Der Betroffene, ein Polizeibeamter, überschritt auf einer Autobahn die zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h um 39 km/h. Er gab an, mit einem zivilen Dienst-Kfz auf dem Weg zu einem Dienstgeschäft gewesen zu sein und hierbei ein „wichtiges dienstliches Telefonat“ geführt zu haben, welches ihn abgelenkt habe. Ein Augenblicksversagen sah das AG Landstuhl darin nicht. Die dem Betroffenen unbekannte Örtlichkeit hätte eine erhöhter Aufmerksamkeit geboten, welche er durch das Telefonat vorsätzlich abgesenkt habe. Gerade auf einer Dienstfahrt erforderten seine grundgesetzlich verankerten Pflichten die penible Achtung der Verkehrsregeln. Die wegen vorsätzlicher Begehungsweise zu verdoppelnde Regelgeldbuße sei trotz der “erschreckenden” Uneinsichtigkeit aber nicht weiter zu erhöhen.

AG Landstuhl, Urteil vom 11.05.2021 – 2 OWi 4211 Js 4647/21

1. Der Betroffene wird wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 240 EUR verurteilt.

2. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften:

§§ 41, 49 StVO, 24 StVG, 3 Abs. 4a BKatV, 11.3.6 BKat

Gründe:

I.

Der Betroffene hat sich zur Person wie folgt eingelassen: KHK bei der PI …

Verkehrsrechtlich ist der Betroffene bislang nicht in Erscheinung getreten.

II.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung hat das Gericht folgende Feststellungen treffen
können:

Der Betroffene war am 24.11.2020 Führer des PKW mit dem Kennzeichen … und befuhr um 12:45 Uhr die BAB6, Fahrtrichtung Mannheim. Auf Höhe des km 633,2, Gemarkung Ramstein, fuhr der Betroffene statt der durch Verkehrszeichen angeordneten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h mit einer Geschwindigkeit von 119 km/h. Gemessen wurde mit dem Messsystem PoliScan Speed FM1. Die gemessene Geschwindigkeit betrug zunächst 123 km/h, wobei anschließend als Toleranz 4 km/h abgezogen worden sind. Das Messgerät wurde stationär und damit gemäß der zugrundeliegenden Baumusterprüfbescheinigung genutzt. Das Messgerät war zum Zeitpunkt der Messung geeicht, ausweislich des Eichscheins auch konformitätsbewertet, und wurde gemäß der Gebrauchsanweisung von geschultem Messpersonal bedient. Die aufgestellten Verkehrszeichen waren beidseitig aufgestellt und erkennbar.

III.

Der entbundene Betroffene hat sich zur Sache über seine vertretungsberechtigte Verteidigerin in der Hauptverhandlung wie in seinen zuvor zu den Akten gereichten Erklärungen und Schriftsätzen eingelassen:

Er habe sich mit einem zivilen Dienst-Kfz auf dem Weg zu einem Dienstgeschäft befunden und sei wegen eines Rückstaus in Zeitverzug gewesen. „Um das Dienstgeschäft, welches terminiert war, zeitgerecht erledigen zu können, fuhr ich 119 km/h auf der BAB6“ (Bl. 27 d.A.) Die Sicht auf die Verkehrszeichen sei durch neben ihm fahrende Kraftfahrzeuge (LKW) verwehrt gewesen und er habe die Beschilderung übersehen. Das Dienstgeschäft hat er als jährlichen Pflichtleistungsnachweis (Prüfung) mit der Dienstpistole konkretisiert und die Befürchtung mitgeteilt, zum Termin zu spät zu kommen (Bl. 40 d.A.). Ihm sei die Beschilderung nicht bekannt gewesen, er fahre die Strecke nach Enkenbach nicht regelmäßig. Die Beschilderung sei nicht wiederholt worden, sondern es handle sich um einen Verkehrstrichter. Zudem sei er durch ein „wichtiges dienstliches Telefonat“ (mit dem LKA Hamburg) ab 12:44 Uhr abgelenkt gewesen (Bl. 83 d.A.).

