Mit diesem Beschluss hob das OLG Jena eine Verurteilung nach einer Geschwindigkeitsmessung mittels ProViDa auf. Unbegründet sei die Verfahrensrüge, dass die Videoaufnahme permanent durchgelaufen sei und damit auch eine Auswertung nicht anlassbezogener Daten im Nachhinein in Betracht komme. Da der Betroffene bereits in 70 km/h- und 50 km/h-Bereichen durch Geschwindigkeitsüberschreitungen aufgefallen sei, habe er zu der in der 30 km/h-Zone durchgeführten Messung konkreten Anlass gegeben. Zu Recht werde aber beanstandet, dass sich aus den Urteilsgründen nicht – wie geboten – die verwendete Betriebsart des ProViDa-Messgeräts ergebe.
OLG Jena, Beschluss vom 02.07.2019 – 1 OLG 107 SsBs 161/18
Das Urteil des Amtsgerichts Gera vom 09.07.2018 wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, ans Amtsgericht Gera zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Urteil des Amtsgerichts Gera vom 09.07.2018 wurde gegen den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um (abzüglich eines Toleranzabzuges von 5 km/h) 51 km/h, verwirklicht als Fahrer des Pkw, amtliches Kennzeichen … am 24.10.2017 um 21.36 Uhr auf der Vogtlandstr. in Gera und gemessen mittels Geschwindigkeitsmessergerätes ProVida 2000 im Rahmen einer Nachfahrt, eine Geldbuße von 560,- € verhängt und ein (abweichend von der im Bußgeldbescheid getroffenen Anordnung nicht mit der Wirksamkeitsregel des § 25 Abs. 2a versehenes) Fahrverbot von 2 Monaten Dauer festgesetzt.
Gegen das Urteil hat der Betroffene über seinen Verteidiger am 16.07.2018 Rechtsbeschwerde eingelegt, die form- und fristgerecht auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt worden ist.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat mit (dem Betroffenen über seinen Verteidiger am 19.12.2018 zugestellter) Stellungnahme vom 13.12.2018 beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Der Betroffene hat hierauf mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 21.12.2018 erwidert.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat (vorläufig) Erfolg.
1.
Allerdings greift die zulässig ausgeführte Verfahrensrüge, mit der der Betroffene ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der seiner Verurteilung zugrunde gelegten Geschwindigkeitsmessung geltend macht, nicht durch.Die mittels eines nachfolgenden Polizeifahrzeugs unter Verwendung des Geschwindigkeitsmesssystems Provida 2000 gewonnene Videoaufzeichnung stellt regelmäßig eine verdachtsabhängige Aufzeichnung dar, die ihre Grundlage in §§ 46 Abs. 2 OWiG, 100h StPO findet (vgl. OLG Schleswig-Holstein, Beschl.v. 29.12.2009, Az. 2 Ss OWi 135/09 (102/09), bei juris). Allerdings hat das Amtsgericht anhand der Aussage des Messbeamten festgestellt, dass die Videoaufnahme „permanent durchgelaufen“ sei, so dass auch eine Auswertung nicht anlassbezogen erhobener Daten im Nachhinein, beispielsweise mittels ViDistA, in Betracht kommt (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.01.2011, Az.(1 B) 53 Ss-OWi 585/10 (341/10), bei juris). Aus den weiteren Urteilsgründen geht jedoch hinreichend hervor, dass die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren in einer 30er-Zone erfolgt ist, nachdem der Betroffene den Beamten bereits im vorgelagerten Bereich mit festgelegten Höchstgeschwindigkeiten von 70 km/h und 50 km/h durch Geschwindigkeitsüberschreitungen aufgefallen war. Damit hat er jedenfalls zu der erst in der 30er-Zone bewusst ausgelösten, ihn betreffenden Messung konkreten Anlass gegeben, der auch zu der unmittelbar nachfolgenden Fahrerfeststellung durch die Messbeamten geführt hat.
2.
Die Rechtsbeschwerde hat aber mit der Sachrüge (vorläu?g) Erfolg, da sich die Urteilsgründe in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft erweisen und daher Schuldspruch und Rechtsfolgenentscheidung nicht tragen.Die Rechtsbeschwerde beanstandet insoweit zu Recht, dass sich die Feststellungen nicht dazu verhalten, in welcher der möglichen Betriebsarten des verwendeten Messgerätes Provida 2000 die der Verurteilung zugrunde gelegte Geschwindigkeitsmessung erfolgt ist . Da das Messsystem verschiedene Einsatzmöglichkeiten zulässt, denen u.a. im Hinblick auf den maßgeblichen Toleranzwert und etwaige, zu weiterer Beweiserhebung Anlass gebenden Auffälligkeiten Bedeutung zukommen kann, ist der bloße Hinweis auf den zum Einsatz gekommenen Gerätetyp nicht ausreichend (vgl. Senat, Beschl. v. 08.05.2006, Az. 1 Ss 60/06, m.w.N., bei juris). Weitere Angaben, anhand derer von einer Messung mittels menügesteuerter Betriebsart ausgegangenen werden und eine weitere Differenzierung ausnahmsweise als entbehrlich angesehen werden könnte (vgl. OLG Bamberg, Beschl.v. 03.02.2014, Az. 2 Ss OWi 5/14 ; KG Berlin, Beschl. v. 02.08.2018, Az. 3 Ws (B) 202/18 , bei juris) sind weder aus den dürftigen Feststellungen noch aus der Beweiswürdigung abzuleiten, die jeweils schon offen lassen, ob das Amtsgericht von einer Messung im – nicht ausdrücklich erwähnten – standardisierten Messverfahren ausgegangen ist.
Dieser Darstellungsmangel nötigt bereits zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung ans Amtsgericht zur neuerlichen Prüfung und Entscheidung, die auch die Zuweisung der im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen Kosten umfassen muss.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine auf Zeugenaussagen gestützte Zurückweisung eines Antrags auf Gutachtenseinholung – wenn überhaupt – nur Bestand haben kann, wenn die danach zugrunde gelegten tatsächlichen Erwägungen in den Urteilsgründen in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbaren Weise dargelegt werden, und dass auch der Rechtsfolgenausspruch für sich genommen keinen Bestand hätte haben können, da das Urteil sich nicht – wie angesichts der Höhe der verhängten Geldbuße unabdingbar – zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen verhält und auch keine Umstände mitteilt, die den Wegfall der im Bußgeldbescheid noch enthaltenen Wirksamkeitsregel des § 25 Abs. 2a StVG rechtfertigen würden.
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