Das AG verurteilte den Betroffenen wegen “fahrlässiger Anordnung bzw. Zulassung der verbotswidrigen Teilnahme eines LKWs an einem Feiertag am öffentlichen Straßenverkehr”, nachdem eine Frau am Karfreitag 2018 mit einem Lastkraftwagen, dessen Halter das Speditionsunternehmen ist, in welchem der Betroffene als Geschäftsführer arbeitet. Es ging davon aus, dieser habe die Fahrt zumindest fahrlässig zugelassen.

Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 1 StVO in der Fassung vom 06.10.2017 dürften Lkw an Sonn- und Feiertagen nicht geführt werden. Anders als in der zuvor geltenden Fassung, wonach diese nicht verkehren durften, was auch die Verantwortlichkeit des Fahrzeughalters eingeschlossen habe, komme es nach dem Wortlaut nun allein auf den Fahrzeugführer an. Der Halter sei nicht mehr Adressat der Norm; so dass allenfalls eine (vorsätzliche) Beteiligung nach § 14 OWiG in Betracht komme.

OLG Köln, Beschluss vom 05.07.2019 – 1 RBs 207/19

I. Die Sache wird durch den Rechtsunterzeichner dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

II. Der angefochtene Beschluss wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht Bergheim zurückverwiesen.

Gründe

A.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit der angefochtenen Entscheidung wegen “fahrlässiger Anordnung bzw. Zulassung der verbotswidrigen Teilnahme eines LKWs an einem Feiertag am öffentlichen Straßenverkehr” zu der Geldbuße von 400,– EUR verurteilt. Es hat zum Tatgeschehen die nachfolgenden Feststellungen getroffen:

“Am 30.03.2018 (Karfreitag) befuhr Frau A mit dem LKW mit dem amtlichen Kennzeichen B unter anderem die C FR D. Dabei hatte sie Transportgut geladen, welches sie am 29.03.2018 von dem Verladebahnhof E in Empfang genommen hatte. In F wurde sie zum oben angegebenen Zeitpunkt auf der C fahrend angetroffen und kontrolliert. Bei der Strecke E-F handelt sich um eine Strecke weit über 200km. Frau A ist bei dem Speditionsunternehmen G B. V. angestellt, welche Halterin des LKW und dessen Geschäftsführer der Betroffene ist. (…) Gegen die Fahrerin wurde wegen desselben Sachverhaltes ein Bußgeld i.H.v. 120,00 EUR rechtskräftig festgesetzt.”

Und im Rahmen der rechtlichen Bewertung heißt es:

“Durch den oben festgestellten Sachverhalt hat der Betroffene als Geschäftsführer des Fahrzeughalters eine verbotswidrige Lkw-Fahrt an einem gesetzlichen Feiertag zumindest fahrlässig zugelassen.”

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der dieser die Verletzung materiellen Rechts rügt und das Verfahren beanstandet.

B.

I.

Die Übertragung der Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern beruht auf § 80a Abs. 3 S. 1 Alt. 1 OWiG. Wie zu zeigen sein wird, wirft der angefochtene Beschluss Rechtsfragen auf, die bislang obergerichtlich noch nicht entschieden sind.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Ziff. 1 OWiG statthafte, Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die von der Verteidigung erhobenen Verfahrensbeanstandungen (betreffend den Übergang in das Beschlussverfahren und die Akteneinsicht) kommt es danach nicht mehr an.

1.

Verfahrenshindernisse bestehen freilich – entgegen der von der Verteidigung vertretenen Rechtsmeinung – nicht.

a)

Ein Verfahrenshindernis ergibt sich zunächst nicht daraus, dass der Bußgeldbescheid nicht in die niederländische Sprache übersetzt worden ist. Dieser Umstand führt nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung und in der Folge zum Eintritt der Verfolgungsverjährung.

aa)

Es mag offen bleiben, ob sich – wie die Verteidigung meint – eine Rechtspflicht zur Übersetzung des Bußgeldbescheids aus Art. 3 der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren folgt. Immerhin bestimmt Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie, dass in Fällen, in denen – wie hier – nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats die Verhängung einer Sanktion wegen geringfügiger Zuwiderhandlungen durch eine Behörde, die kein in Strafsachen zuständiges Gericht ist, vorgesehen ist, und – gleichfalls wie hier – gegen die Verhängung einer solchen Sanktion bei einem solchen Gericht Rechtsmittel eingelegt werden können, die Richtlinie nur auf das Verfahren vor diesem Gericht nach Einlegung eines solchen Rechtsmittels Anwendung findet. Die von der Verteidigung angezogene Entscheidung des EuGH vom 12. Oktober 2017 (C-278/16, veröffentlicht u.a. in NJW 2018, 142) betrifft demgegenüber die Festsetzung strafrechtlicher Rechtsfolgen im Strafbefehlswege.

bb)

