Gegen den Betroffenen wurden mit Urteil vom 05.12.2016 wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes eine Geldbuße sowie ein Fahrverbot verhängt. Zur Entscheidung über seine Rechtsbeschwerde kam es erst im April 2019, obwohl sie bereits im Mai 2017 dem Senat des OLG Hamburg vorlag; dieser konnte keine Rechtsfehler im Urteil des AG feststellen, erklärte das Fahrverbot wegen der eingetretenen Verfahrensverzögerung aber als vollstreckt. Da die mit dem Fahrverbot verbundene Warn- und Besinnungsfunktion durch Zeitablauf an Effektivität verlieren könne, sei nach verbreiteter Auffassung nach Ablauf von ca. zwei Jahren ein Entfallen oder eine Herabsetzung der Dauer eines Fahrverbots in Erwägung zu ziehen. Vorliegend sei es im Rechtsbeschwerdeverfahren zu einer erheblichen rechtsstaatswidrigen Verzögerung gekommen, weshalb unter Anwendung der auch im Strafverfahren bekannten Vollstreckungslösung das verhängte einmonatige Fahrverbot für vollstreckt zu erklären sei.

Hanseatisches OLG, Beschluss vom 02.04.2019 – 2 RB 27/17

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 5. Dezember 2016 wird mit der Maßgabe auf Kosten des Betroffenen verworfen, dass aufgrund im Rechtsbeschwerdeverfahren eingetretener rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung das mit der angefochtenen Entscheidung verhängte einmonatige Fahrverbot als vollstreckt gilt.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 5. Dezember 2016 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 200 EUR und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene im Wege der Rechtsbeschwerde, auf deren kostenpflichtige Verwerfung als unbegründet die Generalstaatsanwaltschaft angetragen hat.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte sowie fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341, 344, 345 StPO) Rechtsbeschwerde bleibt – mit der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen, maßgeblich auf dem Eintritt einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung in der Rechtsbeschwerdeinstanz beruhenden Maßgabe – in der Sache ohne Erfolg, da die auf die Sachrüge hin veranlasste Prüfung keinen tragenden Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen ergeben hat.

III.

Das durch das Amtsgericht zum dortigen Entscheidungszeitpunkt rechtsfehlerfrei verhängte Fahrverbot kann aus Gründen des Zeitablaufs unter Berücksichtigung der im Rechtsbeschwerdeverfahren eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung keinen Bestand mehr haben.

1. Die Notwendigkeit der Verhängung eines Fahrverbots kann, da die damit verbundene Warn- und Besinnungsfunktion für den Betroffenen im Laufe der Zeit an Effektivität verliert, durch den Zeitablauf seit der zu ahnenden Ordnungswidrigkeit unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalls in Frage gestellt sein. Eine Aufhebung oder Herabsetzung der Dauer des Fahrverbots wird nach verbreiteter Auffassung nach Verstreichen eines Zeitraums von etwa zwei Jahren in Erwägung gezogen (vgl. dazu BayObLG NZV 2004, 210; OLG Köln NZV 2004, 422 f.; OLG Brandenburg NZV 2005, 278 f.; Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 25 StVG Rn. 24 m.w.N.), wobei neben weiteren fallbezogenen Umständen insbesondere auch Berücksichtigung finden kann, ob das Ordnungswidrigkeitenverfahren aus Gründen, auf die der Betroffene keinen Einfluss gehabt hat, besonders lange Zeit in Anspruch genommen hat (vgl. OLG Köln a.a.O.; BayObLG NZV 2004, 100).

2. Im vorliegenden Verfahren ist in der Sachbehandlung durch das Rechtsbeschwerdegericht eine erhebliche rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten. Die hierfür im Strafverfahren entwickelten Grundsätze (grundlegend: BGHSt 51, 124 ff.) gelten auch für das Ordnungswidrigkeitenverfahren einschließlich in der Rechtsbeschwerdeinstanz eingetretener Verzögerungen (BVerfG Beschl. v. 2. Juli 2003, Az.: 2 BvR 273/03 (juris); OLG Karlsruhe Beschl. v. 29. Dezember 2016, Az.: 2 (7) SsBs 632/16 (juris) m.w.N.).

Die vorliegende Sache war nach am Eingang des Empfangsbekenntnisses des Verteidigers des Betroffenen über den Erhalt des Antrags der Generalstaatsanwaltschaft ab Beginn des Monats Mai 2017 entscheidungsreif. Unter Abzug einer noch angemessenen Bearbeitungszeit von etwa drei Monaten liegt eine von dem Betroffenen nicht zu vertretende erhebliche rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von annähernd einem Jahr und neun Monaten vor, zu deren Kompensation unter Berücksichtigung der weiteren Umstände, namentlich einerseits der im Vergleich zum Strafverfahren geringeren Eingriffsintensität des Ordnungswidrigkeitenverfahrens, sowie andererseits der nicht sehr hohen, zugleich aber auch nicht unerheblichen Sanktion in Form der verhängten Geldbuße und des angeordnete Fahrverbots und der vor diesem Hintergrund von dem Verfahren ausgehenden Belastung des Betroffenen über die – hiermit erfolgte – Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hinaus ein Ausgleich im Wege entsprechender Anwendung der sog. Vollstreckungslösung (vgl. zur Anwendbarkeit im Ordnungswidrigkeitenverfahren: OLG Saarbrücken Beschl. v. 6. Mai 2014, Az.: Ss (B) 82/2012 (juris); OLG Hamm DAR 2011, 409 ff.) geboten ist, der hier unter ergänzender Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zu Ziff. 1. dazu führt, dass der Senat das amtsgerichtlich verhängte Fahrverbot für vollstreckt erklärt hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.