Bereits vom AG und LG Tübingen wurde bestätigt, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger bei der Auswertung von ESO-Messungen den vom Gerätehersteller für jede einzelne Auswertung in Rechnung gestellten Betrag von EUR 105,00 netto als besondere Aufwendung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG ersetzt verlangen kann. Dem hat sich nun das OLG Stuttgart angeschlossen und die weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin als unbegründet verworfen. Entscheidend sei, dass nach Angaben der PTB vor allem bei Verwendung der Auswertungssoftware des Geräteherstellers von zuverlässigen Ergebnissen auszugehen sei, diese Software aber nicht zum (einmaligen) Kauf angeboten werde.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.07.2018 – 4 Ws 158/18

Die weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse gegen den Beschluss des Landgerichts- 3. Große Jugendkammer- Tübingen vom 20. März 2018 wird als unbegründet

verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Mit der weiteren Beschwerde wendet sich die Bezirksrevisorin beim Landgericht Tübingen als Vertreterin der Staatskasse gegen die Festsetzung einer weiteren Vergütung in Höhe von 124,95 Euro zu Gunsten eines vom Amtsgericht Tübingen in einem Bußgeldverfahren bestellten Sachverständigen.

Das Landratsamt Tübingen erließ gegen den Betroffenen am 29. August 2016 wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes vom 2. Juni 2016 einen Bußgeldbescheid, gegen den der Betroffene Einspruch einlegte. Bereits in der Einspruchsbegründung rügte der Betroffene über seinen anwaltlichen Vertreter die Richtigkeit der Messung mit dem verwendeten Gerät Nr. 5011 vom Typ ES3.0 der Firma eso GmbH. Nach Vorlage der Akten an das Amtsgericht Tübingen beauftragte dieses mit Beschluss vom 23. Februar 2017 den von der IHK öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für das Sachgebiet Messung im Straßenverkehr Dipl. Ing. Werner Wellner aus Saarlouis mit der Erstellung eines technischen Sachverständigengutachtens zur verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung in der Hauptverhandlung, wobei sich das Gutachten insbesondere damit beschäftigen sollte, ob die Messstelle entsprechend den Vorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt aufgebaut wurde. In Vorbereitung seines mündlichen Gutachtens forderte der Sachverständige u.a. bei der zuständigen Bußgeldbehörde die komplette Messserie und die Statistikdatei im ESO-Format sowie den Public-key des Messgeräts an. Der Sachverständige erstattete daraufhin in der Hauptverhandlung vom 25. April 2017 sein Gutachten; die bei der verfahrensgegenständlichen Messung aufgezeichneten Signale hatte er sowohl mit dem Online-Programm esoData.esoDigitales Web-base der Firma eso GmbH als auch mit einem eigenen Programm ausgewertet. Gegen den Betroffenen wurde in der Hauptverhandlung durch Urteil des Amtsgerichts Tübingen vom 25. April2017 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts eine Geldbuße von 55 Euro festgesetzt Nach der Hauptverhandlung reichte der Sachverständige beim Amtsgericht Tübingen eine Rechnung ein, in der er neben seinem Zeitaufwand u.a. auch die Erstattung einer beigefügten Rechnung der Firma eso GmbH vom 19. April 2017 für die Nutzung des Programms esoData.esoDigitales Web-base in Höhe von 105 Euro netto (124,95 Euro brutto) begehrte. Nachdem die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Rechnungsbetrag der Firma eso GmbH bei der Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen in Abzug gebracht hatte, beantragte jener am 19. Juni 2017 die gerichtliche Festsetzung dieses Betrages in Höhe von 124,05 Euro brutto. Mit Beschluss vom 4. September 2017 setzte das Amtsgericht Tübingen fest, dass dem Sachverständigen eine weitere Vergütung in Höhe von 124,95 Euro zu vergüten sei und ließ die Beschwerde zu. Gegen diesen Beschluss erhob die Bezirksrevisorin beim Landgericht Tübingen als Vertreterin der Staatskasse am 18. Oktober 2017 Beschwerde mit dem Ziel, den Antrag des Sachverständigen auf gerichtliche Festsetzung eines weiteren Vergütungsbetrages in Höhe von 124,95 Euro zurückzuweisen. Mit Beschluss vom 27. November 2017 half das Amtsgericht Tübingen der Beschwerde nicht ab und legte die Akte dem Landgericht Tübingen zur Entscheidung vor.

Das Landgericht – 3. Große Jugendkammer – Tübingen hat die Beschwerde der Bezirksrevisorin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tübingen vom 4. September 2017 durch Beschluss vom 20. März 2018 in der Besetzung mit drei Richtern zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen. Zuvor hatte es eine behördliche Auskunft der Arbeitsgruppe 1.31 Geschwindigkeitsmessgeräte der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zu der Frage, ob eine Auswertung der Rohdaten des Messgeräts ESO ES3.0 in sachgerechter und zuverlässiger Weise nur mit dem Auswertetael der Firma eso GmbH vorgenommen werden kann und falls ja, worauf sich diese Einschätzung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt stützt, eingeholt. Auf deren Auskunft vom 14. Februar 2018 hat das Landgericht – 3. Große Jugendkammer – Tübingen in seinem Beschluss vom 20. März 2018 Bezug genommen.