Jedenfalls aber führt die fehlende Übersetzung des Bußgeldbescheids in eine dem Betroffenen verständliche Sprache nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung. Diesem ist vielmehr ggf. mit der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu helfen. Das hat der Senat mit Beschluss vom 9. Dezember 2014 (III-1 RVs 167/14 = NStZ-RR 2015, 371) für die Wirksamkeit einer Terminsladung ausgesprochen; die dort angestellten Erwägungen gelten hier sinngemäß (s. weiter KK-OWiG-Kurz, 5. Auflage 2018, § 66 Rz. 33 m. N.). Eine Frist hat der Betroffene aber nicht versäumt, vielmehr gegen den Bußgeldbescheid vom 9. Juli 2018 durch anwaltlichen Schriftsatz vom 24. Juli 2018 rechtzeitig Einspruch eingelegt.

b)

Verjährung ist auch im Weiteren nicht eingetreten. Nach Erlass des Bußgeldbescheids am 9. Juli 2018 hat das Amtsgericht am 22. November 2018 Termin zur Hauptverhandlung bestimmt und damit die zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch laufende sechsmonatige Verjährungsfrist des § 26 Abs. 3 2. Alt. StVG gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Ziff. 11 OWiG unterbrochen. Auf die von der Verteidigung aufgeworfene Frage, ob am 12. Oktober 2018 bei dem Amtsgericht eine “Akte” im Rechtssinne (des § 33 Abs. 1 S. 1 Ziff. 10 OWiG) eingegangen ist, kommt es demnach nicht an.

2.

Die Rechtsbeschwerde hat aber mit der erhobenen Sachrüge Erfolg; die Verurteilung des Betroffenen wird von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen.

a)

Gemäß § 30 Abs. 3 S. 1 StVO in der bis zum 18. Oktober 2017 geltende Fassung durften Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5t an Sonn- und Feiertagen nicht verkehren. Diese Formulierung der Verordnung wurde so verstanden, dass sie einer bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit auch des Fahrzeughalters jedenfalls nicht entgegenstand, die sodann – letztlich – aus Sinn und Zweck des Verbots gefolgert wurde (vgl. BayObLG VRS 70, 471 [472]; ebenso OLG Hamm B. v. 29.05.2013 – III-3 RBs 336/12 – bei Juris Tz. 9; Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2016, § 30 StVO Rz. 16; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke-Hühnermann, Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage 2018, § 30 StVO Rz. 8; HK-Straßenverkehrsrecht-Jäger, § 30 StVO Rz. 34). Ein entsprechender Bußgeldregelsatz fand (und findet) sich in lfd. Nr. 120 BKat.

b)

Durch die 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3549 ff [3550]) ist freilich der Wortlaut der Verordnung dahingehend geändert worden, dass an Sonn- und Feiertagen Lkw nicht geführt werden dürfen. Ein Fahrzeug “führt” gängiger Definition zufolge, wer es selbst (eigenhändig) bei bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrtbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt (Hentschel/König/Dauer-König, a.a.O., 45. Auflage 2019, § 316 StGB Rz. 3; § 2 StVG Rz. 28 je m. w. N.; zu der dort gemeinten – hier nicht einschlägigen – Mitverantwortung vgl. a.a.O., § 316 Rz. 5). Das trifft auf den Fahrzeughalter nicht zu; er “führt” das Fahrzeug in dieser Eigenschaft nicht eigenhändig (zum fahrenden Halter vgl. OLG Celle NZV 2004, 368 = VRS 107, 133). Obwohl der Verordnungsgeber ausweislich der Begründung durch die Verwendung des Verbs “führen” (nicht – wie in BR-DRs. 556/17, S. 29 ausgewiesen – “fahren”; so aber auch BeckOK-Straßenverkehrsrecht-Ritter, 3. Edition Stand 01.04.2019, § 30 StVO Rz. 9) lediglich den ruhenden Verkehr von dem Verbot ausnehmen wollte, ist nach dem nunmehrigen Wortlaut der Verordnung der (das Fahrzeug nicht selbst führende) Halter daher nicht (mehr) Normadressat der Vorschrift (vgl. auch Ternig, NZV 2017, 497 [499]: “Somit geht es um den Fahrzeugführer”).

c)

Dass der Betroffene als Halter des fraglichen Fahrzeugs dieses nicht (das wird jedenfalls nicht festgestellt) eigenhändig geführt hat, schließt freilich nicht aus, dass er sich an einem (vorsätzlichen) “Führen” durch die Fahrerin im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 1 OWiG (vorsätzlich) beteiligt hat (vgl. dazu BeckOK-OWiG-Coen, 22. Edition Stand 15.03.2019, § 14 Rz. 12 ff.; s. weiter speziell zur Beteiligung an Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten KK-OWiG-Rengier, 5. Auflage 2018, § 14 Rz. 56 ff.). Der Senat vermag indessen den Urteilsgründen ausreichende Feststellungen zu einer solchen Beteiligung nicht zu entnehmen, so dass eine (bloße) Schuldspruchänderung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht in Betracht kommt. Einer solchen steht namentlich im Wege, dass das Amtsgericht von “zumindest fahrlässig(er)” Begehung ausgegangen, eine fahrlässige Beteiligung an fremder Ordnungswidrigkeit aber begrifflich nicht möglich ist (Göhler-Gürtler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 14 Rz. 4).

Die Zurückverweisung gibt dem Tatrichter darüber hinaus Gelegenheit, konkrete Feststellungen zur zulässigen Gesamtmasse des bislang lediglich als “LKW” bezeichneten Fahrzeugs zu treffen.