Er hat mehrfach mit Bezugnahme auf die Dienstfahrt und den dienstlichen Hintergrund eine Abweichung von der Regelfolge des Bußgeldkatalogs in Form eines Verwarnungsgelds begehrt.

Die Verteidigerin hat im Schlusswort noch auf ein Augenblicksversagen des Betroffenen abgestellt.

IV.

Die getroffenen Feststellungen beruhen, soweit sich der Betroffene nicht geständig eingelassen hat, auf der Durchführung der Beweisaufnahme. Das Gericht hat das zur Messung gehörende Messbild in Augenschein genommen und hinsichtlich der Datenleiste verlesen. Auf das Messbild, Bl. 8 d.A., wird im Sinne des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen und Bezug genommen. Das Gericht hat den Eichschein, Bl. 11-12 d.A., sowie das Messprotokoll, Bl. 10 d.A., gemäß § 256 StPO verlesen. Das Gericht hat den Schulungsnachweis des eingesetzten Messbeamten, Bl. 13 d.A., verlesen.

Eine weitere Beweiserhebung war nicht erforderlich. Es handelt sich bei dem eingesetzten Messgerät um ein so genanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 39, 291 BGHSt 43, 277), das durch die obergerichtliche Rechtsprechung in ständiger Rechtsprechung als solches Verfahren bestätigt wird (vgl. OLG Zweibrücken Beschl. v. 23.7.2019 – 1 OWi 2 Ss Rs 68/19, BeckRS 2019, 20220).

Soweit stellenweise (Bl. 69 d.A.) das Datum des übersandten Beschilderungsplans seitens des Betroffenen bemängelt worden war, ist dies irrelevant. Das Datum ist lediglich das der Dateierstellung. Die Beschilderung selbst beruht auf der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 28.4.2017, ist dem Gericht aus hunderten Verfahren bekannt und seither unverändert als Geschwindigkeitstrichter 130-100-80 angeordnet. Hinzu kommen ein großes Hinweisschild mit Beleuchtung auf die verkürzte Ausfahrt sowie der Hinweis auf Brückenschäden.

Selbst wenn der Betroffene inhaltliche Zweifel an der Gültigkeit der Anordnung der Verkehrsregelungen geäußert hat, wäre dies für das Gericht ohne Belang (OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2015, 152). Verkehrszeichen hat der Betroffene zu befolgen wie sie sich ihm im fließenden oder ruhenden Verkehr darstellen (BeckOK StVR/Krenberger, § 39 StVO, Rn. 107). Vorschriftszeichen sind nur bei offensichtlicher Willkür, Anbringen durch Unbefugte oder bei objektiver Unklarheit unbeachtlich (OLG Koblenz NZV 1995, 39). Dies ist hier jedoch nicht gegeben.

Soweit der Betroffene noch meinte, dem Gericht einen Artikel aus der Saarbrücker Zeitung zu Messungen mit dem Gerät Leivtec XV3 zukommen lassen zu müssen (Bl. 70-72 d.A.) ist dies für das Verfahren ohne Relevanz.

Ein Augenblicksversagen kann hier nicht angenommen werden. Der Betroffene hat telefoniert während des Verstoßes. Schon dieses Verhalten lässt sich mit den Anforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung an die Annahme eines Augenblicksversagens nicht in Übereinstimmung bringen.

V.

Der Betroffene hat sich deshalb wegen der vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu verantworten, §§ 24 StVG, 41, 49 StVO.

Gegen den Betroffenen spricht die Vermutung der hohen Überschreitung der Geschwindigkeit, hier in Form einer Überschreitung von 39 km/h bzw. mehr als 40%, die einen Rückschluss auf das Wollenselement des wenigstens bedingten Vorsatzes erlaubt, sowie die beidseitig sichtbar aufgestellten Verkehrszeichen, die von einem Verkehrsteilnehmer gesehen werden müssen und so einen Rückschluss auf das Wissenselement des wenigstens bedingten Vorsatzes ermöglichen (Vgl. BeckOK/Krenberger, § 3 StVO, Rn. 221 m.w.N.).

