Quelle: VisualBeo, Wikimedia Commons

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Liegt eine Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr bereits längere Zeit zurück, ist nach der Rechtsprechung zu prüfen, ob ein Fahrverbot noch seine Warnungs– und Denkzettelfunktion entfalten kann. Nach verbreiteter Ansicht wird bei einem zeitlichen Abstand von zwei Jahren und mehr zwischen Begehung der Ordnungswidrigkeit und amtsgerichtlichem Urteil das Fahrverbot regelmäßig entfallen müssen. Umstritten ist aber, ob der Zeitablauf nach Erlass des (rechtsfehlerfreien) Urteils bis zur Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ebenfalls zu berücksichtigen ist. Diese Frage haben in der Vergangenheit u. a. das KG, das OLG Bremen sowie das OLG Zweibrücken bejaht (Nachweise siehe unten). In einem aktuellen Fall – Tatbegehung: 06.11.2012, Urteil des AG: 22.10.2014, Senatsentscheidung: 25.03.2015 – meint das KG, knapp zwei Jahre bis zum Urteil des AG seien eben nicht zwei Jahre und der anschließende Zeitraum bis zur Entscheidung des KG müsse bei der Prüfung, ob vom Fahrverbot abgesehen werde, außer Betracht bleiben (Beschluss vom 25.03.2015, Az. 3 Ws (B) 19/15162 Ss 4/15).

(2) Der Zeitablauf seit der Tatbegehung am 6. November 2012 steht der Verhängung eines Fahrverbots nicht entgegen.

(a) Wann bei langer Verfahrensdauer wegen des Zeitablaufs allein oder zusammen mit anderen Umständen die Verhängung eines Fahrverbots nicht mehr in Betracht kommt, ist eine Frage des Einzelfalls, die einen gewissen Beurteilungsspielraum eröffnet. In aller Regel dürfte dieser Zeitpunkt nach etwa zwei Jahren erreicht sein; eine starre Grenze besteht jedoch nicht. Der Zeitraum von zwei Jahren ist lediglich ein Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann, nahe liegt. Sie ist dann anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2011 – 3 Ws (B) 475/11 –; OLG Bamberg, Beschluss vom 10. März 2011 – 2 Ss OWi 1899/10 –, juris, Rn. 29). Die von der Betroffenen herangezogene Entscheidung des BGH vom 22. Oktober 2001 (ZfSch 2004, 133), wonach die Anordnung eines Fahrverbots bei einem über ein Jahr und neun Monate zurückliegenden Pflichtverstoß bedenklich sei, ist auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen, weil sie zu einem Fahrverbot nach § 44 StGB ergangen ist. Denn die Erwägungen, die zu einem Fahrverbot nach § 44 StGB führen können, sind mit der gesetzgeberischen Intention des im Bußgeldkatalog verankerten Regelfahrverbots nicht ohne weiteres in Übereinstimmung zu bringen.

Die Grenze von zwei Jahren war hier bei Erlass des amtsgerichtlichen Urteils noch nicht erreicht. Das Amtsgericht war trotz der mehr als ein Jahr und elf Monate zurückliegenden Tatbegehung auch nicht gehalten, den erzieherischen Zweck des Fahrverbots näher zu prüfen. Die Dauer des Verfahrens beruht unter anderem auf Umständen, die in der Sphäre der Betroffenen liegen. Infolge der im Urteil erwähnten Terminsverlegungsanträge des Verteidigers mussten Hauptverhandlungstermine um drei Monate bzw. weitere zwei Wochen verlegt werden.

(b) Unerheblich ist, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senates seit Tatbegehung mittlerweile mehr als zwei Jahre vergangen sind. Die zwischen dem angefochtenen Urteil und der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts verstrichene Zeit ist bei der Prüfung der Frage, ob wegen Zeitablaufs von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen ist, grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat lediglich zu prüfen, ob das Urteil des Tatrichters, auch im Hinblick auf die Verhängung eines Fahrverbots, Rechtsfehler aufweist. Der Tatrichter kann aber den sich an seine Entscheidung anschließenden Zeitraum nicht berücksichtigen (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Mai 2000 – 5 Ss OWi 1106/99 –, Rn. 9, juris). Danach kommt es für die Frage des Absehens von der Verhängung eines Fahrverbots infolge Zeitablaufs in der Regel nur auf den Zeitraum zwischen Tatbegehung und letzter tatrichterlicher Entscheidung an (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 31. März 2014 – Ss (B) 18/14 (15/14 OWi) –, Rn. 19, juris; OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 3. August 2011 – 2 Ss Bs 172/11 –, Rn. 11, juris; aA. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25. August 2011 – 1 Ss Bs 24/11 – Rn. 6, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 18. Juni 2014 – 1 Ss Bs 51/13 – Rn. 13, juris).

Soweit der Senat in der Vergangenheit (Beschlüsse vom 22. Februar 2007 – 3 Ws (B) 41/07 –, juris, und 5. September 2007 – 3 Ws (B) 495/07 –) auf die Zeitspanne, nach welcher regelmäßig von der Verhängung eines Fahrverbots als Denk- und Besinnungsmaßnahme abzusehen ist, bei rechtsfehlerfreiem tatrichterlichem Urteil auch den Zeitablauf zwischen diesem und der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts berücksichtigt hatte, hat er diese Rechtsprechung bereits im Jahre 2009 auf eine im Vorgriff auf eine Vorlegung an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 GVG vom Oberlandesgericht Dresden, Senat für Bußgeldsachen, mit Beschluss vom 20. August 2009 – Ss (OWi) 242/09 – erfolgte Anfrage aufgegeben (Beschluss vom 2. September 2009 – 3 ARs 11/09).

Im Einzelfall können allerdings auch erhebliche Verzögerungen nach Urteilserlass Auswirkungen auf die Verhängung eines Fahrverbots haben (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken aaO.). Zu solchen Verzögerungen ist es hier aber nicht gekommen. Da es danach von den Umständen des Einzelfalles abhängt, ob nur der Zeitraum bis zum Urteilserlass zu berücksichtigen ist, konnte der Senat davon absehen, die Frage dem Bundesgerichtshof vorzulegen (§§ 121 Abs. 2 GVG, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). In Fragen, die der Tatrichter unter Bewertung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden hat und die deshalb einer Verallgemeinerung nicht zugänglich sind, kommt eine Vorlage nicht in Betracht (Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 121, Rn. 21).