Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Er befuhr mit seinem Fahrrad den rechten Straßenrand, wobei er den Lenker mit der linken Hand hielt. Mit der rechten Hand führte er seine beiden angeleinten Schäferhunde. Auf einem Grünstreifen am linken Straßenrand lief die Beklagte mit ihrem unangeleinten Hund. Als sich ihr der Kläger von hinten näherte, lief der Hund der Beklagten auf ihn zu. Beim Abbremsen stürzte der Kläger und verletzte sich. Grundsätzlich sei bei den Verletzungen des Klägers nach Ansicht des Gerichts ein Schmerzensgeld in Höhe von 800 € anzusetzen. Unter Berücksichtigung seiner Mithaftung von 75% auf Grund der gefährlichen Fahrweise wurde die Beklagte (nur) zu einem Schmerzensgeld von 200 € verurteilt (LG Münster, Urteil vom 16.12.2015, Az. 01 S 56/15)

1. Zunächst steht dem Kläger kein weitergehender Schmerzensgeldanspruch über die zuerkannten 200 Euro hinaus nebst Zinsen zu.

a. Insbesondere ergibt sich kein weitergehender Anspruch aus § 833 S. 1 BGB. Nach § 833 S. 1 BGB besteht ein Schadensersatzanspruch, wenn durch ein Tier der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt wird. Die Voraussetzungen der Gefährdungshaftung nach § 833 S. 1 BGB liegen unproblematisch vor.

Das Amtsgericht ist von einem grundsätzlich anzusetzen Schmerzensgeld von 800 € ausgegangen und hat hierauf eine Mitverschuldensquote von 75 % angewendet. Zwar ist der Erkenntnisweg des Amtsgerichts methodisch ungenau, indes begegnet das Ergebnis keinen Bedenken.

Grundsätzlich muss sich der Geschädigte auch bei einem Anspruch aus Gefährdungshaftung trotz des Wortlauts des § 254 Abs. 1 (“Verschulden”) eine von ihm zu vertretende Sach- oder Betriebsgefahr anrechnen lassen (MüKoBGB/Oetker BGB § 254 Rn. 12-16, beck-online). Da § 253 Abs. 2 BGB eine Ausnahmeregelung zu § 253 Abs. 1 BGB darstellt, wird das Mitverschulden bei einem Schmerzensgeldanspruch entgegen der sonst üblichen Systematik bereits im Rahmen der Bemessungsfaktoren berücksichtigt; eine Quotelung, die für den materiellen Schaden vorgenommen wurde, kann nicht auf das Schmerzensgeld mit seinen anderen Bemessungsfaktoren übertragen werden (BeckOK BGB/Spindler BGB § 253 Rn. 61-62, beck-online).

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind vorliegende folgende Faktoren zu berücksichtigen: Der Kläger erlitt als Rechtshänder eine Risswunde an der rechten Hand, die mit 20 Stichen genäht werden musste. Nach 15 Tagen wurden die Fäden gezogen. Der Kläger war 18 Tage krankgeschrieben. Der Kläger erlitt Prellungen an den Schienbeinen. Schmerzen und Bewegungseinschränkungen bestanden für einen Zeitraum von drei Wochen. Es verbleibt eine Narbe.