Genen den Beschluss des Landgerichts – 3. Große Jugendkammer – Tübingen vom 20. März 2018 hat die Bezirksrevisorin beim Landgericht Tübingen als Vertreterin der Staatskasse am 3. April 2018 weitere Beschwerde eingelegt. Das Landgericht – 3. Große Jugendkammer – Tübingen hat der weiteren Beschwerde mit Beschluss vom 28. Juni 2018 nicht abgeholfen.

II.

Die weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin beim Landgericht Tübingen als Vertreterin der Staatskasse gegen den Beschluss des Landgerichts – 3. Große Jugendkammer – Tübingen ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig, da das Landgericht – 3. Große Jugendkammer – Tübingen als Beschwerdegericht entschieden hat und die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Frage stehenden Problematik, ob die dem Sachverständigen von der Firma eso GmbH für die Nutzung des Online Auswerteprogramms esoData.esoDigitales Web-base in Rechnung gestellte Nutzungsgebühr zu vergüten ist, im angefochtenen Beschluss vom 20. März 2018 nach § 4 Abs. 5 JVEG zugelassen hat. Das Oberlandesgericht ist an die Zulassung der weiteren Beschwerde gebunden (§ 4 Abs. 5 Satz 4, § 4 Abs. 4 Satz 4 JVEG).

Der Senat entscheidet in der Besetzung mit drei Richtern, da die angefochtene Entscheidung nicht von einem Einzelrichter erlassen wurde (§ 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG).

2. Die weitere Beschwerde ist unbegründet.

Die weitere Beschwerde kann nach § 4 Abs. 5 Satz 2 JVEG, §§ 546, 547 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Der Beschluss des Landgerichts – 3. Große Jugendkammer – Tübingen vom 20. März 20 18 lässt einen Rechtsfehler zum Nachteil der Staatskasse nicht erkennen. Mit Recht geht das Landgericht – 3. Große Jugendkammer – Tübingen davon aus, dass dem Sachverständigen weitere 124,95 Euro als notwendige besondere Kosten im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG zu vergüten sind.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 JVEG ist mit dem Honorar nach den §§ 9 bis 11 JVEG auch der mit der Erstattung des Gutachtens oder der Übersetzung üblicherweise verbundene Aufwand abgegolten, soweit das Gesetz nicht wie in den §§ 5 bis 7 und in § 12 Abs. 1 Satz 2, § 12 Abs. 2 ausdrücklich etwas Anderes bestimmt. Zu den üblichen Gemeinkosten rechnen in erster Linie die mit dem Bürobetrieb verbundenen Kosten sowie die Aufwendungen, die sich aus einer angemessenen Ausstattung mit technischen Geräten und fachbezogener Literatur ergeben, weil diese Aufwendungen bei der Regelung der Honorargruppen berücksichtigt worden und daher vom Stundenhonorar des JVEG abgedeckt sind (BT-Drucksache 15/1971, Seite 184; KG Berlin, Beschluss vom 24. März 2009, 2 U 76/06, juris Rn. 7; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. September 2014,7 OA 39/13, juris Rn. 9). Gesondert ersetzt werden nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG (nur) die für die Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens oder der Übersetzung aufgewendeten notwendigen besonderen Kosten, einschließlich der insoweit notwendigen Aufwendungen für Hilfskräfte, sowie die für die Untersuchung verbrauchten Stoffe und Werkzeuge. Solche in der Vorschrift nicht im Einzelnen aufgeführten Kosten sind nur zu erstatten, soweit sie nicht zu den Gemeinkosten zählen und nicht im Rahmen der Honorarabrechnung entstehen, sondern konkret im Zusammenhang mit der Erledigung des Auftrags erforderlich sind (Binz, Dörndorfer, Petzold, Zimmermann/Binz, GKG und JVEG, 3. Auflage 2014, JVEG § 12 Rn. 9).

Bei der dem Sachverständigen für die Nutzung des Online-Programms esoData.eso-Digitales Web-base von der Firma eso GmbH in Rechnung gestellten Nutzungsgebühr handelt es sich um notwendige besondere Kosten im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG.

