Während einige der ersten Entscheidungen von Zivilgerichten zu Dashcam-Aufnahmen einer Beweisverwertung skeptisch gegenüber standen (etwa das AG München oder das LG Heilbronn) ist die Verneinung eines Beweisverwertungsverbotes in den letzten Monaten die Regel (z. B. beim AG Köln, AG Nürnberg oder LG Frankenthal). Auch das LG Nürnberg-Fürth meint, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, zumal dann, wenn auf der Videoaufnahme die andere Partei selbst nicht zu erkennen ist, hinter dem (auch öffentlichen) Interesse an einer materiell richtigen Entscheidung zurückstehen müsse. In dem Verfahren verlangte die Klägerin Schadensersatz wegen einer Beschädigung ihres (ausparkenden) Fahrzeugs durch den (einparkenden) Beklagten zu 1). Für eine etwaige Mithaftung der Klägerin war entscheidend, ob ihr Fahrzeug während der Kollision am Rollen war oder stand (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08.02.2016, Az. 2 O 4549/15).

Das Gericht ist weiter davon überzeugt, dass das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision im Stillstand war. Dies ergibt sich aus den dahingehenden, glaubhaften Angaben der Zeugin … sowie aus den insoweit übereinstimmenden Ausführungen des Sachverständigen …, die dieser aufgrund der Auswertung der Dash-Cam-Aufnahmen aus dem klägerischen Fahrzeug machte.

Die vorgenannten Dash-Cam-Aufnahmen, deren Authentizität zwischen den Parteien nicht streitig ist und durch den Sachverständigen bestätigt wurde, sind als Beweismittel im vorliegenden Verfahren verwertbar.

Eine Unverwertbarkeit ergibt sich vorliegend nicht aus § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG. Zunächst ist diese Regelung nicht auf Aufzeichnungen aus einem Fahrzeug heraus, sondern auf die Überwachung öffentlich zugänglicher Räume mit stationären optisch-elektronischen Einrichtungen zugeschnitten. Dies wird an § 6b Abs. 2 BDSG erkennbar, der vorschreibt, den Umstand der Überwachung durch geeignete Maßnahmen kenntlich zu machen. Dies ist nur bei stationärer, nicht aber bei mobiler Videoaufzeichnung Vorstellbar (vgl. Amtsgericht Nürnberg, Urteil vom 08.05.2015, 18 Q 8938/14). Zudem ergibt sich aus § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG gerade, dass eine Aufzeichnung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen zulässig ist, soweit schutzwürdige Interessen Dritter nicht überwiegen.

Weiter ergibt sich eine Unverwertbarkeit auch nicht aus § 22 KunstUrhG. Es ist bereits fraglich, ob die Anfertigung einer Dash-Cam-Aufnahme und deren nachfolgende Verwertung im Zivilprozess eine Verbreitung oder- öffentliche Zurschaustellung- im Sinne von § 22 Satz 1 KunstUrhG darstellt. Zudem ergibt sich aus § 24.KunstUrhG gerade, dass die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung für Zwecke der Rechtspflege zulässig ist, soweit sie durch Behörden erfolgt. Jedenfalls folgt aus einem möglichen Verstoß gegen § 22 KunstUrhG kein Verwertungsverbot für den Zivilprozess (vgl. AG Nürnberg, aaO).

Die Frage der Verwertbarkeit von Bildaufzeichnungen im Zivilprozess unterliegt vielmehr, gerade in Hinblick auf den hiermit verbundenen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, einer umfassenden Güterabwägung, wobei der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege erhebliches, aber nicht allein ausschlaggebendes Gewicht zukommt (vgl. Zöller-Greger, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, Rdnr. 15a, 15b zu § 286 ZPO mit weiteren Nachweisen).

Vorliegend ist hierbei insbesondere das Grundrecht des Beklagten zu 1) auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten. Das Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasst das Recht am eigenen Bild und stellt die Befugnis des .Grundrechtsträgers dar, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Vorliegend zeichnete die Dash-Cam, soweit sich die Klägerin zum Beweis des von ihr geschilderten Unfallhergangs auf die Aufnahmen berufen hat, jedoch ausschließlich das Blickfeld und das Fahrverhalten der Führerin des klägerischen Fahrzeugs auf. Selbst im Kollisionsmoment sind weder das Beklagten-Fahrzeug noch gar der Beklagte zu 1) als Fahrzeugführer erkennbar.

Dem Interesse des Beklagten zu 1) steht das Interesse der Klägerin an einer Verwertbarkeit gegenüber. Da der Unfallhergang zwischen den Parteien streitig ist, hat die Klägerin ein erhebliches Interesse an der Zulassung des Beweismittels, um ihre Schadensersatzansprüche durchzusetzen.

Weiter ist bei der Abwägung das Interesse der Allgemeinheit daran, dem Gericht durch die Verwertung der Aufzeichnung eine materiell richtige, mit der Wirklichkeit übereinstimmende Entscheidung zu ermöglichen, zu beachten.

Die Güterabwägung ergibt somit im vorliegenden Fall, dass die Dash-Cam-Aufzeichnungen, auf die sich die Klägerin zum Beweis des von ihr behaupteten Unfallhergangs berufen hat, verwertbar sind. Dies folgt daraus, dass der Eingriff in das Grundrecht des Beklagten zu 1) auf informationelle Selbstbestimmung lediglich geringfügig ist, während die Klägerin ein erhebliches Interesse an der Verwertung geltend machen kann, das mit dem Interesse der Allgemeinheit insoweit übereinstimmt.

Die Einzelrichterin vermag daher im vorliegenden Fall die Rechtsauffassung des Landgerichts Heilbronn (Urteil vom 03.02.2015, 3 S 19/14) und des Amtsgerichts München (Beschluss vom 13.08.2014, 345 C 5551/14) nicht zu teilen. Die Frage, ob unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung dann Bedenken gegen eine Verwertbarkeit bestünden, wenn die Aufzeichnung das Fahrzeug, das Fahrverhalten oder gar die Person des Beklagten im Einzelnen erfasst hätte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

Die Klägerin hat schließlich aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Einzelrichterin nachgewiesen, dass das streitgegenständliche Unfallereignis in der Unfallsituation für die Zeugin … nicht mehr, etwa durch Ausweichen oder schnelles Vor- bzw. Zurücksetzen vermeidbar gewesen wäre. Auch insoweit schließt sich das Gericht dem ihm als zuverlässig bekannten Sachverständigen … an, der eine solche Unvermeidbarkeit in der realen Unfallsituation nachvollziehbar erläutert hat.