Immer wieder taucht die Frage auf, ob der unfallgeschädigte Fahrzeugeigentümer, wenn der gegnerische Versicherer nach Einreichung des Gutachtens eine Nachbesichtigung des beschädigten Fahrzeugs wünscht, zu dem Termin seinen eigenen Sachverständigen hinzuziehen und entstehende Kosten vom Versicherer verlangen kann. Vom AG Saarlouis wurde sie zuletzt verneint. Das AG Bielefeld sieht die Kosten jedoch als ersatzfähig an.

AG Bielefeld, Urteil vom 30.10.2019 – 413 C 211/19

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 177,31 € nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.08.2019 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten aus §§ 7 I, 17 I, II, 18 I, III StVG, § 823 I BGB ein Zahlungsanspruch iHv 177,31 € zu.

Die alleinige Haftung des Beklagten für die Folgen des Verkehrsunfalls vom 22.05.2018 in Bielefeld ist unstreitig. Streit besteht lediglich in Bezug darauf, ob die Klägerin Anspruch auf Erstattung von Kosten für die Hinzuziehung eines Sachverständigen zu der von der Beklagten vorgenommenen Nachbesichtigung am 07.03.2019 hat. Das ist hier der Fall.

Die Sachverständigenkosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2004, VI ZR 365/03; LG Kaiserslautern, Urteil vom 14.06.2013, Az. 3 O 837/12). Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte (vgl. BGH, Urteil v. 30.11.2004 – VI ZR 365/03) (AG Kaiserslautern Urt. v. 4.7.2014 – 11 C 416/14, BeckRS 2014, 19362, beck-online).

Im vorliegenden Fall durfte die Klägerin die Hinzuziehung des Sachverständigen anlässlich des angekündigten Nachbesichtigungstermin für erforderlich erachten. Seitens des Beklagten bestanden in Bezug auf das Vorliegen von Unfallschäden am klägerischen Fahrzeug offensichtlich Zweifel, weswegen diese einen Termin zur Nachbesichtigung wollte. Es war auch aus Sicht der Klägerin sinnvoll den Sachverständigen zu dem Besichtigungstermin hinzuzuziehen. Die Klägerin konnte von dem den Nachbesichtigungstermin durchführenden Gutachter nicht zwingend eine unabhängige Expertise erwarten, und die Hinzuziehung eigener sachverständiger Zeugen ist zur Beweissicherung im Hinblick auf einen möglichen Prozess vernünftig (vgl. AG Salzwedel, Urteil vom 12. Dezember 2013- 31 C 331/13 (IV)).

Dass es der Klägerin aufgrund eigener Erkenntnisse und Fähigkeiten nicht möglich gewesen wäre in dem Termin möglicherweise aufkommenden Beanstandungen des seitens der Beklagten beauftragten Gutachters entgegenzutreten, ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Hinzuziehung des Sachverständigen … war daher erforderlich und zweckmäßig aus Sicht der Klägerin.

Die von der Klägerin hierfür aufgewandten Kosten sind der Höhe nach mit 177,31 € unstreitig. Ob sie diesen Betrag bereits an den Sachverständigen gezahlt hat, ist aufgrund der ernsthaften und endgültigen Zahlungsverweigerung gemäß § 250 S. 2 BGB nicht entscheidungserheblich, da sich hierdurch ein etwaiger Freistellungsanspruch jedenfalls in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat.

Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus §§ 291, 288 I BGB. Zinsbeginn war entsprechend § 187 I BGB der auf die Klagezustellung folgenden Tag, also der 31.08.2019.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Streitwert: 177,31 €