Der Betroffene wurde mittels PoliScan Speed mit 135 km/h, nach Toleranzabzug 130 km/h, gemessen. Die Auswertung der Zusatzdaten in der XML-Datei des Falldatensatzes ergab eine Geschwindigkeit von nur 129,5 km/h. Dies stellt nach Auffassung des AG Gera die Plausibilität des Messergebnisses in Frage. Da eine Nachberechnung des Geschwindigkeitswerts bei diesem Messverfahren nicht möglich sei, fehle es an einem geeigneten Beweismittel. Die aus den Zusatzdaten errechnete Geschwindigkeit könne auch nicht als Mindestwert herangezogen werden, da diese nur zur – hier fehlgeschlagenen – Plausibilitätsprüfung gedacht sei.

AG Gera, Beschluss vom 20.05.2019 – 14 OWi 205 Js 5950/19

In dem Bußgeldverfahren gegen

Verteidiger:
Rechtsanwalt Dirk Rahe, Lahnsteiner Straße 7, 07629 Hermsdorf, Gz.: 40803/18

hat das Amtsgericht Gera durch Richter … am 20.05.2019 beschlossen:

Der Betroffene wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Dem Betroffenen lag gemäß des Bußgeldbescheids der Thüringer Polizei, Zentrale Bußgeldstelle Artern, vom … zur Last, er habe am 14.08.2018 gegen … Uhr auf der Bundesautobahn A4 bei Renneburg in Höhe des km 127,0 als Führer des Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h überschritten.

II.

Der Betroffene ist – gemäß § 72 Abs. 1 Satz 3 OWiG im Beschlusswege ohne vorherigen Hinweis – aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, nachdem ihm der Geschwindigkeitsverstoß nicht nachgewiesen werden kann.

Der Betroffene bezweifelt die Richtigkeit des Messergebnisses.

Der Tatvorwurf beruht auf einer Geschwindigkeitsmessung mit dem Messverfahren Poliscan M1 HP. Dieses ist grundsätzlich als standardisiertes Messverfahren anerkannt. Vorliegend bestehen aber konkrete Zweifel an der Richtigkeit des durch das Gerät erzielten Messergebnisses. In der Auswertung der zur Messung zugehörigen xml-Datei ist festzustellen, dass sich aus den zugänglichen Messdaten eine Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeugs von 129,5 km/h über eine Erfassungsstrecke von 15,83 Metern errechnet. Nachdem der errechnete Wert noch außerhalb des toleranzbereinigten Geschwindigkeitsmesswert (ohne Toleranzabzug 135 km/h, toleranzbereinigt 130 km/h) liegt, steht damit die Plausibilität des erzielten Messergebnisses in Frage.

Die auf Grundlage der xml-Datei errechnete Geschwindigkeit kann auch nicht als vorwertbare Mindestgeschwindigkeit herangezogen werden. Die xml-Datei ist entsprechend Bauartzulassung und Bedienungsanleitung des Geräts nicht Ergebnis des Messvorgangs, sondern dient lediglich zu dessen – hier fehlgeschlagener- Plausibilisierung, zumal fraglich erscheint, inwiefern eine Verwertung der Messdaten aus der xml-Datei zulässig wäre, wenn die Plausibilität der Messdaten an sich bereits in Frage steht.

Nachdem gerichtsbekannt auch die sachverständige Nachberechnung des Geschwindigkeitsverstoßes bei dem Messverfahren Poliscan nicht möglich ist, stehen keine zum Tatnachweis geeigneten Beweismittel zur Verfügung.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO.

Vielen Dank an Herrn Rechtsanwalt Dirk Rahe, Sozietät Dr. Zwanziger & Collegen, Gera / Hermsdorf, für die Zusendung dieser Entscheidung.