Nach dieser Entscheidung des AG Köln ist fraglich, ob der zuvor hier vorgestellte Beschluss des LG Köln zum zuständigen Amtsgericht für die Entscheidung über Blutentnahmen im Bußgeldverfahren den Zuständigkeitsstreit der beteiligten Amtsgerichte beendet hat. Das AG Köln bleibt bei seiner – offenbar schon zuvor vertretenen – Ansicht, wonach zuständig für die Entscheidung nach § 81a StPO das Amtsgericht am Sitz der Bußgeldbehörde ist, während das LG eine Zuständigkeit des Gerichts am Sitz der Staatsanwaltschaft befürwortet (AG Köln, Beschluss vom 31.05.2017 – 506 Gs 1178/17).

Der Antrag der Kreispolizeibehörde Rhein-Erft-Kreis vom 31. Mai 2017 auf Anordnung einer Blutprobenentnahme bei dem Betroffenen wird als unzulässig zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit Antrag vom heutigen Tage hat die Kreispolizeibehörde Rhein-Erft-Kreis bei dem diensthabenden Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Köln die Anordnung einer Blutprobenentnahme bei dem Betroffenen beantragt. Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, der Betroffene sei am heutigen Tage in Frechen., C.-straße, wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit gem. § 24a StVG aufgegriffen worden. Der Tatverdacht gründe sich darauf, dass der Betroffene nur Stecknadelkopf große Pupillen hatte, die bei einem Lichteinfallreflextest keinerlei Reaktion zeigten. Der Betroffene schwitze stark und war sehr blass. Auf Befragen gab er an, keine Drogen konsumiert zu haben. Der Betroffene verweigere die Entnahme einer Blutprobe.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg, da er unzulässig ist. Das angegangene Amtsgericht Köln ist unzuständig.

Das Amtsgericht Köln ist im vorliegenden Verfahren nicht gem. § 46 OWiG iVm § 162 StPO für die begehrte Anordnung zuständig. Zuständig für den Erlass des beantragten Beschlusses dürfte vielmehr der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts sein, in dessen Bezirk die für die Verfolgung und Ahndung der möglichen Ordnungswidrigkeit zuständige Verwaltungs- bzw. Bußgeldbehörde ihren Sitz hat, §§ 162 StPO, 46 OWiG.

Bis zum Inkrafttreten der Neufassung des § 162 StPO mit Wirkung zum 01.01.2008 war nach § 162 StPO aF für eine Ermittlungshandlung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Ermittlungshandlung vorzunehmen war. Da der Betroffene sich zum Zeitpunkt der Begehung der Ordnungswidrigkeit in Frechen befand, wäre nach der alten Regelung, die auch schon seinerzeit gemäß § 46 Abs. 1 OWiG sinngemäß auf das Bußgeldverfahren Anwendung fand, das Amtsgericht Köln ersichtlich unzuständig gewesen.

Nach der nunmehr seit dem 01.01.2008 geltenden Fassung des § 162 Abs. 1 StPO stellt die Staatsanwaltschaft ihre Anträge auf Vornahme einer gerichtlichen Untersuchungshandlung vor Erhebung der öffentlichen Klage bei dem Amtsgericht, „in dessen Bezirk sie oder ihre den Antrag stellende Zweigstelle ihren Sitz hat.“ Gem. § 46 Abs. 1 OWiG gilt diese Norm für das Verfahren über Ordnungswidrigkeiten allerdings nur „sinngemäß“.