Eine dies widerlegende Einlassung erfolgte nicht. Im Gegenteil hat der Betroffene anhand seiner eigenen Einlassungen gerade dargelegt, dass er hier mit wenigstens bedingtem Vorsatz die Geschwindigkeit überschritten hat. Er hat mitgeteilt, dass er unter Zeitdruck mit konkreter Geschwindigkeit gefahren sei und trotz des Zeitdrucks und der für ihn wenig bekannten Gegend während der Fahrt ein Telefonat angenommen und geführt habe. Dass er also in einer Situation, die von ihm gerade höhere Aufmerksamkeit erfordern würde (Eile, fremde Gegend) auch noch sein Aufmerksamkeitsniveau vorsätzlich absenkt – denn ein Telefonat kann man nicht fahrlässig führen -, zeigt, dass es ihm nicht nur gleichgültig war, ob er dadurch Verkehrsregeln verletzen würde, sondern dass er billigend in Kauf genommen hat die Verkehrszeichen zu übersehen, ohne seine Geschwindigkeit vorher aktiv anzupassen. Dies gilt erst recht, da er sich auf einer Dienstfahrt befindet und seine grundgesetzlich verankerten Pflichten insbesondere die penible Achtung der Verkehrsregeln erfordern.

Die Beschilderung vor Ort (Geschwindigkeitstrichter, sonstige Hinweise) ist auch gerade darauf angelegt, die Aufmerksamkeit des Fahrers auf sich zu ziehen. Ein Übersehen der Schilder wegen LKW-Verkehr auf der rechten Spur ist schon denklogisch bei beidseitig aufgestellten Schildern nicht möglich.

Dass der Betroffene sein Fehlverhalten im Nachhinein auch noch mit dem mehrfachen Verweis auf die Dienstlichkeit seines Handelns zu relativieren versucht, zeigt eine bedenkliche Einstellung des Betroffenen zu Verkehrsregeln und Rechtsanwendung auf.

VI.

Durch den genannten Verstoß hat der Betroffene zunächst eine Geldbuße zu tragen. Diese ergibt sich zunächst als Regelsatz in Höhe von 120 EUR gemäß Ziffer 11.3.6 des Anhangs zur BKatV, die für das Gericht in Regelfällen einen Orientierungsrahmen bildet (BeckOK StVR/Krenberger, § 1 BKatV, Rn. 1). Von diesem kann das Gericht bei Vorliegen von Besonderheiten nach oben oder unten abweichen. Vorliegend bestehen keine Umstände, die ein Abweichen vom Regelsatz nach unten bedingen würden. Insbesondere sind die dienstliche Veranlassung der Fahrt außerhalb des Anwendungsbereichs von § 35 StVO oder auch die Nutzung eines zivilen Dienstfahrzeugs keine Aspekte, die geeignet wären, eine Abweichung vom Regelfall zu begründen.

Angesichts der vorsätzlichen Begehensweise ist die Regelgeldbuße zu verdoppeln, § 3 Abs. 4a BKatV.

Es sind hier keine Umstände gegeben, die eine Erhöhung der Geldbuße nach sich ziehen, § 17 Abs. 3 OWiG. Der Betroffene ist nicht vorbelastet. Seine Uneinsichtigkeit, seine Versuche, mit seiner Tätigkeit bei der Polizei eine für ihn günstigere Rechtsfolge zu erreichen und seine Fehleinschätzung über die Subsumtion von Vorsatz und Fahrlässigkeit sind zwar im Hinblick auf seinen Beruf erschreckend, aber es sind keine zum Nachteil des Betroffenen heranzuziehenden verkehrsrechtlichen Zumessungserwägungen im Sinne des § 17 OWiG (OLG Bamberg DAR 2011, 92 zur Berufstätigkeit; KG, Beschl. v. 25.4.2001 – (3) 1 Ss 321/00 (28/01), juris = DAR 2001, 467 zur Uneinsichtigkeit).

Die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen haben ergeben, dass der Betroffene die ausgeurteilte Geldbuße wirtschaftlich verkraftet.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46, 71 OWiG, 465 StPO.