Auf der BAB 6 kam es zu einem Unfall zwischen einem Lkw und einem Lieferwagen. Der Hergang ist zwischen den Parteien streitig: Der Kläger behauptet, dass sich sein Lkw schon längere Zeit auf dem linken Fahrstreifen befunden habe, als der Beklagte zu 1) mit dem Lieferwagen aufgefahren sei. Die Beklagten hingegen gaben an, dass der Lkw plötzlich vom rechten auf den linken Fahrstreifen gewechselt sei, als der Abstand zwischen Lkw und Lieferwagen nur noch zwei Fahrzeuglängen betrug. Trotz Vollbremsung hätte der Beklagte zu 1) einen Unfall nicht mehr vermeiden können. In dem Lieferwagen war eine Dashcam angebracht, welche der Beklagte zu 1) nicht dauerhaft aktiviert lässt, sondern erst bei “komisch fahrenden” Verkehrsteilnehmern manuell an das Stromnetz des Fahrzeugs anschließt. Außerdem werden alte Aufnahmen von der Kamera automatisch überschrieben. Die Aufnahme wurde als Beweismittel verwertet, woraus sich einerseits ergab, dass die Fahrerin des Lkw, die sich schon eine gewisse Zeit auf der linken Spur befunden haben wollte, die Unwahrheit gesagt hatte, andererseits, dass der Beklagte zu 1) die Richtgeschwindigkeit um 42 km/h überschritten hatte (LG Frankenthal, Urteil vom 30.12.2015, Az. 4 O 358/15).
Soweit die Zeugin … ausgesagt hat, dass der Unfall passiert sei, als sie schon eine gewisse Zeit und Strecke auf der linken Spur gefahren sei, war die Aussage der Zeugin, die anders als der Zeuge … direkt unfallbeteiligt war, einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Bereits in Zusammenschau mit der schlüssigen und nachvollziehbaren Aussage des Zeugen … bestanden für die Kammer erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Schilderung der Zeugin. Nach Inaugenscheinnahme der „Dash-Cam-Aufnahme“ vermochte die Kammer der Aussage der Zeugin … nicht mehr zu folgen.
aa) Bei der Aufnahme der „Dash-Cam” handelt es sich im vorliegenden Fall unter Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten ausnahmsweise um ein zulässiges Beweismittel.
Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Aufnahmen mittels einer sog. „Dash-Cam” vor dem Hintergrund des Datenschutz- und Persönlichkeitsrechtes grundsätzlich als problematisch anzusehen sind. Nach ständiger Rechtsprechung hängt jedoch die Verwertbarkeit mittels solcher Kameras gewonnenen Aufnahmen von den jeweils schutzwürdigen Interessen der Parteien ab, die gegeneinander abzuwägen sind (BVerfG NJW 2002, 3619; BGH NJW 1995, 1955; BAG NJW 2003, 3436; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 241; KG NJW 2002, 2799; Greger in: Zoller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 286 Rn. 15, 15a, 15c).
Für ein Beweis(verwertungs)verbot besteht eine Indizwirkung, wenn das Beweismittel unter Verstoß gegen einfachgesetzliche Normen erlangt worden ist. Solche Beweismittel sind nur ausnahmsweise verwertbar, nämlich dann, wenn der durch die einfachgesetzliche Norm geschützten Sphäre berechtigte Interessen gegenüberstehen.
Bei einer permanenten und anlasslosen Überwachung des Straßenverkehrs durch eine in einem Fahrzeug installierte Kamera (sog. „Dash-Cam“) kommen grundsätzlich Verstöße gegen § 6b BDSG, § 22 KunstUrhG und das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Betracht.
i) Nach § 22 KunstUrhG geschützt ist das Bild oder Bildnis. Hierunter fallen Darstellungen, die dazu bestimmt und geeignet sind, eine Person in ihrer dem Leben nachgebildeten äußeren Erscheinung dem Betrachter vor Auge zu führen und das Aussehen, wie es gerade dieser Person eigen ist, im Bild wiederzugeben (BGH NJW 1965, 2148). Ein Bildnis im Sinne des KunstUrhG liegt dann vor, wenn das äußere Erscheinungsbild einer Person in einer für Dritte erkennbaren Weise erfolgt (vgl. für die st. Rspr. des Bundesgerichtshofs nur beispielsweise BGH NJW 2000, 2201, 2202 m.w.Nachw.). Ein Bild liegt dagegen vor, sofern und soweit neben dem Bildnis im vorstehenden Sinne noch etwas anderes abgebildet ist, also beispielsweise eine Landschaft, Örtlichkeit oder Versammlung, § 23 Abs. 1 Nr. 2, 3 KunstUrhG.
Insoweit ist für beide tatbestandlichen Schutzbereiche erforderlich, dass das äußere Erscheinungsbild einer Person wiedergegeben wird, wobei insofern grundsätzlich nicht erforderlich ist, dass es sich um eine Ganzkörperaufnahme handelt. Geschützt ist vielmehr auch eine Torso- oder Portraitaufnahme sowie unter Umständen die Abbildung der Rückseite einer Person (BGH GRUR 1979, 732, 733). Nicht geschützt ist aber das Bildnis einer Hand, einer Decke, in welcher sich eine Person befindet, oder das Abbild einer Sache, da es in diesen Fällen an der erforderlichen Personalität der Darstellung fehlt (vgl. etwa Engels in beckOK UrhR, Edition 10, Stand: 01.10.2015, § 22 KunstUrhG Rn. 21).
Im vorliegenden Fall scheidet eine Verletzung des § 22 KunstUrhG durch die streitgegenständliche Aufnahme aus. Soweit die Klägerin als juristische Person als Rechtsgutträger in Betracht kommt, scheidet eine Verletzung bereits logisch notwendig aus, da ihr selbst kein Persönlichkeitscharakter im Sinne des KunstUrhG zukommt. Der auf der Videoaufnahme erkennbare LKW ist als Sachdarstellung nicht vom Schutzbereich umfasst. Auch die entsprechenden Rechte ihrer Organmitglieder sind nicht verletzt, da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass es sich bei der vernommenen Zeugin … um ein Organ der Klägerin handelt.
Auch eine Verletzung von Rechten der Zeugin … (und in diesem Zusammenhang auch weiterer unbeteiligter Dritter, wobei die Kammer sich im Folgenden auf die Darstellung betreffend die Zeugin … beschränkt und die diesbezüglichen Ausführungen auch alle anderen Verkehrsteilnehmer in entsprechender Weise umfassen) aus § 22 KunstUrhG und hieraus ggf. resultierende Folgen für die Verwertbarkeit der Aufnahme scheidet vorliegend aus. Auf der gesamten Videoaufnahme in der vorgelegten Form ist nicht einmal ansatzweise die Zeugin … dergestalt zu erkennen, dass ein Bild oder Bildnis ihrer Person durch die Kammer festzustellen wäre. Zu keinem Zeitpunkt ist die Zeugin auch nur ansatzweise überhaupt oder jedenfalls dergestalt abgebildet, dass sie als Person zu erkennen wäre. Es bestand insoweit bei unterstelltem unfalllosem Geschehensablauf auch nicht das Risiko einer Erkennbarkeit, da die Zeugin durch den rückwärtigen Aufbau des Lkw, der – wie auf dem oberen Lichtbild auf Seite 11 und den Lichtbildern auf Seite 12 des Privatgutachtens erkennbar – deutlich über die Fahrerkabine hinausgeht, vor einer Videoaufnahme geschützt war. Damit fehlt es an der Verletzung des Rechts am eigenen Bild, sodass auch Ansprüche der Zeugin auf Grundlage des § 22 KunstUrhG ausscheiden (Engels in beckOK UrhR, § 22 KunstUrhG Rn. 22 ff., 27)
Hieran ändert auch die Auffassung des AG München (ZfS 2014, 692) nichts, bei abgebildeten Personen handele es sich nicht um bloßes Beiwerk, sodass ein Ausnahmetatbestand vorliege, vielmehr sei ihre Aufzeichnung gerade das Ziel des Verwenders. Bei dieser Annahme handelt es sich um eine reine spekulative Vermutung, wie letztendlich das Amtsgericht München im Ergebnis wohl auch selbst bekundet, indem es unmittelbar nachfolgend ausführt, dass aufgrund der Halterhaftung sich das Interesse des Aufnahmenden auf eine Aufnahme des Kennzeichens reduziere. Soweit das Amtsgericht München dann postuliert, dass auch ein Interesse an der Person des Fahrzeugführers vor dem Hintergrund eines möglichen Anspruchs aus §§ 18 StVG und 823 BGB bestehe, vermag dies in der Sache nicht zu überzeugen. Wird der Rechtsstreit gegen den auf der Grundlage des Kennzeichens ermittelten Halter geführt und benennt dieser den Fahrer als Zeugen, steht einer Klageerweiterung auf diesen – wie dies auch in Verfahren ohne die Problematik von „Dash-Cam“-Aufnahmen regelmäßig geschieht – nichts im Wege. Ein Interesse an der Abbildung der Person des Fahrers kann damit – jedenfalls nicht ohne hinreichende konkrete Anhaltspunkte, die vorliegend bei einer rein nach vorne ausgerichteten Kamera nicht gegeben sind – nicht unterstellt werden.
Soweit das Amtsgericht München schließlich ausführt, dass eine öffentliche Verbreitung und Schaustellung durch die Verwendung in einer gemäß § 169 S. 1 GVG öffentlichen Gerichtsverhandlung stattfinde, tritt die Kammer dieser Rechtsauffassung nicht bei. So hat der EGMR jüngst entschieden, dass zum Zwecke der Beweissicherung und Beweisführung in einem Gerichtsverfahren durch einen Privatdetektiv gefertigte Bilder nicht zur Veröffentlichung bestimmt sind bzw. keine Veröffentlichungsgefahr besteht (EGMR NJW 2015, 1079, 1080). Auch insoweit scheidet eine Verletzung des KunstUrhG aus.
ii) Das ferner in Betracht kommende allgemeine Persönlichkeitsrecht in besonderer Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auf Grundlage der Art. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG umfasst das Recht am eigenen Bild (vgl. etwa BVerfGE 87, 334 ff.; BVerfGE 97, 228 ff.; BVerfGE 120, 180 ff.) und stellt eine Ausprägung des Schutzes der personenbezogenen Informationen dar (LG Heilbronn NJW-RR 2015, 1019). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa BVerfGE 65, 1, 43; BVerfGE 103,21) steht dem Grundrechtsträger grundsätzlich die Befugnis zu, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, wenngleich dieser Schutz nicht unbeschränkt ist, sondern vielmehr insbesondere durch konkurrierende Grundrechte Dritter eingeschränkt werden kann (vgl. etwa Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Lfg. 39, Art. 2 Abs. 1 Rn. 44 ff., 181 ff.). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht soll im Rahmen des Zivilrechtes als Fall der sog. mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten (s. etwa BVerfGE 7,198 ff.; BVerfGE 89, 214) dazu dienen, der Persönlichkeit in allen Bereichen und sämtlichen Erscheinungsformen Schutz zu gewähren (st. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. etwa BGHZ 15, 249; BGHZ 31, 308; BGHZ 39,124). Dabei hat jedoch, da das allgemeine Persönlichkeitsrecht zivilrechtlich als Rahmenrecht – und damit sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB – sich erweist, eine positive Feststellung der Rechtswidrigkeit zu erfolgen, die anders als die absoluten Rechte und Rechtsgüter des Tatbestandes des § 823 Abs. 1 BGB nicht durch die Verletzung indiziert ist.
Insoweit ist bezogen auf den hierzu beurteilenden Fall zunächst festzustellen, dass eine (rechtswidrige) Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung seitens der Klägerin selbst und/oder ihrer Organe nicht eingetreten ist. Es kann offenbleiben, ob für die Klägerin als juristische Person der Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts überhaupt eröffnet oder dieser jedenfalls abgesenkt ist (vgl. im Einzelnen hierzu nur Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Lfg. 39, Art. 2 Abs. 1 Rn. 224), denn die fragliche Information, über die eine Selbstbestimmung geschützt werden soll, kann lediglich daran bestehen, dass ein Firmenfahrzeug zur fraglichen Zeit an der fraglichen Stelle sich aufgehalten hat. Dies ist jedoch kein schutzwürdiges Moment, da vorliegend – wie aus den Lichtbildern auf Seiten 11-14 des Privatgutachtens zu entnehmen ist – die Klägerin sich durch die Anbringung von deutlich sicht- und lesbaren Firmenaufdrucken auf verschiedenen Seiten des unfallbeteiligten Lkw mit diesem Moment gezielt und bewusst zu Werbezwecken in die Öffentlichkeit begeben hat. Die entsprechenden (persönlichen) Rechte der Organmitglieder der Klägerin sind von der vorliegenden Videoaufnahme nicht tangiert.
Daher kann lediglich auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Zeugin … der dieses als natürliche Person auch zweifelsfrei zukommt, für die weiteren Erwägungen abgestellt werden.
Hinsichtlich der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung ist zunächst auf der Grundlage der durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten Sphärentheorie (vgl. etwa BVerfGE 27, 344, 351; BVerfGE 89, 69, 82 f.) die Sphäre zu bestimmen, in welche das vorliegende Geschehen einzuordnen ist. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet dabei zwischen drei Spähren in Gestalt der sog. „Intimsphäre“ als Kernbereich der privaten Lebensgestaltung, der sog. „Privat- oder Geheimsphäre” als durch Sozialbezug geprägten Bereich der privaten Lebensgestaltung und der sog. „Sozial-, Öffentlichkeits- bzw. Individualsphäre” als Bereich der Teilnahme am öffentlichen Leben (vgl. Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Lfg. 39, Art. 2 Abs. 1 Rn. 158 ff. m.w.Nachw.).
Das hier fragliche Momentum in Gestalt des Fahrverhaltens der Zeugin … bzw. ihrer Eigenschaft als Unfallbeteiligte oder ihrer bloßen Anwesenheit am Geschehensort ist unzweifelhaft der sog. „Individualsphäre” zuzuordnen, stellt es doch weder eine Handlung im Kernbereich der privaten Lebensführung noch eine Handlung im Privatbereich sondern vielmehr eine Handlung in der allgemeinen Öffentlichkeit dar. Daraus folgt zugleich, dass diesbezügliche Maßnahmen – wenn überhaupt – nur eine geringe Belastungintensität des geschützten Rechts mit – im Verhältnis zu den anderen beiden Sphären – den geringsten Rechtfertigungsanforderungen zukommt ( Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Lfg. 39, Art. 2 Abs. 1 Rn. 160).
Mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Zeugin … sind nunmehr abzuwägen die Rechte der Beklagten, wobei die Abwägung zu Gunsten der Beklagten und damit der Verwertbarkeit ausfällt.
Die Beklagten können für sich zunächst das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG geltend machen, was der Rechtspflege eine hohe Bedeutung zumisst. Im Zusammenspiel mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie dem Gebot des effektiven Rechtschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG und der freien richterlichen Beweiswürdigung, wie sie in § 286 ZPO ihre einfachgesetzliche Ausprägung erfahren hat und wonach die Gerichte gehalten sind, angebotene Beweise grundsätzlich zu berücksichtigen, ergeben sich auch erhebliche Rechtspositionen und Interessen auf Seiten der Beklagten. Dies gilt umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht aus dem Rechtsstaatsprinzip die Verpflichtung der staatlichen Gerichte, die zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet sind (BVerfGE 52, 203 ff.), zu einer fairen Handhabung des Beweisrechts ableitet (vgl. etwa BVerfGE 52, 131 ff.; BVerfGE 117, 202; BVerfG NJW 2011, 2783, 2785).
Soweit etwa das Landgericht Heilbronn (NJW-RR 2015,1019) unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofs und Stimmen in der Literatur (LG Heilbronn a.a.O., 1021) ausgeführt hat, dass dem Interesse an der Zivilrechtspflege nicht generell ein überwiegendes Gewicht zukomme, sondern weitere Gesichtspunkte hinzutreten müssten, die das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Rechtsverletzung als schutzbedürftig erscheinen ließen, so schließt sich die Kammer dieser Auffassung insoweit noch an. Der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und deren Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung als wichtigem Belang des Gemeinwohls kommt dabei jedoch ein erhebliches, wenn auch nicht allein ausschlaggebendes Gewicht zu (Greger in: Zöller, ZPO, § 286 Rn. 15a). Die Kammer schließt sich auch der in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (BGH NJW 1995, 1955) stehenden weiteren Feststellung des Landgerichts Heilbronn an, dass Abbildungen von Passanten und Verkehrsteilnehmern auf öffentlichen Straßen und Wegen, die nur als Beiwerk des Stadt- oder Straßenbildes mit erfasst sind, von diesen zunächst ohne Weiteres hinzunehmen seien.
Die Frage, ob die Aufnahme mittels einer „Dash-Cam“ jedoch nicht durch ein überwiegendes Interesse der Beklagten gedeckt ist, beurteilt die Kammer abweichend von der Rechtsprechung des Landgerichts Heilbronn und erachtet diese – jedenfalls bei Vorlage weiterer Umstände, die im hier zu entscheidenden Einzelfall gegeben sind – als gegeben.
(a) So stellt sich der hier zu beurteilende Sachverhalt bereits im Tatsächlichen abweichend von dem Fall dar, den das Landgericht Heilbronn seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Dieses hat ausgeführt, dass technische Vorrichtungen der Kamera, die zu einer Ringspeicherung innerhalb bestimmter Zeitabstände und einer damit einhergehenden Löschung der alten gespeicherten Aufnahmen führen würden, nicht vorhanden seien (LG Heilbronn a.a.O., 1021). Dies ist im hier zu entscheidenden Fall jedoch gerade anders, da der Beklagte zu 1) unwidersprochen und für die Kammer plausibel, nachvollziehbar und überzeugend geschildert hat, dass bei der von ihm verwendeten Kamera eine solche Überschreibung und eine damit einhergehenden Löschung der alten Aufnahmen automatisch vorgenommen werde.
(b) Soweit das Landgericht Heilbronn unter Bezugnahme auf die Entscheidungen anderer Gerichte ausgeführt hat, dass die Videoaufnahme mittels einer sog. „Dash-Cam” aufgrund der großflächigen Beobachtung von öffentlichen Straßen allein schon aus dem Umstand, dass eine Vielzahl von Personen durch Eingriffe in ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht in kurzer Zeit betroffen seien, setzt dies voraus, dass es sich bei den Aufnahmen tatsächlich um Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt. Dies hat das Kammergericht bereits mit einer Entscheidung im Jahr 1979 (KG NJW 1980, 894) für die Konstellation verneint, dass eine Lichtbildaufnahme eines spielenden Kindes zu Beweiszwecken erfolgt war. Das Kammergericht hat insoweit ausgeführt, dass es grundsätzlich erlaubt ist, sich die entsprechenden Beweismittel zu verschaffen und zudem bei Aufnahmen in der Öffentlichkeit lediglich ein Eingriff in die Individualsphäre als äußerster Kreis der vom Persönlichkeitsrecht umfassten Rechte vorliege. Ein solcher Eingriff durch Fotographien müsse zu Beweiszwecken zulässig sein, sofern nicht der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts berührt werde. Diesen Erwägungen schließt sich die Kammer vorliegend vollumfänglich an. Der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts ist durch die entsprechende Aufnahme auch nicht berührt. Vielmehr betrifft diese die allgemeine Teilnahme am für jedermann einsehbaren öffentlichen Leben.
Hieran ändern auch die Ausführungen des Amtsgerichts München (ZfS 2014, 692) unter Bezugnahme auf Rechtsprechung oberster Gerichte nichts.
Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH NJW 1995,1955) entschieden, dass eine permanente verdachtslose Überwachung eines Zuganges zu einem Wohngebäude das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen auch dann verletzt, wenn die Aufzeichnungen nicht verbreitet werden sollen. Er hat aber ferner ausgeführt, dass ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht jedoch dann zulässig sein kann, wenn schwerwiegenden Rechtsbeeinträchtigungen nicht in anderer Weise zumutbar begegnet werden könne. Er hat zudem festgestellt, dass die Frage, ob ein rechtswidriger Eingriff vorliegt, im Rahmen einer aller Umstände des Einzelfalles und durch Vornahme einer die (verfassungs-)rechtlich geschützten Positionen der Beteiligten berücksichtigende Güter- und Interessenabwägung zu klären ist.
Der hier zu beurteilende Fall unterscheidet sich insoweit maßgeblich von dem der vorgenannten Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt, als dort der (unmittelbare) Zugang zum Privatgrundstück – und damit zum Kernbereich der privaten Lebensführung – maßgeblich war, hier jedoch die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zu beurteilen ist, die zum Sozialbereich zählt.
Aus dem gleichen Grund geht auch der Verweis des Amtsgerichts München auf eine Entscheidung des Landgerichts München I (ZWE 2012, 233) fehl, da dort mit der Videoüberwachung einer Tiefgarage der WEG abermals jedenfalls der unmittelbar an den Kernbereich der privaten Lebensführung angrenzende Bereich betroffen war.
Selbiges gilt auch, soweit das Amtsgericht München auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz rekurriert, denn bereits das mitgeteilte Zitat legt dar, dass das Bundesarbeitsgericht die heimliche Videoüberwachung als zulässig ansieht, wenn sie sich als einzig verbleibendes Mittel darstellt.
(c) Die vom Landgericht Heilbronn ferner postulierte These, dass eine anlasslose permanente Videoaufzeichnung trotz periodischer Überschreibung alter Daten einen zu tiefen Eingriff in die Sphäre der potentiell abgebildeten Personen darstellt, macht sich die Kammer vollumfänglich zu eigen. Sie führt aber für den hier zu beurteilenden Einzelfall nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Der Beklagte zu 1) hat insoweit für die Kammer überzeugend geschildert, dass die von ihm verwendete „Dash-Cam” nicht permanent aufzeichne. Vielmehr müsse er diese aktiv mit dem Stromkreis des Fahrzeuges verbinden, um eine Aufnahme zu starten. Dies tue er jedoch nur, sofern ein anderer Verkehrsteilnehmer „komisch“ fahre. Damit stellt sich der Einsatz der „Dash-Cam” durch den Beklagten zu 1) aber nicht als permanente, sondern vielmehr grundsätzlich anlassbezogene Aufzeichnung dar, sodass hier den berechtigten Interessen Dritter per se Rechnung getragen wird bzw. diese jedenfalls nicht vollkommen missachtet werden. Dass der Beklagte zu 1) im vorliegenden Fall nach eigener Bekundung die „Dash-Cam“ zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt eingeschaltet hatte, ändert hieran nichts. Der Beklagte zu 1) hat für die Kammer überzeugend dargelegt, dass er dies aus einem verkehrsanlassbezogenen Kriterium getan hat. Das schlichte Vergessen des Ausschaltens der „Dash-Cam” nach Verlassen der Anlasssituation stellt sich nach Auffassung der Kammer als nicht sanktionswürdiges, einem Augenblicksversagen angenähertes Fehlverhalten dar.
(d) Die Kammer hat bei der Interessenabwägung ferner eine jüngst ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Frage der Verletzung des Art. 8 EMRK berücksichtigt. In dieser Entscheidung (EGMR NJW 2015,1079) führt der Gerichtshof aus, dass bei der Anfertigung von verdeckten Videoaufnahmen durch einen Privatdetektiv zur Gewinnung von Beweismitteln in einem Zivilprozess eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliege. Der Gerichtshof hat insoweit ausgeführt, dass die Aufnahmen auf berechtigte Weise zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung beitragen und eine Partei in die Lage versetzen sollten, das Gericht über alle wesentlichen Umstände zu informieren, wobei die Aufnahmen eine Behauptung der anderen Partei und eines darauf gestützten Anspruchs widerlegten. In der Benutzung dieser Aufnahmen im Rahmen eines Gerichtsprozesses liege auch keine öffentliche Verbreitung (EGMR a.a.O, 1080).
Übertragen auf den vorliegenden Fall kann im Rahmen eines „Erst-Recht”-Schlusses die Conclusio gezogen werden, dass, wenn schon die heimlichen gezielten Aufnahmen einer konkreten Person das aus Art. 8 EMRK folgende Persönlichkeitsrecht nicht in einer Weise beeinträchtigen, dass ein Benutzungsverbot der Aufnahmen in einem staatlichen Gerichtsverfahren hieraus folgt, dies für die hier vorliegenden Aufnahmen, die nicht einmal über längere Zeit gezielt eine konkrete Person betrafen, erst recht gelten muss.
(e) Im vorliegenden Fall ist zudem zu berücksichtigen, dass die Videoaufnahmen eine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr und ein etwaiges Fehlverhalten eines oder mehrerer Verkehrsbeteiligter dokumentieren. Bei der Teilnahme am Straßenverkehr sind aber nicht nur die Rechtskreise und Interessen der hier streitenden Parteien tangiert. Vielmehr wird durch ein Fehlverhalten eines Verkehrsteilnehmers im Straßenverkehr und insbesondere auf der Autobahn – wie im vorliegenden Fall – der schutzwürdige Interessenkreis einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern berührt. Dabei ist lediglich exemplarisch zu erwähnen, dass es bei dem vorliegenden Unfall durchaus zu weiteren Folgeunfällen hätte kommen können, die in erheblichstem Maße grundrechtlich geschützte Interessen Dritter in Gestalt deren Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit oder schlicht wesentlicher Eigentumswerte hätten beeinträchtigen können. Selbiges gilt in gleichem Maße für die am streitgegenständlichen Geschehensablauf beteiligten Fahrzeuge und Personen. Bei all diesen besteht aber spätestens bei der Verletzung der Körpersphäre ein erhebliches Interesse an der Darlegung des tatsächlichen Ablaufes, wie er am besten durch eine entsprechende Aufzeichnung erfolgen kann.
(f) Auch aus der vorliegenden prozessualen Konstellation folgt im Rahmen der Rechtspflege im konkret zu beurteilenden Fall ein zu Gunsten der Verwertung sprechendes Abwägungsmoment. So hat die Kammer vor der Inaugenscheinnahme der Aufzeichnungen die seitens der Parteien angebotenen sonstigen Beweismittel zum konkreten Unfallhergang erhoben und die benannten Zeugen gehört. Auf dieser Grundlage sprach jedenfalls aufgrund der Aussage des unfallunbeteiligten Zeugen … – verstärkt durch die Lichtbilder der polizeilichen Ermittlungsakte und des Privatsachverständigengutachtens, die einen deutlich von einem mittigen Aufprall versetzten nur mteilwiese/minimal überdeckenden Kollisionsbereich zeigen – vieles dafür, dass sich der Unfall nicht so zugetragen hat, wie es die Zeugin … als Fahrerin des vorausfahrenden Lkw .geschildert hat. Die Lage war daher nach Auffassung der Kammer vergleichbar mit der Situation des An- bzw. Anfangsbeweises im Sinne des § 448 ZPO, der es der Kammer von Amts wegen ermöglicht, die Partei(en) von Amts wegen zu vernehmen. Sieht das Gesetz aber in einer solchen Konstellation entsprechende Befugnisse der Gerichte zur weitergehenden Sachaufklärung/Beweisaufnahme vor, so ist dieser Grundsatz jedenfalls seinem dahinterstehenden Rechtsgedanken nach auch auf die dann mögliche Verwertung von „Dash-Cam-Aufzeichnungen zu übertragen.
(g) Schließlich haben das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof im Rahmen der Anwendung der Präklusionsvorschriften des § 296 ZPO schon vor geraumer Zeit entschieden, dass die Anwendung der Präklusionsvorschriften dann ausscheide, wenn damit sehenden Auges ein nicht der materiellen Rechtslage und der materiellen Gerechtigkeit entsprechendes Urteil verbunden ist (vgl. nur Greger in: Zöller, ZPO, § 296 Rn. 2 m.w.Nachw.). Diesen Rechtsgedanken auf die Frage der Verwertbarkeit der „Dash-Cam-Aufnahme übertragen (Greger in: Zöller, ZPO, § 286 Rn. 15a) ergibt, dass bei der hier vorliegenden prozessualen Konstellation aufgrund des bestehenden Anbeweises sowie dem im Gebot auf rechtliches Gehör steckenden Aspekt der Erzielung einer materiell gerechten Entscheidung die Aufnahme zur Beseitigung letzter Zweifel – wie sie vorliegend aufgrund der abweichenden aber nur wenig überzeugenden Aussage der Zeugin … vorlagen – die Verwertung der Aufnahme zulässig ist.
iii) Entsprechend § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist eine Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume – wozu auch die Beobachtung des Verkehrsraums einer Autobahn mit einer Kamera zählen kann – mittels optisch-elektronischen Einrichtungen nur zulässig, soweit die Beobachtung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte für ein Überwiegen der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen bestehen (Frenzen in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016, BDSG § 6b Rn. 4ff.). Der Schutzzweck des BDSG ist ausweislich § 1 Abs. 1 BDSG dahingehend ausgerichtet, eine Beeinträchtigung eines Einzelnen in seinem Persönlichkeitsrecht zu verhindern, wobei als Adressaten der Verhaltensvorschriften ausdrücklich auch natürliche Personen gem. § 2 Abs. 4 S. 1 BDSG benannt sind.
Der Verwendungszweck der durch die „Dash-Cam” erfolgten Aufnahmen in Gestalt der Sicherung von Beweismitteln im Falle möglicher Verkehrsunfälle ist hinreichend konkret (AG München ZfS 2014, 692). Auch ist kein milderes, gleich geeignetes Mittel ersichtlich, die Beweissicherung zu erzielen, so dass die Anfertigung der Aufnahme auch erforderlich ist.
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für ein Überwiegen der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen. Eine Betroffenheit der Zeugin … scheidet im vorliegenden Fall aus den vorstehenden Erwägungen zu den Rechten aus dem KunstUrhG und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus. Zudem ist die Zeugin … hier nicht Partei, sondern am Rechtsstreit unbeteiligte Dritte, sodass eine etwaige Verletzung zwar für den zivilrechtlichen Rechtschutz ihrer Person von Relevanz sein kann, für die vorzunehmende Interessenabwägung zwischen den hier streitenden Parteien aber nicht von Bedeutung ist, sodass die entsprechende Argumentation mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen in der hiesigen Konstellation verfehlt ist (Greger in: Zöller, ZPO, § 286 Rn. 15c).
Unter Berücksichtigung all der vorstehenden Aspekte und Umstände erachtet die Kammer die Verwertung der „Dash-Cam”-Aufnahme als Augescheinsscheinsobjekt im Sinne des § 371 ZPO (analog) im vorliegenden Fall aufgrund der jedenfalls überwiegenden Interessen der Beklagten für zulässig.
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