Während eine Mindermeinung (AG Winsen, Beschluss v. 01.06.2010 – 7 Gs 47/10; LG Arnsberg Beschluss v. 10.06.2009 – 2 AR 3/09; nur obiter wohl auch LG Köln Beschluss v. 22.03.2017 – 105 AR 3/17) meint, dass § 162 StPO auch im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens wörtlich anzuwenden sei, weshalb es auch hier für die gerichtliche Zuständigkeit auf den Sitz der Staatsanwaltschaft ankomme, ist nach deutlich überwiegender und auch hier vertretener Auffassung § 162 StPO im Ordnungswidrigkeitenverfahren gem. § 46 Abs. 1 OWiG ? schon seinem Wortlaut nach – nur „sinngemäß“ anzuwenden, namentlich dahingehend, dass sich die Zuständigkeit des jeweiligen Amtsgerichts für den Erlass einer beantragten Ermittlungsmaßnahme nach dem Sitz der nach §§ 35 ff. OWiG zuständigen Behörde – vorliegend also der antragstellenden Verfolgungsbehörde des Rhein-Erft-Kreises in Bergheim – richtet (so LG Paderborn, Beschluss v. 03.06.2015 – 01 Qs 62/15; LG Hagen, Beschluss v. 12.11.2009 – 46 Qs 30/09; BGH, Beschluss vom 16.04.2008 – 2 ARs 74/08 = NStZ 2008, 578; Thewes, NJW 2015, 2845; Harms, NStZ 2009, 465; Zöller, in: Gercke/Julius/Temming u. a., StPO, 5. Aufl. 2012, § 162 Rn. 6, Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. 2017, § 162 Rn 8; von Häfen, in: BeckOK-StPO, Stand 01.01.2017, § 162 Rn. 7a; Bohnert/Krenberger/Krumm, in: Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG, 4. Aufl. 2016, § 46 Rn. 13).

Auf den Sitz der – im derzeitigen Verfahrensstand auch in keiner Weise mit der Sache befassten – Staatsanwaltschaft Köln im Sprengel des Amtsgerichts Köln kommt es daher nicht an.

Dass es für die Zuständigkeit des Amtsgerichts dem Sinn und Zweck des § 162 StPO nach gerade auf den Sitz der jeweiligen antragstellenden Behörde und nicht etwa abstrakt auf den Sitz einer Staatsanwaltschaft ankommt, folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Denn wenn es im Falle einer Antragstellung durch eine Zweigstelle der Staatsanwaltschaft auf deren Sitz für die Bestimmung des zuständigen Gerichts ankommen soll, kommt dem Hauptsitz der Staatsanwaltschaft gerade keine abstrakte, zwingende Bedeutung zu. Dies ist auch sinnvoll, da auf diese Weise sichergestellt wird, dass der Antrag bei demjenigen Amtsgericht gestellt wird, welches für die mit der Sachentscheidung inhaltlich befasste Behörde – die „Herrin des Verfahrens“ ? tatsächlich zuständig ist. Die nach §§ 35 ff. OWiG zuständige Behörde ist bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ebenso „Herrin des Ermittlungsverfahrens“, wie es die Staatsanwaltschaft im Falle der Verfolgung von Straftaten ist, vgl. § 46 Abs. 2 OWiG. Richtigerweise kann eine sinngemäße Anwendung des § 162 StPO über § 46 Abs. 1 OWiG daher nur dazu führen, bei der Verfolgung möglicher Ordnungswidrigkeiten das Wort „Staatsanwaltschaft“ in § 162 StPO durch das Wort „Verfolgungsbehörde“ oder durch „nach §§ 35 ff. OWiG zuständige Behörde“ zu ersetzen.

Es erscheint dagegen fernliegend, die von § 46 Abs. 1 OWiG ausdrücklich angeordnete „sinngemäße“ Anwendung der StPO, namentlich von § 162 StPO, darin zu erschöpfen, die Norm wörtlich anzuwenden. Folgte man der Gegenmeinung, bräuchte es die (nur) „sinngemäße“ Anwendung des § 162 StPO schlechterdings nicht. Es leuchtet auch nicht ein, dass die Zuständigkeit des Amtsgerichts sich im Ordnungswidrigkeitenverfahren – völlig anders als im Strafverfahren – an dem Sitz einer an dem jeweiligen Verfahren derzeit in keiner Form beteiligten Behörde orientieren soll.

