Quelle: CossimoMedia, Wikimedia Commons

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Die Klägerin verlangt vor dem LG Stuttgart von der Beklagten Schadensersatz wegen eines Motorschadens an einem LKW. In einem vorausgehenden selbständigen Beweisverfahren wurde ein fehlerhaftes Gutachten erstattet, so dass nun ein anderer Sachverständiger mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt wurde. In der Akte zum selbständigen Beweisverfahren finden sich Stellungnahmen eines weiteren, von der Beklagten privat beauftragten Sachverständigen, der u. a. mit dem nun beauftragten Sachverständigen einen “Kompetenzzirkel” für Motorschäden ins Leben gerufen hat. Dies konnte die Klägerin aus dem Lebenslauf des neuen Sachverständigen in Erfahrung bringen und hat diesen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Ablehnungsgesuch wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine Besorgnis der Befangenheit auf Grund der Mitgliedschaft in einem überregionalen Kompetenzzirkel und allgemeinem fachlichem Austausch ohne Anhaltspunkte für eine engere Zusammenarbeit der beiden Sachverständigen nicht in Frage komme. (LG Stuttgart, Beschluss vom 16.06.2016 – 27 O 73/13).

Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Sachverständigen X wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Ausfalls eines defekten LKWs. Im Kern streiten sich die Parteien darüber, ob ein aufgetretener Motorschaden auf einen mangelhaften Motor zurückzuführen sei – was die Beklagte zu verantworten hätte – oder ob der Schaden durch einen fehlerhaften Einbau des Motors verursacht worden sei, den die Klägerin vorgenommen hatte.

1. Dem Rechtsstreit ging ein selbständiges Beweisverfahren unter dem Az. 27 OH 6/12 voraus. Das vom Sachverständigen R. erstattete Gutachten ist jedoch wegen eines groben Fehlers unverwertbar (vgl. den Beschluss vom 15.08.2014, Bl. 161 der Beiakten 27 OH 6/12). Mit Beschluss vom 08.09.2014 (Bl. 69 der Akten) wurde im vorliegenden Verfahren der Sachverständige X aus D. mit der Erstattung eines neuen Gutachtens zu der Frage beauftragt, ob der Schadensvorfall auf eine fehlerhafte Instandsetzung durch die Beklagte zurückzuführen sei. In dem Beschluss wurde der Sachverständige angewiesen, auch den Inhalt der Akten des selbständigen Beweisverfahrens zu berücksichtigen (Bl. 70). Darin finden sich Stellungnahmen von Dipl.-Ing. Y aus H., in denen sich jener im Auftrag der Beklagten kritisch mit den gutachterlichen Äußerungen von Herrn R. auseinandersetzt, so mit Schreiben vom 28.02.2012 (Bl. 41 der Beiakten), 25.01.2013 (nach Bl. 69 der Beiakten) und vom 04.05.2013 (n. Bl. 80 der Beiakten). Im Juli 2015 erstattete der Sachverständige X sein Gutachten mit dem Ergebnis, dass keine Hinweise auf eine nicht fachgerechte Instandsetzung vorhanden seien.

2. Mit ihrem Schriftsatz vom 17.03.2016 rügte die Klägerin die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen X (Bl. 218). Ausweislich seines im Internet veröffentlichten Lebenslaufs gehöre er einem gemeinsamen Kompetenzzirkel von vier Sachverständigen, u.a. mit Herrn Y, an (vgl. Bl. 220). Aufgrund dieser Mitgliedschaft bestehe die Sorge, dass der gerichtliche Sachverständige zu dem für die Beklagte tätigen Privatgutachter in einem engen Kontakt stehe.

Der Sachverständige hat angegeben, dass der Kompetenzzirkel vor ca. 2 1/2 Jahren gegründet worden sei und der Gedanke führend gewesen sei, dass bei signifikanten Motorschäden Gerichte einen Überblick bekommen sollten, welche Sachverständigen sich auf dieses Gebiet spezialisiert hätten. Ein fachlicher Austausch über aktuelle Gerichtsfälle erfolge nicht. Eine Beeinflussung durch die in den Akten befindlichen Stellungnahmen des Herrn Y habe nicht stattgefunden.

II. Das zulässige Befangenheitsgesuch ist unbegründet.

1. Die Ablehnung eines Sachverständigen ist begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 406 Absatz 1, § 42 Absatz 2 ZPO). Für die Besorgnis der Befangenheit kommt es nicht darauf an, ob der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügend objektive Gründe vorhanden sind, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen (BGH, Beschluss vom 13. Januar 1987 – X ZR 29/86, juris Rn. 1).

