Das OLG Bamberg hatte sich wieder mit der Möglichkeit einer Einspruchsbeschränkung durch einen Terminsvertreter in der Hauptverhandlung zu befassen. Eine (Teil-)Rücknahme des Einspruchs bedürfe einer ausdrücklichen Ermächtigung, die sich inhaltlich auf ein bestimmtes Rechtsmittel beziehen müsse. Eine solche folge insbesondere nicht aus der bereits vor Erlass des Bußgeldbescheids vorgelegten Vollmachtsurkunde. Das AG sei somit zu Unrecht von einem beschränkten Einspruch ausgegangen und habe deshalb rechtsfehlerhaft nur über den Rechtsfolgenausspruch entschieden.
OLG Bamberg, Beschluss vom 08.02.2019 – 2 Ss OWi 123/19
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 20.08.2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Zentrale Bußgeldstelle setzte mit Bußgeldbescheid vom 12.06.2017 gegen den Betroffenen wegen einer am 12.04.2017 als Führer eines Pkw begangenen Nichteinhaltung des Mindestabstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug (§§ 4 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO) eine Geldbuße von 240 Euro fest und ordnete gegen ihn wegen eines groben Pflichtenverstoßes im Sinne der §§ 25 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 26a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StVG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BKatV i.V.m. lfd.Nr. 12.7.3 der Tabelle 2 zum BKat ein einmonatiges Regelfahrverbot an. Nach Einspruchseinlegung durch die seinerzeit bevollmächtige Verteidigerin des Betroffenen beschränkte die von dieser mit einer schriftlichen Untervollmacht ausgestattete unterbevollmächtigte Verteidigerin in der in erlaubter Abwesenheit des Betroffenen (§ 73 Abs. 2 OWiG) durchgeführten Hauptverhandlung vom 27.11.2017 ohne weitere Erklärungen zu ihrer Ermächtigung den Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch, verbunden mit der Erklärung, dass der Einspruch bis spätestens 31.03.2018 zurückgenommen werde. Entgegen dieser Ankündigung wurde der Einspruch nicht zurückgenommen. Mit dem angefochtenen Urteil vom 20.08.2018 setzte das Amtsgericht gegen den wiederum von der Erscheinenspflicht entbundenen und in der Hauptverhandlung auch nicht von einem Verteidiger vertretenen Betroffenen wegen des vorgenannten Abstandsverstoßes entsprechend dem Bußgeldbescheid eine Geldbuße von 240 Euro fest und ordnete gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats an, wobei es von der Wirksamkeit der am 27.11.2017 erklärten Einspruchsbeschränkung ausgegangen ist. Mit seiner durch seinen neuen Verteidiger eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
1. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere mit an diesem Tage übermitteltem Verteidigerschriftsatz vom 15.10.2018 innerhalb der erst mit Ablauf des 25.10.2018 endenden Monatsfrist der §§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. 345 Abs. 1 Satz 1 StPO begründet worden (zur Fristberechnung vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 10.05.2007 – 3 Ss OWi 1532/06 = OLGSt StPO § 345 Nr 12 = VerkMitt 2008, Nr 6 m.w.N.).
2. Das Rechtsmittel ist auch begründet, weil das Amtsgericht den Umfang seiner Prüfungs- und Feststellungspflicht verkannt hat, indem es bei seiner Urteilsfindung – was das Rechtsbeschwerdegericht auf die Sachrüge von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. nur BGH, Beschl. v. 30.11.1976 – 1 StR 319/76 = BGHSt 27, 70 = NJW 1977, 442 = DAR 1977, 136; BayObLG, Beschl. vom 02.02.2001 – 5St RR 20/01 = VRS 100 [2001], 354 = NZV 2001, 353 = BA 38, 290; OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 = ZfS 2018, 588 und 30.10.2017 – 3 Ss OWi 1206/17 = VerkMitt 2018, Nr 7 = ZfS 2018, 114; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. § 318 Rn. 33, § 327 Rn. 9, § 352 Rn. 4) – zu Unrecht von einer wirksamen Einspruchsbeschränkung nach § 67 Abs. 2 OWiG auf den Rechtsfolgenausspruch des Bußgeldbescheids ausgegangen ist. Das Amtsgericht hat deshalb rechtsfehlerhaft nicht über alle im Rechtssinne angefochtenen Bestandteile des Bußgeldbescheids, insbesondere den Schuldspruch, entschieden.
a) Auf Feststellungen zum Schuldspruch durfte nicht verzichtet werden, weil die am 27.11.2017 erklärte Einspruchsbeschränkung unwirksam ist.
aa) Begrifflich handelt es sich auch dann um eine Einspruchsbeschränkung i.S.v. § 67 Abs. 2 OWiG, wenn der zunächst unbeschränkt erhobene Einspruch erst später, etwa im Wege eines Verteidigerschriftsatzes im Vorfeld der Hauptverhandlung oder aber – wie hier – innerhalb einer Hauptverhandlung teilweise zurückgenommen und damit nachträglich auf bestimmte Punkte, namentlich den Rechtsfolgenausspruch, beschränkt wird (OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 = ZfS 2018, 588 und 30.10.2017 – 3 Ss OWi 1206/17 = VM 2018, Nr. 7 = ZfS 2018, 114; KG, Beschl. v. 9.10.2015 – 162 Ss 77/15 = VRS 129 [2015] Nr 28; Burhoff [Hrsg.]/Gieg, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl., Rn. 945, 992, jeweils m.w.N.).
bb) Ebenso wie für einen Teil-Verzicht auf den Einspruch bedarf der erklärende Verteidiger auch für die Teilrücknahme des Einspruchs vor oder in der Hauptverhandlung nach §§ 67 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 302 Abs. 2 StPO einer bereits bei Abgabe der Rechtsmittelerklärung vorliegenden besonderen – jederzeit durch formlose Erklärung widerruflichen – ausdrücklichen Ermächtigung des Betroffenen bzw. Einspruchsberechtigten, die sich inhaltlich auf ein bestimmtes Rechtsmittel beziehen muss (OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 = ZfS 2018, 588; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05.02.2010 – 1 Ss 5/10 = StraFo 2010, 252; KG, Beschl. v. 19.2.1999 – 2 Ss 419/98 [bei juris]; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 302 Rn. 31a; Göhler/Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 67 Rn 35 f.; Burhoff [Hrsg.]/Gieg a.a.O. Rn. 945, 992; KK-OWiG/Ellbogen § 67 Rn. 99, jeweils m.w.N.).
b) Eine derartige ausdrückliche Ermächtigung lag hier jedoch nicht vor. Insbesondere ergibt sich eine solche weder aus den Vollmachtsurkunden, die für die vormalige Verteidigerin des Betroffenen bereits unter dem 19.05.2017 und damit noch vor Erlass des Bußgeldbescheids sowie der Unterbevollmächtigten ausgestellt worden sind, noch ist ein entsprechender Nachweis für die Existenz einer notwendigen ausdrücklichen Ermächtigung bereits im Zeitpunkt der Einspruchsbeschränkung in zulässiger Weise nachträglich (vgl. hierzu neben BGHSt 36, 259/260 u.a. BGH, Beschl. v. 06.12.2016 – 4 StR 558/16 = NStZ-RR 2017, 185; 15.04.2015 – 1 StR 112/15 = NStZ-RR 2016, 24; 05.02,2014 – 1 StR 527/13 [bei juris]; Urt. v. 18.07.2013 – 4 StR 100/13 = NStZ-RR 2013, 352 = BGHR StPO § 302 Abs. 1 Rücknahme 7 und OLG Bamberg a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 302 Rn. 33) erbracht worden. Eine hierauf unter Darlegung der maßgeblichen Rechtsfragen abzielende Anfrage der Generalstaatsanwaltschaft vom 07.01.2019 bei der vormaligen Verteidigerin des Betroffenen blieb unbeantwortet. Da Anhaltspunkte dafür fehlen, die Frage könne durch den Senat freibeweislich weiter aufgeklärt werden, ist davon auszugehen, dass der Betroffene die in erster Instanz für ihn tätig gewordenen Verteidigerinnen nicht ausdrücklich zu der am 27.11.2017 von der unterbevollmächtigten Verteidigerin erklärten Einspruchsbeschränkung ermächtigt hatte mit der Folge, dass mit dem Einspruch des Betroffenen als Rechtsbehelf eigener Art (näher zur Rechtsnatur des Einspruch vgl. Burhoff [Hrsg.]/Gieg a.a.O. Rn. 928 ff.) der Bußgeldbescheid vom 12.06.2017 seitens des Amtsgerichts weiterhin als umfassend angefochten zu behandeln gewesen wäre.
III.
Nach alledem ist das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO). Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).
IV.
Die Entscheidung ergeht durch Beschluss nach § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.
Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.
Einen Kommentar schreiben