Messdaten werden bei Riegl-Messgeräten bekanntlich nicht gespeichert, so dass in diesem Sinne auch keine gesamte Messreihe überlassen werden kann. Eine ggf. anonymisierte Liste sämtlicher erfasster Verstöße sowie vorhandene Wartungsunterlagen seien dem Betroffenen aber dennoch herauszugeben, so das AG Rottweil. Ein Anspruch auf Herausgabe des Zulassungsscheins, Beschilderungsplans und der verkehrsrechtlichen Anordnung bestehe demgegenüber nicht.

AG Rottweil, Beschluss vom 07.01.2021 – 3 OWi 36 Js 13946/20

1. Die Verwaltungsbehörde wird angewiesen, dem Verteidiger des Betroffenen eine Liste der am Tattag, 12.06.2020, zwischen 11:00 Uhr und 11:56 Uhr aufgenommen Beanstandungen mit Uhrzeit, Fahrzeugtyp, Kennzeichen, Entfernung und Messwert zu übersenden.

2. Die Verwaltungsbehörde wird angewiesen, dem Verteidiger des Betroffenen die vorhandenen Wartungs- und Instandsetzungsnachweise zu dem bei der streitgegenständlichen Messung verwendeten Gerät seit Eichung (12.12.2019) oder – sofern diese Nachweise nicht vorhanden sind – eine Erklärung der Geräteverantwortlichen zu der Frage zu übersenden, ob nach der Eichung des verwendeten Geräts eichrelevante Reparaturen an dem Messgerät durchgeführt worden sind.

3. Im Übrigen wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet abgewiesen.

4. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen

Gründe:

I.

1. Dem Betroffenen steht ein Anspruch auf Einsicht in die Liste der am Tattag beanstanden Fahrzeuge zu.

Der Anspruch ergibt sich aus dem Gebot des fairen Verhaltens sowie der Gewährung rechtlichen Gehörs. Als unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens und daran anknüpfender Verfahren gewährleistet es dem Betroffenen, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde selbständig wahrzunehmen und Übergriffe staatlicher Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligte angemessen abwehren zu können (BVerfG NVZ 2021, 41 S. 43). Der Betroffene darf nicht zum bloßen Objekt des Verfahrens gemacht werden, sondern muss vielmehr die Möglichkeit haben zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (BVerfGE 65, 171 – 174). Der Betroffene hat daher ein Recht auf möglichst frühen und umfassenden Zugang zu Beweismitteln und Ermittlungsvorgängen. Danach steht dem Betroffenen eine Einsicht auch in solche Unterlagen zu, die sich nicht bei den Gerichtsakten befinden und damit über das Recht auf Akteneinsicht aus § 147 StPO hinausgeht (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.7.2019 – 1 Rb 10 Ss 291/19).

Auf das Bußgeldverfahren übertragen bedeutet dies, dass ein Betroffener gegenüber der Verwaltungsbehörde auch ohne Vorliegen, bzw. Geltendmachung konkreter Anhaltspunkte für Messfehler verlangen kann, dass er Einsicht in die nicht bei den Akten befindlichen (existierenden weiteren) amtlichen, zur Überprüfung der Messung erforderlichen Messunterlagen nehmen kann mit dem Ziel, die so gewonnen Daten mit Hilfe eines privaten Sachverständigen auszuwerten und auf mögliche Messfehler hin zu überprüfen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.7.2019 – 1 Rb 10 Ss 291/19). Ohne Kenntnis aller Informationen, die der Bußgeldbehörde zur Verfügung stehen, kann der Betroffene, bzw. die Verteidigung nicht beurteilen, ob Beweisanträge zu stellen sind.

Ein Akteneinsichtsrecht besteht jedenfalls dann, wenn sich der Betroffene bereits im Verwaltungsverfahren gegenüber der Verwaltungsbehörde um die Herausgabe der Falldateien bemüht hat und im Fall der Nichtherausgabe gerichtlichen Rechtsschutz in Form eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat (So auch: OLG Stuttgart Beschl. v. 19.9.2019 – 1 Rb 28 Ss 300/19).

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben. Der Betroffene hat – durch seinen Verteidiger – bereits im Verwaltungsverfahren die Überlassung der Falldaten gegenüber der Verwaltungsbehörde zur Einsichtnahme beantragt. Nachdem ihm diese verwehrt wurde, hat der Verteidiger einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

Demnach steht dem Betroffenen ein Anspruch auf Herausgabe der begehrten Daten zu.

Soweit Bedenken bestehen, dass Daten Dritter betroffen sind, kann diesem Schutzinteresse durch eine Anonymisierung der Daten Rechnung getragen werden (LG Baden-Baden Beschl. v. 14.9.2018-2 Qs 104/18).

2. Der Verwaltungsbehörde wird entsprechend Ziffer 2 des Antrags vom 18.08.2020 auferlegt dem Betroffenen mitzuteilen, ob zeitlich nach der Eichung des verwendeten Messgeräts Wartungen oder Instandsetzungen an dem eingesetzten Messgerät vorgenommen worden sind. Soweit vorhanden, sind dem Verteidiger die entsprechenden Nachweise zu übersenden bzw. die Erklärung des Geräteverantwortlichen, ob eichrelevante Eingriffe seit der letzten Eichung durchgeführt worden sind.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt, insbesondere soweit die Überlassung weiterer Eichnachweise zum verwendeten Messgerät, die über die Eichung vom 12.12.2019 hinausgehen, beantragt wurde. Diese haben auf die hier gegenständliche Messung vom 12.06.2020 keinen Einfluss. Mit der am 12.12.2019 erfolgten Eichung wurde die Konformität des Geräts bestätigt. Relevanz für die Messung können daher nur nach dieser Eichung vorgenommene Eingriffe haben.

3. Der Antrag auf Überlassung der Bedienungsanleitung zum Messgerät wird abgelehnt, da der Verteidiger bereits mit Schreiben vom 05.08.2020 durch die Verwaltungsbehörde Einsicht in die Bedienungsanleitung erhalten hat.

4. Soweit die Herausgabe von Zulassungsschein/Baumusterprüfbescheinigung, Konformitätsbescheinigung und Konformitätserklärung zum Messgerät beantragt wurde, wird dies abgelehnt. Diese haben keinen Einfluss auf die streitgegenständliche Messung. Darüber hinaus wird im Eichschein vom 12.12.2019 bestätigt, dass die Anforderungen des MessEG und der MessEV eingehalten wurden.

5. Der Antrag der Herausgabe von Beschilderungsplan und verkehrsrechtlicher Anordnung wird abgelehnt. Die Beschreibung der Verkehrssituation ergibt sich bereits aus dem in der Akte befindlichen Messprotokoll. Dort sind die Beschilderung mit zugehöriger Kilometerangabe und die Entfernung zu der konkreten Messörtlichkeit angegeben. Ein Anspruch auf weitergehende Informationen besteht nicht. Darüber hinaus sind verkehrsrechtliche Anordnung und Beschilderungspläne für die Beurteilung der Ordnungswidrigkeit nicht von Belang. Als Verwaltungsakte sind Gebots- und Verbotszeichen kraft Gesetzes unmittelbar zu befolgen. Dies gilt auch dann, wenn ein Verkehrszeichen im Einzelfall rechtswidrig aufgestellt wurde.

II.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 62 Abs. 2 S. 2 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 4 StPO.

Die Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG.

Mitgeteilt von Rechtsanwälte Zimmer-Gratz, Bous.