Für die Vorbereitung und Erstattung des konkreten Gutachtens war im vorliegenden Fall eine Auswertung der Rohdaten des Messgeräts Nr. 5011 vom Typ ES3.0 der Firma eso GmbH vorzunehmen. Vorliegend hat der Sachverständige neben einem eigenen Auswerteprogramm auch – entsprechend den Vorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt – das für ihn kostenpflichtige Online-Auswerteprogramm des Geräteherstellers genutzt; nach Auskunft der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt sei eine zuverlässige und vorurteilsfreie Auswertung der eso-Rohmessdaten lediglich bei Nutzung des Online-Auswerteprogramms der Firma eso GmbH gewährleistet, da dieses die gleiche Softwarebibliothek wie das Messgerät selbst nutze, dessen Messwertbildung durch die neutralen Experten der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt umfassend und unabhängig geprüft worden sei. Für die fallabhängige einmalige Nutzung des Online-Auswerteprogramms esoData.eso-Digitales Web-base wurde dem Sachverständigen für die konkrete Auswertung der verfahrensgegenständlichen Rohmessdaten vom 2. Juni 2016 mit dem Gerät Nr. 5011 eine Nutzungsgebühr in Höhe von 124,95 Euro in Rechnung gestellt. Die Nutzung des Online-Auswerteprogramms erfolgte damit im vorliegenden Fall im Zusammenhang mit der konkreten Gutachtenerstellung; die Nutzungsgebühr ist auch für den konkreten Einzelfall angefallen. Bei der Nutzungsgebühr handelt es sich auch nicht um Kosten der genuinen Sachverständigentätigkeit, die im Grundhonorar des Sachverständigen für seine Sachverständigentätigkeit enthalten sind, wie dies etwa bei Kosten für die Anschaffung regulärer, für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle nutzbarer fachbezogener Software der Fall ist. Lediglich Aufwendungen mit denen die stets wieder benötigten Grundlagen einer Gutachtertätigkeit geschaffen werden, sind den üblichen Gemeinkosten zuzurechnen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. Mai 1989, 8 Ws 465/88, juris Rn. 3). Von der Firma eso GmbH wird eine solche fallunabhängig nutzbare Auswertesoftware für das Messgerät ES3.0 für Sachverständige jedoch gerade nicht zum käuflichen Erwerb angeboten. Eine Auswertung ist- entsprechend den Vorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt- zuverlässig nur mit dem geprüften anwenderunabhängigen Online-Auswerteprogramm esoData.eso-Digitales Web-base möglich, auf das für die Auswertung konkreter Rohdaten des Messgeräts ES3.0 in jedem Einzelfall (für Sachverständige kostenpflichtig) zugegriffen werden muss. Bei der für die Nutzung des Online-Auswerteprogramms esoData.esoDigitales Web-base beim Sachverständigen im Rahmen der konkreten Gutachtenerstellung hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung vom 2. Juni 2016 angefallenen Nutzungsgebühr handelt es sich damit um besondere Kosten im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG.

Die Nutzung des Online-Programms esoData.esoDigitales Web-base war im vorliegenden Fall auch notwendig im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG. Als von der IHK öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Sachgebiet Messung im Straßenverkehr hatte der Sachverständige seinen Auftrag unter Berücksichtigung des aktuellen Standes von Wissenschaft, Technik und Erfahrung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Sachverständigen zu erledigen (§ 8 Abs. 3 Sachverständigenordnung der IHK). In diesem Rahmen hatte der Sachverständige entsprechend den Vorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt als nationales Metrologieinstitut und wissenschaftlich-technische Bundesoberbehörde (auch) das Online-Auswerteprogramms esoData.esoDigitales Web-base für die Auswertung der verfahrensgegenständlichen Rohmessdaten vom 2. Juni 2016 zu verwenden, zumal er durch den Beweisbeschluss des Amtsgerichts Tübingen auch ausdrücklich damit beauftragt worden war zu prüfen, ob die Messstelle entsprechend den Vorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt aufgebaut wurde. Die Benutzung des Online-Auswerteprogramms esoData.esoDigitales Web-base war damit im vorliegenden Fall auch notwendig.

Bei der für die verfahrensgegenständliche Nutzung des Online-Auswerteprogramms esoData.esoDigitales Web-base durch den Sachverständigen bei diesem angefallenen Gebühren handelt es sich damit – wovon bereits das Landgericht – 3. Große Jugendkammer – Tübingen zu Recht ausgegangen ist – um notwendige besondere Kosten im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG (ähnlich zur Nutzung kostenpflichtiger Datenbanken Hagen Schneider, JVEG, 2. Auflage 2014, § 12 Rn. 16; Meyer, Höver, Bach, Oberlack, Jahnke, JVEG, 27. Auflage 2018, § 12 Rn. 6; Binz, Dörndorfer, Petzold, Zimmermann/Binz, GKG und JVEG, 3. Auflage 2014, JVEG § 12 Rn. 9; LSG Mainz, Beschluss vom 7. August 1985, L 3 U 20/84, juris; LG Heidelberg, Urteil vom 14. Dezember 2016, 1 S 15/16, juris).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

Vielen Dank an Frau Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Bous, für die Zusendung dieser Entscheidung.