Die Gegenmeinung kann sich auch nicht darauf berufen, die hier vertretene Ansicht stünde einer Vereinfachung und Beschleunigung der Bestimmung der ermittlungsrichterlichen Zuständigkeit oder der Kompetenzbündelung entgegen. Beschleunigung und Kompetenzbündelung sind kein Selbstzweck. Die zutreffende sinngemäße Auslegung der Norm kann nicht ausschließlich vor dem Hintergrund der vergleichsweise einfach gelagerten Fälle der hier im Raum stehenden Blutprobenentnahmen zu sehen sein. Sie muss sich vielmehr an allen denkbaren Fällen von verfolgungsbehördlichen Maßnahmen bzw. Anträgen messen lassen. Es handelt sich hierbei ohnehin nur um ein Scheinargument: Denn ist die Anwendung des § 162 StPO im Lichte von § 46 OWiG geklärt, lässt sich die ermittlungsrichterliche Zuständigkeit ebenso einfach bestimmen, wie im Rahmen von Ermittlungsanträgen im Strafverfahren.

Tatsächlich führt auch die von der herrschenden und auch hier vertretenen Meinung angenommene Auslegung der Norm zu einer deutlichen Vereinfachung der Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit sowie auch zu der gewünschten Kompetenzbündelung bei einzelnen Gerichten im Vergleich zur früheren Fassung des § 162 StPO. Denn auch nach der hier vertretenen Ansicht tritt in den Fällen, in denen im Zuständigkeitsbereich einer Verfolgungsbehörde mehrere Amtsgerichte liegen, eine Konzentration und damit eine Kompetenzbündelung bei dem Amtsgericht ein, in dessen Bezirk die Behörde (oder ggf. die antragstellende Zweigstelle) ihren Sitz hat. Dies betrifft beispielsweise auf Fälle zu, in denen Bezirksregierungen oder gar Bundesbehörden wie die Bundesnetzagentur, das Bundesamt für Güterverkehr in Köln oder das Bundeskartellamt die jeweiligen Verfolgungsbehörden sind. In deren Zuständigkeitsbereich liegt ersichtlich eine Vielzahl von Amtsgerichten. Auch in diesen Fällen kommt es nach der überwiegenden, auch hier vertretenen Auffassung auf den Sitz der Behörde oder der antragstellenden Zweigstelle an.

Die Entscheidung des LG Köln vom 22.03.2017 – 105 AR 3/17 steht dem nicht entgegen. Das Landgericht hat in dieser Entscheidung keine Entscheidung in der Sache getroffen und sich lediglich obiter geäußert, ohne dabei im Einzelnen auf den Meinungsstreit und die erheblichen Argumente der Gegenansicht in Rechtsprechung und Literatur einzugehen.

Das hier vertretene Ergebnis entspricht schließlich auch der Rechtsprechung des BGH. Demnach ist das Amtsgericht zuständig, in „dessen Bezirk die Verfolgungsbehörde oder ihre den Antrag stellende Zweigstelle ihren Sitz hat“ (BGH, Beschluss vom 16.04.2008 – 2 Ars 74/08). Im dort entschiedenen Fall ging es um einen ordnungswidrigen Verstoß gegen § 55 Abs. 1 TKG. Der BGH entschied, dass das AG Bremen als Gericht des Sitzes der antragstellenden Zweigstelle der Bundesnetzagentur (der Bußgeldstelle Bremen) zuständig ist. In dieser Entscheidung geht der BGH – zu Recht – mit keinem Wort auf die Frage des Sitzes (irgend-)einer Staatsanwaltschaft ein; der BGH stellt direkt auf den Sitz der Verfolgungsbehörde bzw. ihrer antragstellenden Zweigstelle ab.

Nach alledem ist das angegangene Amtsgericht Köln für die beantragte Ermittlungsmaßnahme nicht zuständig. Die zur Verfolgung und Ahndung der möglichen Ordnungswidrigkeit berufene Verwaltungsbehörde hat, was maßgeblich ist, ihren Sitz nicht im hiesigen Bezirk. Da die örtliche Zuständigkeit des angegangenen Ermittlungsrichters auch im Rahmen von § 162 Abs. 2 StPO zu prüfen ist (Kölbel, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 162 Rn. 22; Griesbaum, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 162 Rn. 15), war der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.