Der Betroffene passierte ein Verkehrszeichen 274, welches eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h anordnet. Sein Pkw verfügt über eine Verkehrszeichenerkennung, welche nicht nur die Höchstgeschwindigkeit anzeigt, sondern ohne Zutun des Fahrers diese automatisch einhalten soll. Dies funktionierte zum Tatzeitpunkt nicht, so dass das Fahrzeug des Betroffenen mit 92 km/h gemessen wurde.

Laut AG Aachen habe sich der Betroffene auf das Fahrassistenzsystem nicht verlassen dürfen. Diese seien nur als Unterstützung des Fahrers zu verstehen, der (noch) die alleinige Verantwortung für sein Fahrverhalten trage. Eine Minderung der Geldbuße aufgrund eines vermeidbaren Verbotsirrtums komme ebenfalls nicht in Betracht, da der Grad der Vermeidbarkeit evident sei. Es könne “nicht ernsthaft argumentiert werden, dass sich jemand mit der vermeintlichen Fehlerfreiheit von technischen Hilfssystemen im PKW exkulpieren” wolle.

AG Aachen, Urteil vom 07.03.2019 – 420 OWi-608 Js 1865/18-206/18

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h zu einer Geldbuße in Höhe von 100,– Euro verurteilt.

Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene.

Gründe

I.

Der Betroffene, der am … geboren wurde, befuhr am …07.2018 um 09:57 Uhr in Roetgen, B 258, Himmelsleiter in Fahrtrichtung Roetgen mit einem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … Dabei erreichte er nach Toleranzabzug eine Geschwindigkeit von 92 km/h.

An dieser Stelle war durch Verkehrszeichen 274 eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h angeordnet.

Dies fiel dem Betroffenen zwar auf, gleichwohl passte er seine Geschwindigkeit nicht an, weil er davon ausging, dass sein PKW, welcher über eine System zur Verkehrszeichenerkennung verfügt, ohne sein Zutun rechtzeitig die Geschwindigkeit verringern würde. Dies erfolgte jedoch nicht. Bei Beachtung hinreichender Sorgfalt hätte er aber erkennen können, dass durch das Verkehrszeichen eine Geschwindigkeitsbegrenzung angeordnet wurde und dass er sich demgegenüber zu schnell fortbewegte. Das Verkehrszeichen war zur Tatzeit sichtbar.

Am Tatort führte der Kreis Aachen durch Herrn S eine Geschwindigkeitskontrolle vermittels eines Radar-Geschwindigkeitsmessgerätes vom Typ Traffiphot – S durch. Hierzu hatte Herr S das Radargerät mit der Gerätenummer 593-031/60708 gemäß der Zulassung und der Bedienungsanleitung aufgestellt. Am 19.07.2018 um 11:21 Uhr und am 25.07.2018 um 10:29 Uhr wurden Segmenttests durchgeführt und durch entsprechende. Kalibrierungsfotos im Messfilm dokumentiert. Das konkret verwandte Radargerät war vom Landesbetrieb Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfalen, Betriebsstelle Eichamt Düsseldorf, am 04.05.2018 geeicht worden, die Eichung hat Gültigkeit bis zum 31.12.2019.

Der Betroffene ist bereits mehrfach verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten.

Hervorzuheben sind folgende Verstöße:

1. Am 03.04.2017 überschritt der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 37 km/h. Bei einer zulässigen Geschwindigkeit von 60 km/h wurde eine Geschwindigkeit von 97 km/h festgestellt. Gegen den Betroffenen wurde ein Bußgeld von 120,-€ verhängt, das am 24.10.2017 rechtskräftig wurde.
2. Am 26.10.2017 überschritt der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h. Bei einer zulässigen Geschwindigkeit von 1 00 km/h wurde eine Geschwindigkeit von 122 km/h festgestellt. Gegen den Betroffenen wurde ein Bußgeld von 70,-€ verhängt, das am 31.01.2018 rechtskräftig wurde.
3. Am 25.09.2017 überschritt der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h. Bei einer zulässigen Geschwindigkeit von 80 km/h wurde eine Geschwindigkeit von 101 km/h festgestellt. Gegen den Betroffenen wurde ein Bußgeld von 70,-€ verhängt, das am 11.04.2018 rechtskräftig wurde.

