Auch das AG Ludwigshafen geht nun davon aus, dass für die Aktenversendung durch die Zentrale Bußgeldstelle in Rheinland-Pfalz keine Pauschale in Höhe von 12 Euro entsteht. Die Bußgeldstelle führe ihre Akten elektronisch und versende auf Antrag einen Ausdruck der elektronischen Akte. Allerdings fehle es im Landesrecht von Rheinland-Pfalz nach wie vor an einer Grundlage (vgl. § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG), Bußgeldakten überhaupt elektronisch führen zu dürfen.
AG Ludwigshafen, Beschluss vom 19.01.2021 – 4m OWi 416/20
1. Die Auslagenfestsetzung der Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 24.06.2020 (Az: …) wird aufgehoben.
2. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Landeskasse.
Gründe:
I.
In einem gegen den Betroffenen beim Polizeipräsidium Rheinpfalz – Zentrale Bußgeldstelle – (nachfolgend: Bußgeldbehörde) geführten Bußgeldverfahren wegen eines Verkehrsunfalls beantragte der Verteidiger des Betroffenen mit Schriftsatz vom 10.06.2020 Akteneinsicht durch Übersendung an seine Kanzleiräume. Diese gewährte die Bußgeldbehörde am 24.06.2020 durch Übersendung ausgedruckter Kopien aus der elektronischen Akte und erhob für die Aktenversendung eine Auslagenpauschale von 12,00 EUR.
Mit Schriftsatz vom 29.06.2020 hat der Verteidiger des Betroffenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und zur Begründung ausgeführt, die Erhebung einer solchen Gebühr entbehre einer Rechtsgrundlage.
II.
Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat auch in der Sache Erfolg.
Im Hinblick auf den durch die Bußgeldbehörde an den Verteidiger übersandten Aktenausdruck fehlt es derzeit an einer Grundlage für die Auslagenfestsetzung.
Nach § 107 Abs. 5 Satz 1 OWiG können von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, je durchgeführte Sendung einschließlich der Rücksendung durch Behörden pauschal 12,00 EUR als Auslagen erhoben werden. Wird die Akte elektronisch geführt und erfolgt ihre Übermittlung elektronisch, wird eine Pauschale nicht erhoben, § 107 Abs. 5 Satz 2 OWiG.
Die Voraussetzungen von § 107 Abs. 5 Satz 1 OWiG sind vorliegend indes nicht erfüllt. Zwar hat der Verteidiger Akteneinsicht beantragt, jedoch ist diese grundsätzlich in die Originalakte zu gewähren. Dies gilt nur dann nicht, wenn zulässigerweise eine elektronische Akte im Sinne von § 110b OWiG geführt wird. In einem solchen Fall kann Akteneinsicht auch durch Übermittlung eines Aktenausdrucks erfolgen. In einem solchen Fall tritt der Aktenausdruck an die Stelle der physisch nicht vorhandenen elektronischen Akte.
Im Landesrecht von Rheinland-Pfalz fehlt allerdings bislang eine Rechtsgrundlage für eine elektronische Aktenführung durch die Verwaltungsbehörden (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 17.07.2018 – 1 Owi 6 SsBs 19/18 -, juris).
Da es an einer zulässigerweise und durch Rechtsverordnung ermöglichten Führung einer elektronischen Akte fehlt, kann auch – ungeachtet der Frage nach dem Vorliegen der weiteren Voraussetzungen- keine Akteneinsicht gemäߧ§ 110 c OWiG, 32 f Abs. 1 Satz 3 oder Satz 4 StPO durch Erteilung eines Aktenausdrucks gewährt werden, da diese zwingend eine aufgrund Rechtsverordnung geführte elektronische Akte voraussetzt.
Die gleichwohl erfolgte Übersendung eines Ausdrucks einer insofern ohne Rechtsgrundlage geführten elektronischen Akte kann keine Aktenversendungspauschale begründen, denn eine solche kann nur dann anfallen, wenn Einsicht in eine zulässigerweise und ordnungsgemäß geführte Akte gewährt wird (vgl. AG Montabaur, Beschluss vom 02.06.2020 – 12 Owi 203/20 -, BeckRS 2020, 141.19, AG Idar-Oberstein Beschluss vom 15.05.2020- 5 OWi 73/20 -, BeckRS 2020, 10944, jeweils beck-online; AG Trier, Beschluss vom 02.02.2020 – 35a OWi 1/20- m.w.N., juris).
Die angefochtene Auslagenfestsetzung der Bußgeldstelle vom 24.06.2020 war daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG, 467 Abs. 1 StPO.
Diese Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG unanfechtbar.
Mitgeteilt von Herrn Rechtsanwalt Martin Scheidenberger, Heidelberg.
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