In einer als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen Straße wurde beidseitig geparkt; eines der geparkten Fahrzeuge gehört der Klägerin. Dieses war nicht innerhalb gekennzeichneter Flächen abgestellt. Die Restbreite der Straße war dann so gering, dass der bei der Zweitbeklagten versicherte Sattelschlepper beim Vorbeifahren den klägerischen Pkw beschädigte. Das LG Saarbrücken lässt die Betriebsgefahr des Pkw der Klägerin gänzlich zurücktreten. Denn das Verbot, in verkehrsberuhigten Bereichen außerhalb markierter Flächen zu parken, bezwecke nicht den Schutz des durchfahrenden Verkehrs (Urteil vom 01.04.2015, Az. 13 S 165/14).

2. Im Rahmen der danach gebotenen Haftungsabwägung gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG hat die Erstrichterin einen Verkehrsverstoß der Klägerin gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO (Halteverbot an engen und unübersichtlichen Straßenstellen) mit der Begründung verneint, die Klägerin habe nicht gehalten, sondern geparkt, da sie ihr Fahrzeug nicht nur 3 Minuten abgestellt habe. Dagegen wendet sich die Berufung zu Recht. Denn es ist anerkannt, dass die Halteverbote des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 StVO zugleich bewirken, dass in diesen Bereichen nicht geparkt werden darf (vgl. OLG Düsseldorf, DAR 2000, 414; OLG Karlsruhe, VersR 2012, 1186; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 12 StVO Rn. 44).

Allerdings erweist sich die Annahme des Erstgerichts aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig.

a) Das Halten an engen Straßenstellen im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVO setzt voraus, dass der zur Durchfahrt insgesamt freibleibende Raum für ein Fahrzeug mit der regelmäßig höchstzulässigen Breite – diese beträgt nach § 32 Abs. 1 StVZO 2,55 m – zuzüglich eines Seitenabstandes von 50 cm bei vorsichtiger Fahrweise nicht ausreichen würde (vgl. BayObLG, NJW 1960, 1484; OLG Nürnberg, VersR 2007, 1137; Hentschel aaO § 12 StVO Rn. 22; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 12 StVO Rn. 6, jeweils m.w.N.). Enge Straßenstellen sind danach solche, die eine Fahrbahnbreite unter 3,05 m aufweisen (VG Saarland, Gerichtsbescheid vom 20.01.2014 – 6 K 1768/12, juris m.w.N.). Dabei ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem das Fahrzeug abgestellt wird. Es liegt mithin kein Verkehrsverstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVO vor, wenn eine enge Straßenstelle erst durch nachfolgendes Halten bzw. Parken anderer Fahrzeuge auf der gegenüberliegenden Straßenseite entstanden ist (vgl. BayObLG, VRS 11, 66; OLG Köln, VRS 34, 312, 313; OLG Düsseldorf, VerkMitt. 1965, Nr. 73, S. 48; Hentschel aaO § 12 StVO Rn. 22 m.w.N.).

b) Hiervon ausgehend lässt sich ein Verstoß der Klägerin gegen das Verbot des § 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVO nicht feststellen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts, die mit der Berufung nicht angegriffen werden, lässt sich nicht mehr beweissicher klären, ob die Klägerin ihr Fahrzeug vor oder nach dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkten Fahrzeug abgestellt hat. Verbleibt danach aber die Möglichkeit, dass die Klägerin ihren Pkw zeitlich vor dem anderen Fahrzeug abgestellt hat, ist ein Verkehrsverstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVO nicht nachgewiesen. Denn unter Berücksichtigung des abgestellten klägerischen Fahrzeugs verblieb – was auch von den Beklagten nicht in Abrede gestellt wird – zur Durchfahrt noch ein Raum in der Breite von jedenfalls mehr als 3,05 m.

c) Auch ein Verstoß gegen das Halteverbot an unübersichtlichen Stellen (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StVO) oder im Bereich von scharfen Kurven (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO) liegt nicht vor. Unstreitig hat sich der Verkehrsunfall in Höhe des Anwesens „…“ ereignet. In diesem Bereich ist aber – wovon sich die Kammer anhand des zur Akte gelangten Lichtbildes und mit Hilfe einer Luftbildkarte (google.maps) überzeugt hat – weder eine scharfe Kurve erkennbar, noch liegt eine Stelle vor, die einen genügenden Überblick hindern könnte (zur Unübersichtlichkeit und zum Begriff der scharfen Kurve vgl. nur Hentschel aaO § 12 StVO Rn. 23, 24 m.w.N.).

3. Die Beklagten können sich auch nicht auf einen Verstoß gegen § 42 Abs. 2 StVO i.V.m. Zeichen 325.1 Nr. 4 berufen, wonach in einem verkehrsberuhigten Bereich – wie hier – grundsätzlich nicht außerhalb der dafür gekennzeichneten Flächen geparkt werden darf. Die Klägerin hat zwar gegen dieses Parkverbot verstoßen. Der Fahrzeugverkehr, zu dem der Beklagten-Lkw gehörte, wird durch das Parkverbot nach Zeichen 325.1 Nr. 4 indes nicht geschützt.

Verkehrsberuhigte Bereiche erfüllen neben Erschließungsaufgaben vor allem eine Aufenthaltsfunktion. So dürfen in verkehrsberuhigten Bereichen die Fußgänger die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen; Kinderspiele sind überall erlaubt. Der Fahrzeugverkehr muss Schrittgeschwindigkeit einhalten, Fußgänger dürfen weder gefährdet noch behindert werden; Fahrzeugführer müssen, wenn nötig, warten. Fußgänger dürfen ihrerseits den Fahrzeugverkehr nicht unnötig behindern. Der Fahrzeugverkehr wird mithin im Interesse des Fußgängerverkehrs und zugunsten spielender Kinder zurückgedrängt und die gesamte Straße als Bewegungs- und Kommunikationsraum zur Verfügung gestellt. Der Verwirklichung und Unterstützung dieser Funktion dient das generelle Parkverbot in verkehrsberuhigten Bereichen außerhalb gekennzeichneter Flächen. Es schafft die notwendigen Freiflächen, um den verkehrsberuhigten Bereich als Spiel-, Kommunikations-, Verweil- und Bewegungsraum nutzen zu können. Rechtswidrig abgestellte Fahrzeuge beeinträchtigen und behindern diesen Zweck. Darüber hinaus führt die Nutzungskonkurrenz von Fußgänger- und Fahrzeugverkehr auf einer durch verkehrswidrig abgestellte Fahrzeuge reduzierten Fläche zu zusätzlichen Gefahren für Fußgänger und spielende Kinder. Solche Gefahren sind umso größer, je beengter die Freiflächen sind; parkende Autos verdecken zudem die Sicht von Fahrzeugführern auf spielende Kinder ebenso wie die Sicht von Kindern auf herannahende Fahrzeuge (zu allem OVG Münster, ZfS 1998, 76; VG Saarland aaO). Das Parkverbot des Zeichens 325.1 Nr. 4 dient mithin – anders als etwa das Halteverbot an engen Straßenstellen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO (vgl. hierzu Hentschel aaO § 12 StVO Rn. 22 m.w.N.) – nicht der Sicherstellung ausreichenden Raums für den durchfahrenden Kraftfahrzeugverkehr.

4. Dass das Erstgericht im Rahmen der nach § 17 Abs. 1, 2 StVG gebotenen Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und -verschuldensanteile die Betriebsgefahr auf Klägerseite unter den gegebenen Umständen hinter den – unstreitigen – Verkehrsverstoß des Erstbeklagten nach § 1 Abs. 2 StVO hat zurücktreten lassen, ist danach im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn es ist anerkannt, dass Verkehrsverstöße beim Abstellen eines Fahrzeugs für die Haftungsquote keine Rolle spielen, wenn der Schutz von vorbeifahrenden Fahrzeugen nicht zum Schutzbereich der verletzten Normen gehört (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 2012, 1186; LG Nürnberg-Fürth, DAR 2007, 709; Kammer, Hinweisbeschluss vom 06.05.2014 – 13 S 52/14). Die Schädigung ist in diesem Fall nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will (vgl. BGHZ 115, 84; BGH, Urteil vom 01.12.1981 – VI ZR 111/80, VersR 1982, 243; BGHZ 79, 259, 263).