Die Geschwindigkeit des Betroffenenfahrzeugs wurde mittels eines hinterherfahrenden Motorrads mit ProViDa-Anlage gemessen. Das OLG Hamburg bestätigt zwar, dass es sich dabei grundsätzlich um ein standardisiertes Messverfahren handelt. Zur Urteilsaufhebung führe aber, dass weder der Toleranzabzug noch die konkrete Messmethode bzw. verwendete Betriebsart der Messanlage im Urteil mitgeteilt werde. Bei Messungen vom Motorrad aus sei zudem zu beachten, dass nur bei einem Geradeausfahren in aufrechter Position von einem standardisierten Messverfahren auszugehen sei. Dies müsse daher in den Urteilsgründen dargestellt werden.

OLG Hamburg, Beschluss vom 20.02.2019 – 2 RB 10/183 Ss OWi 168/17

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen … wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg, Abt. 626, vom 22. September 2017 (Geschäftsnummer: 626 OWi 281/16) mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Hamburg-Harburg zurückverwiesen.

Gründe

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift ausgeführt:

Die Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer vorsätzlich, rechtwidrig und schuldhaft begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht. Die getroffenen Feststellungen sind lückenhaft.

In Bußgeldsachen sind an die schriftlichen Urteilsgründe zwar keine zu hohen Anforderungen zu stellen, für den Inhalt der Urteilsgründe kann aber grundsätzlich nichts anderes als für das Strafverfahren gelten. Sie müssen folglich so beschaffen sein, dass das Rechtsmittelgericht auf ihrer Grundlage die Entscheidung auf Rechtsfehler überprüfen kann (Senge in: KK-OWiG, 5. Auflage 2018, § 71 Rn. 106). Ein Urteil, das sich mit Geschwindigkeitsmessungen befasst, muss grundsätzlich feststellen, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Geschwindigkeitsfeststellung beruht. Soweit ein standardisiertes Messverfahren zum Einsatz kam, genügt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Beweiswürdigung neben der Wiedergabe der als erwiesen erachteten Messergebnisse die Mitteilung des Messverfahrens und des berücksichtigten Toleranzwertes (BGH, Beschluss vom 19.08.1993 – 4 StR 627/92. Rn. 25, 34 OLG Bamberg. Beschluss vom 25.01.2017 – 3 Ss OWi 1582/16, Rn. 6: zitiert jeweils nach juris). Bei dem Pro ViDa-2000-Modular Messverfahren handelt es sich grundsätzlich um ein standardisiertes Messverfahren (siehe etwa OLG Koblenz, Beschluss vom 12.09.2016 – 2 OWi 4 SsBs 50/16, Rn. 10, 14; OLG Bamberg, Beschluss vom 25.01.2017 – 3 Ss OWi 1582/16, Rn. 5 ff.; jeweils zitiert nach juris), bei dem zum Ausgleich systemimmanenter Messungenauigkeiten ein Toleranzabzug von 5 % der gemessenen Geschwindigkeit ausreicht (OLG Hamm NZV 2011, 267, 268 m.w.N.). Vorliegend wurde ein solches Verfahren angewandt. Als Messverfahren wird im Urteil angeführt, dass die Videoprints mit dem ProViDa-2000-Modular aufgezeichnet wurden und die Auswertung der Videoaufzeichnungen mit der Softwareversion ViDistA 2006, Release 6.5.5 erfolgte. Die gemessene Geschwindigkeit wird in den Feststellungen mit 167 km/h angegeben, der Toleranzwert wird hingegen nicht mitgeteilt. Es ist auch nicht aufgrund anderer Gesichtspunkte ersichtlich, ob oder welcher Toleranzwert der Messung zugrunde gelegt wurde. So wird in dem Urteil nur erwähnt, dass nach den Bekundungen des Zeugen J. „u.a. die Geschwindigkeit von 171 km/h bei dem betroffenen Fahrzeug gemessen” wurde.

Hinzu kommt, dass bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem ProViDa-System konkret angegeben werden muss, welches nach diesem System mögliche Messverfahren zur Anwendung kam, also ob aus einem stehenden Fahrzeug, durch Nachfahren mit konstantem Abstand oder durch Weg-Zeit-Messung die Geschwindigkeitsüberschreitung ermittelt wurde (OLG Hamm, Beschluss vom 04.12.2008 – 3 Ss OWi 871/08, Rn. 19, zitiert nach juris). Dies ist dem Urteil nicht zu entnehmen. So reicht die Wiedergabe der Aussage des Zeugen PHM J. ihm sei der von dem Betroffenen gelenkte Pkw Mercedes aufgefallen, welcher mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei und er habe sodann das Messgerät eingeschaltet und die Geschwindigkeit gemessen, nicht aus, um nachvollziehen zu können, mit welchem Verfahren die Geschwindigkeit gemessen wurde. Dass darüber hinaus in dem Urteil aufgeführt ist, dass die Auswertung mit der Software ViDiStA 2006, Release 6.5.5 durchgeführt wurde, reicht für die erforderliche konkrete Darstellung des Messverfahrens ebenfalls nicht aus.

Des Weiteren geht aus dem Urteil hervor, dass der Messbeamte ein Motorrad geführt hat und das Messgerät mithin an diesem installiert war. Für Verkehrsüberwachungen mittels Messungen durch das ProViDa-System im Betrieb mit Motorrädern ist jedoch nur bei einem Geradeausfahren in aufrechter Position von einem standardisierten Messverfahren auszugehen (OLG Hamm NZV 2011, 267, 268). In den Urteilsgründen wird jedoch nicht mitgeteilt, wie die Messung vorgenommen worden ist und vor allem, ob der Zeuge J. ausschließlich geradeaus und in aufrechter Position gefahren ist.

Es ist nach alledem nicht möglich nachzuvollziehen, ob die Messung mittels eines standardisierten Messverfahrens durchgeführt wurde.

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.