II.

Diese tatsächlichen Feststellungen beruhen auf den in der Hauptverhandlung erhobenen Beweisen, wegen derer auf das Hauptverhandlungsprotokoll verwiesen wird.

Der Betroffene hat sich in der Hauptverhandlung dahingehend eingelassen, dass es zutreffe, dass er zur angegebenen Tatzeit mit seinem Fahrzeug an der Messstelle vorbeigefahren sei, er greife auch nicht die Richtigkeit der Messung an, sondern ist der Auffassung man könne ihm persönlich keinen Vorwurf für die Überschreitung der Geschwindigkeit machen, da er teures System in seinem Fahrzeug verbaut habe, dass Verkehrsschilder erkennt und dann rechtzeitig – ohne sein Zutun – die Geschwindigkeit anpasse. Auf dieses System habe er sich verlassen dürfen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Betroffene zur sicheren Überzeugung des Gerichts im Sinne der getroffenen Feststellungen überführt.

1) Es steht fest, dass der Betroffene der Fahrer des gemessenen Fahrzeugs zur Tatzeit war. Denn der Betroffene hat die Fahrereigenschaft selbst eingeräumt.

2) Des Weiteren ist das Gericht von der Richtigkeit der Messung überzeugt. Bei der Messung der Geschwindigkeit mittels eines Radargeräts des hier verwandten Typs Traffiphot – S handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Anhaltspunkte dafür, dass Messfehler existieren sind weder erkennbar noch vorgetragen worden.

3) Der Betroffene durfte sich nicht darauf verlassen, dass sein PKW ohne sein Zutun rechtzeitig die Geschwindigkeit verringert. Entsprechende Fahrsysteme sind immer nur als Unterstützung des Fahrers zu verstehen, der letztlich (noch) die alleinige Verantwortung für sein Fahrverhalten trägt. Der Betroffene unterliegt auch keinem unvermeidbaren Verbotsirrtum iSv § 11 Abs. 2 OWiG.

III.

Durch die Tat hat sich der Betroffene der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß §§ 41, 49 Abs. 3 Nr.: 4 StVO, §§ 24 StVG, Nr. 11.3.4 BKat (Stand 06.10.2017, TBNr. 141721) schuldig gemacht. Bei pflichtgemäßem Beachten des Verkehrszeichens und seines Tachometers hätte er erkennen können und müssen, dass er sich entgegen der durch die Beschilderung angeordneten Höchstgeschwindigkeit zu schnell bewegte. Er handelte daher fahrlässig. Hinreichende Anhaltspunkte für einen wissentlichen Verstoß gegen die Geschwindigkeitsvorschriften liegen dagegen nicht vor.

IV.

Aufgrund dessen war gegen den Betroffenen ein Bußgeld in Höhe von 100,- € zu verhängen. Bei der Bemessung des Bußgeldes hat sich das Gericht gemäß § 1 Abs. 1, 2 BKatV zunächst an der Regelsatzandrohung von Nr. 11.3.4 BKatV orientiert, die für Missachtungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 bis 25 km/h ein Bußgeld in Höhe von 70,- € vorsieht.

Aufgrund der oben dargestellten ähnlichen bisherigen Geschwindigkeitsverstöße des Betroffenen, die auch in einem – wenn auch etwas weiteren – zeitlichen Zusammenhang mit dem vorliegenden Vorfall stehen, hat das Gericht die Regelgeldbuße aufgrund des erhöhten Handlungsunrechts des Betroffenen wegen der Voreintragungen angemessen erhöht. Besondere Milderungsumstände, die für die Bemessung der Höhe der Geldbuße ausschlaggebend sein könnten, sind nicht zu erkennen, insbesondere liegt keine Minderung aufgrund eines vermeidbaren Verbotsirrtums vor, da der Grad der Vermeidbarkeit zur Überzeugung des Gerichts im vorliegenden Fall evident ist. Es kann nicht ernsthaft argumentiert werden, dass sich jemand mit der vermeintlichen Fehlerfreiheit von technischen Hilfssystemen im PKW exkulpieren will.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 465 StPO.

Vielen Dank an Herrn Dr. Rolf Strothmann sowie Herrn RA Dr. Hermann Embacher (Saarbrücken) für den Hinweis auf die Entscheidung.