Auch in dieser Woche werden, nachdem mir zur Akteneinsicht im Bußgeldverfahren wieder einige neue Entscheidungen vorliegen, zu dieser Thematik zwei Entscheidungen vorgestellt. Den Anfang macht ein Beschluss des AG Mannheim. Falls dessen Begründung dem einen oder anderen Leser bekannt vorkommt: Sie stimmt in weiten Teilen mit einem Beschluss des OLG Frankfurt zur Lebensakte, Wartungsunterlagen etc. von Messgeräten überein. Dementsprechend geht das AG davon aus, dass keine derartigen Unterlagen mehr zu dem Messgerät existieren, die Polizei diese nicht führen müsse und diese im Übrigen auch keine Zweifel an der Richtigkeit des Messergebnisses begründen könnten (AG Mannheim, Beschluss vom 10.08.2017 – 28 OWi 516 Js 8303/17). Diese Ansicht ist das genaue Gegenteil zu der, die das AG Heidelberg vertritt – in beiden Fällen wurde sogar das gleiche (PoliScan Speed)-Messgerät PS-629690 verwendet. Das AG Heidelberg ging stillschweigend davon aus, dass zu dieser Messanlage noch bestimmte Unterlagen bei der Polizei existieren und meinte schließlich: “Insbesondere Reparaturen kurz nach der vor­lie­gen­den Messung kön­nen dar­auf hin­deu­ten, dass ein Gerätedefekt be­reits bei der Messung vor­lag und die­ser Einfluß auf das Messergebnis ge­nom­men ha­ben kann.” Da zu einer mit diesem Messgerät durchgeführten Messung  außerdem ein Gutachten existiert, nach welchem das Gerät ein 11 km/h zu hohes Messergebnis angezeigt hat, stellt sich umso mehr die Frage, ob diese Auffälligkeit ihren Grund in einem dokumentierten Defekt hat oder eine Reparatur stattgefunden hat.

In dem Bußgeldverfahren gegen

Verteidiger:
Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Winkelstraße 24, 66359 Bous

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat das Amtsgericht Mannheim durch die Richterin am Amtsgericht … am 10.08.2017 beschlossen:

Der Antrag auf Beiziehung und zur Verfügung Stellung der Lebensakte bzw. der Wartungsprotokolle und Eichnachweise des Messgeräts seit der ersten Inbetriebnahme des Messgeräts wird abgelehnt.

Die beantragten Beweiserhebungen sind als zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich anzusehen.

Eine Beiziehungspflicht für die Lebensakte eines Messgeräts – sofern diese überhaupt geführt wird – und ein Anspruch auf Bildung eines größeren Aktenbestandes besteht nicht. (vgl. BGHSt 30, 131, 138).

Nach Auskunft der zuständigen Polizeidienststelle wird für das Messgerät ohnehin eine Lebensakte nicht geführt und ist dazu auch nicht verpflichtet.

Eine „Lebensakte“ eines Messgerätes kann nur dann beigezogen oder zum Gegenstand der Akteneinsicht gemacht werden, wenn es eine selche gibt. Trotz gegenteiliger Behauptung kann etwas, was nicht existiert, nicht Gegenstand eines Verfahrens sein. Zum Vertrag bei einem gleichwohl auf Beiziehung oder Akteneinsicht gerichteten Beweisantrags gehört daher grundsätzlich das Wissen um die Existenz einer solchen „Lebensakte“, wo sie sich befinden soll und vor allem was sich in ihr befinden soll. Nur so kann das Gericht überhaupt prüfen, ob die behauptete „Lebensakte“ Relevanz für das Verfahren haben kann. Dabei gilt auch hier, dass die bloße Behauptung den dazu notwendigen Tatsachenvertrag nicht ersetzt. Vorliegend scheitert der notwendige Tatsachenvertag bereits daran, dass es keine „Lebensakten” eines Messgerätes gibt.

Eine gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung einer Lebensakte eines Messgeräts gibt es nicht. § 31 MessEG dient nur der Marktüberwachung durch die Eichämter und nicht geeichte Geräte. Zum notwendigen Vertrag eines auf ihre Beziehung oder Akteneinsicht gerichteten Beweisantrags gehört deshalb das Wissen um die Existenz einer Lebensakte, wo sie sich befinden soll und was sich in ihr befinden soll.

Sollte sich der Antrag auf Einsicht in die „Lebensakte“ daher auf „Beiziehung der Reparatur und Wartungsbescheinigungen” nach § 31 MessG richten, ist in den Blick zu nehmen, dass bei geeichten Messgeräten derartige Bescheinigungen grundsätzlich nicht vorgehalten werden müssen.

Sie sind im Übrigen auch keine geeigneten Beweismittel, um tatsachenbegründete Zweifel an der Messrichtigkeit und Messbeständigkeit eines geeichten Messgerätes wecken zu können. Eine Reparatur kann ohne Brechung der Eichsiegel nicht erfolgen. Selbst wenn es zu Reparaturen gekommen wäre, müssen die Geräte vor erneuter Inbetriebnahme neu geeicht werden. Die Eichämter bestätigen durch die erneute Eichung und (Neu)-Siegelung die Messrichtigkeit und Messbeständigkeit des Geräts.

Ist das Tatgericht von der Unversehrtheit der Eichsiegel überzeugt, wozu i.d.R. die Erklärung des Messbeamten, der die Eichsiegel überprüft und der seine Erkenntnisse in einem Messprotokoll niedergelegt hat, ausreicht, kann das Tatgericht ohne konkrete tatsachenfundierte Einwendungen grundsätzlich von einer ordnungsgemäßen Messung ausgehen. Das Messprotokoll kann als Erklärung nach § 256 I 1 Nr. 1. a) bzw. Nr. 5 StPO als Zeugnis bzw. Erklärung über eine amtlich festgestellte Tatsache einer Ermittlungshandlung verlesen werden. Der Ladung des Messbeamten bedarf es insoweit in aller Regel nicht.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.08.2016 – 2 Ss-OWi 589/16, 2 Ss OWi 589/16

Lehnt das Tatgericht einen pauschalen Antrag auf Beiziehung ab, begründet dies in der Regel weder einen Verstoß nach § 338 Nr. 8 StPO, nach einen nach § 244 StPO.

Insoweit übt es seine Befugnis auch nicht willkürlich aus und kann die Beweise unter Beachtung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse, den Gesetzen der Logik und Erfahrungssätzen des täglichen Lebens, erschöpfend würdigen (BGHSt 29, 13, 20). Es ist allerdings weder verpflichtet in den Urteilsgründen alle als beweiserheblich in Betracht kommenden Umstände ausdrücklich anzuführen, noch hat es stets im einzelnen dazulegen, auf welchem Wege und aufgrund welcher Tatsachen und Beweismittel es seine Überzeugung gewannen hat (BGHSt 39, 291, 236 m.w.N.).