Indes ist auch die äußerst gefährliche Fahrweise des Klägers mit zwei Hunden an der Leine und der Leine in der rechten Hand zu berücksichtigen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass sowohl das einhändige Fahrradfahren als auch das Führen von Hunden vom Fahrrad aus nach § 28 Abs. 1 S. 4 StVO grundsätzlich erlaubt sind. Das Zusammenspiel beider Verhaltensweisen im vorliegenden Fall stellte sich als besonders risikoerhöhend dar, was seinen Niederschlag auch in der gesetzlichen Bestimmungen findet: § 28 Abs. 1 S. 3 und 4 StVO verbieten im Interesse der Verkehrssicherheit grundsätzlich das Führen von Fahrzeugen aus, “wovon nur größere (folgsame) Hunde hinter Fahrrädern ausgenommen sind” (BHJJ/Janker StVO § 28 Rn. 1 – 13, beck-online; Hervorhebung nicht im Original). Jegliche Einflüsse auf die Verkehrssicherheit wie bei Einflüssen auf den Lenker (Vgl. OLG Köln, NJW-RR 2003, 884) sind zu vermeiden. Der Fahrzeugführer im Sinne der StVO und in diesem Fall der Fahrradfahrer muss sicherstellen, dass seine Beherrschung des Fahrrades durch das Tier nicht beeinträchtigt wird (BHJJ/Heß StVO § 23 Rn. 15a, beck-online). So wie der Kläger seine Hunde geführt hat, kann er im Fall des Abbiegens keine Richtungsanzeige abgeben. Beim Abbiegen nach rechts ist dies auf Grund der in der rechten Hand geführten Hundeleine nicht möglich. Nach links wäre eine Richtungsanzeige lediglich unter Missachtung des Verbotes des freihändigen Fahrradfahrens möglich. Und auch die Beherrschung des Fahrrades wird durch das Halten der Leine offenkundig beeinträchtigt. Der rechte Arm steht nicht zur Verfügung, um Einwirkungen auf das Gleichgewicht in ausreichender Form zu kompensieren. Auch kann die rechte Hand nicht unmittelbar zum Lenker geführt werden, wenn eine Gefahrenlage unerwartet auftritt. Zumal dies nur möglich wäre, wenn die Leine losgelassen wird, was wiederum im Geltungsbereich des kommunalen Leinenzwangs rechtswidrig wäre.

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es spezielle Halterungen für das Fahrrad gibt, mit denen eine Hundeleine gefedert an dem Fahrrad befestigt werden kann und die dem Fahrradfahrer so beide Hände zum Führen des Fahrrades zur Verfügung lassen.

Der Kläger näherte sich außerdem von hinten der Beklagten und ihrem Hund und hätte zumindest erkennen können, dass dieser nicht angeleint gewesen ist. Aber auch bei einem angeleinten Hund hätte er reagieren müssen. Zumindest hätte er auch die rechte Hand an den Lenker nehmen und die Geschwindigkeit reduzieren, wenn nicht gar absteigen müssen. Auch bei der Begegnung mit angeleinten Hunden ist es nicht auszuschließen, dass zumindest der dem Kläger unbekannte Hund auf den Kläger, das Fahrrad oder die eigenen Hunde des Klägers reagiert und hierdurch eine potentiell gefährliche Verkehrssituation entsteht.

Die Verletzungen des Klägers sind auch nicht derartig schwer, dass ein Schmerzensgeld nach seinen Vorstellungen von mindestens 1.500 Euro in Betracht käme. Gerade die Entscheidung des OLG Hamm, NVZ 2008, 564, die der Kläger zur Annahme eines Anscheinsbeweises heranzieht, spricht gegen diese Höhe des Schmerzensgeldes. Im dortigen Fall ist ohne Mitverschulden ein Schmerzensgeld von 3.500 Euro ausgeurteilt worden. Dort hatte die Geschädigte einen Wirbelbruch und erhebliche Bewegungseinschränkungen über mehrere Monate zu beklagen, erst nach vier Monaten  und einem Krankenhausaufenthalt waren die restlichen Beschwerden abgeklungen.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren steht dem Kläger bei einer Gesamtbetrachtung lediglich ein Schmerzensgeld in Höhe der vom Amtsgericht zuerkannten 200 Euro zu.

b. Es besteht auch kein weitergehender Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 28 Abs. 1 StVO und § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet der Stadt I vom 11.03.2008. Selbst wenn ein Verstoß hiergegen vorläge und es sich um Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handeln sollte, gelten die gleichen Erwägungen wie oben im Rahmen von § 254 Abs. 1 BGB.

c. Mangels weitergehenden Hauptanspruchs besteht auch kein weitergehender Zinsanspruch.

2. Ferner steht dem Kläger nach den Feststellungen des Amtsgerichts kein Schadensersatzanspruch über die vom Amtsgericht ausgeurteilten 31,25 Euro nebst Zinsen hinaus zu. Die Faktoren der Gesamtbetrachtung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes (siehe oben) führen bei den materiellen Schäden im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 BGB zu einer Mitverschuldungsquote von 75 % zu Lasten des Klägers.

Überdies erscheint es fraglich, ob außerhalb von Verkehrsunfällen im engeren Sinne überhaupt die Schadensposition einer Kostenpauschale erstattungsfähig ist.