen der Gefangenensammelstelle Blut abgenommen wurde. Die Kongruenz des zuvor bei der Betroffenen festgestellten Atemalkoholwerts mit dem in Rede stehenden Blutalkoholwert stellt nur ein Indiz dafür dar, dass das Blut von der Betroffenen stammte. Auch insoweit teilt der Senat die Bewertung der Generalstaatsanwaltschaft, eine Verwechslung von Blutproben sei keinesfalls so lebensfremd, dass ein dahingehender Beweisantrag ohne weiteres abgelehnt werden durfte.

Das Urteil war daher auf die Verfahrensrüge aufzuheben, und die Sache war an das Amtsgericht Tiergarten zurückzuverweisen.

5. Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass mit einer Untersuchung der Blutprobe die Behauptung des Verteidigers, das untersuchte Blut stamme nicht von der Betroffenen, sicher zu überprüfen ist. Gerade auch angesichts der mit 0,81 Promille signifikanten und näher an der Grenze zum Kriminalunrecht als zur Straflosigkeit liegenden Höhe der Blutalkoholkonzentration sprechen bei der Erweislichkeit des Tatvorwurfs keine ersichtlichen Rechtsgründe gegen die Verhängung des indizierten Regelfahrverbots. Eine sog. fahrverbotsfeindliche Verfahrensdauer dürfte bei dem hier in Rede stehenden Vorwurf frühestens nach zwei Jahren in Frage kommen (vgl. grundsätzlich NK-GVR/Krumm, § 25 StVG 2. Aufl., Rn. 45 mwN in Fn. 210).