2. Solche Umstände können sich unter anderem daraus ergeben, dass der Sachverständige in näheren Beziehungen zu einer der Parteien steht, etwa weil ein über berufliche Kontakte hinausgehendes Näheverhältnis besteht (BGH, Beschluss vom 11. Juni 2008 – X ZR 124/06, juris Rn. 2 f.; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2007 – X ZR 100/05, juris Rn. 11). Insbesondere liegt ein Ablehnungsgrund vor, wenn der gerichtliche Sachverständige in derselben Angelegenheit bereits für eine Partei ein Gutachten erstattet hat (BGH, Entscheidung vom 01. Februar 1972 – VI ZR 134/70, juris Rn. 12). Erfahrungsgemäß kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Privatgutachter dazu neigt, die Erwartungen seines Auftraggebers zu bestätigen (OLG Oldenburg, Beschluss vom 12. Juli 2012 – 2 W 38/12, juris Rn. 4). Sollte er später als gerichtlich bestellter Sachverständiger zu einem anderen Ergebnis kommen, müsste er einräumen, dass er bei seiner vorangegangenen Begutachtung unzutreffend entschieden hat. Deshalb ist die Tendenz zu erwarten, dass in beiden Gutachten ein identisches Ergebnis herauskommen wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. Februar 2005 – 2 W 8/05, juris Rn. 6). Die entsprechende Sorge ist begründet, wenn das Gutachten von einem Gutachter aus derselben Bürogemeinschaft erstattet wurde. Maßgeblich ist dabei, ob die Partei den Eindruck haben kann, dass der gerichtliche Sachverständige das Privatgutachten mitbeeinflusst oder jedenfalls gebilligt hat (OLG München, Beschluss vom 05. Mai 1970 – 5 W 875/70, VersR 1971, 258, ebenso OLG Hamm, Beschluss vom 26.03.2014 – 32 W 06/14, BeckRS 2014, 08099).

3. Im vorliegenden Fall bestehen hierfür keine zureichenden Anhaltspunkte.

a) Zwischen dem gerichtlichen Sachverständigen X und dem Privatsachverständigen Y besteht keine Bürogemeinschaft, sondern ein lockerer Zusammenschluss. Die schriftlichen Stellungnahmen von Herrn Y wurden sogar noch vor der Gründung des „Kompetenzzirkels“ – etwa Herbst 2013 – abgegeben. Schon daraus ergeben sich keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige X die fachliche Äußerung von Herrn Y gebilligt oder gar beeinflusst haben könnte und deshalb dazu tendiert, an dieser früheren Stellungnahme festzuhalten.

b) Im Übrigen bestehen keine Anhaltspunkte für eine enge berufliche Zusammenarbeit. Der Kompetenzzirkel ist überregional. Die weite Entfernung zwischen D. und H. erschwert einen engen fachlichen Austausch über konkrete Fälle. Es ist vielmehr, wie vom Sachverständigen X dargestellt, von einem losen Zusammenschluss auszugehen.

c) Dass der Sachverständige X durch die in den Akten befindlichen schriftlichen Stellungnahmen von Herrn Y in konkreter Weise beeinflusst worden sein soll, legt die Klägerin nicht dar. Alleine der Umstand, dass der gerichtliche Sachverständige den Privatsachverständigen fachlich schätzt, begründet nicht die Sorge, dass er sich von dessen Stellungnahme in sachwidriger Weise beeinflussen lässt. Andernfalls wäre die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens schon dann erschwert, wenn eine Partei eine fachlich anerkannte Persönlichkeit mit einer Stellungnahme beauftragt hat. Es darf ohne Vorliegen besonderer Umstände davon ausgegangen werden, dass ein gerichtlicher Sachverständiger die Stellungnahme einer von ihm geschätzten Persönlichkeit objektiv bewerten und kritisch hinterfragen kann.

4. Auch soweit innerhalb des Kompetenzzirkels ein allgemeiner fachlicher Austausch – losgelöst von dem hier vorliegenden Fall – zwischen Herrn X und Herrn Y erfolgt, begründet dies alleine nicht die Besorgnis der Befangenheit. Ein allgemeiner wissenschaftlicher Austausch zwischen Sachverständigen ist allgemein üblich (BGH, Beschluss vom 01. Februar 2005 – X ZR 26/04, juris Rn. 6). Erst weiter hinzutretende Umstände wie eine freundschaftliche Beziehung, eine enge berufliche Zusammenarbeit oder eine wirtschaftliche Abhängigkeit können die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (OLG München, Beschluss vom 27. Oktober 2006 – 1 W 2277/06, Rn. 9). Solche Umstände sind von der Klägerin ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden.